Österreich hat einen neuen Skandal. Ein australischer Prediger hat für den ehemaligen Bundeskanzler ein Segensgebet gesprochen, und jetzt wirft man dem Gesegneten vor, er würde die Religion für politische Zwecke instrumentalisieren. Neben den üblichen Verdächtigen aus den Reihen der Opposition und den mit ihnen verbündeten Medien, sprangen sogar Journalisten ansonsten seriöser Zeitungen, wie der „Presse“ auf den Zug auf. Dietmar Neuwirth fühlt sich sogar bemüßigt den großen Kardinal König ins Spiel zu bringen.
Lohnt die Aufregung? Ist sie überhaupt berechtigt? Und was könnte sie bewirken? Um das zu ergründen, sollte man zunächst einmal herausfinden was überhaupt passiert ist.
Ein christlicher, australischer Prediger hat im Rahmen einer legalen inter-konfessionellen Veranstaltung ein Gebet für Sebastian Kurz gesprochen, in dem er Gott zunächst für den Menschen Sebastian Kurz dankte und anschließend um Weisheit, die Fähigkeit zur guten und gerechten Führung und vor allem Schutz bat. Nichts von dem ist an sich ehrenrührig, man kann davon ausgehen, dass Ben Fitzgerald, so heißt der etwas ungewöhnliche Gottesmann, dies auch schon an anderer Stelle und für andere Regierende gemacht hat. Er wirkte auch nicht als würde er wissen, wem er da gerade konkret die Hand auflegt. Möglicherweise segnet er einfach gern, was bei evangelikalen Berufspredigern zur Show gehört, und daher weit verbreitet ist. Da Fitzgerald in Europa weitgehend unbekannt ist und nicht einmal über einen deutschen Wikipedia-Eintrag verfügt, ist er nicht so einfach fassbar. Wer sich den Videomitschnitt ansieht, wird feststellen, dass Kurz von der ganzen Situation sichtlich überrascht war, es ist also nicht davon auszugehen, dass er dort war um sich von einem in Österreich völlig unbekannten Prediger segnen zu lassen. Natürlich könnte man ihm jetzt vorwerfen, dass er zu einer derartigen Veranstaltung gar nicht erst hätte hingehen sollen, was allerdings schon wieder dadurch relativiert wird, dass auch der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn unter den Besuchern war. Das Gebet beziehungsweise den Segen abzulehnen wäre wohl nicht nur aus diplomatischer Sicht ein absolutes NoGo.
Die ganze Szenerie wirkt reichlich ungewöhnlich und befremdlich. Sie erinnert an eine religiöse Praxis, die man aus schlechten amerikanischen Fernsehserien kennt. Das kann man sicher kritisieren, allerdings gibt es auch bei uns anerkannte und verbreitete Religionsgemeinschaften, deren religiöse Übungen – sagen wir mal so – etwas befremdlich wirken können. Also solange, dabei niemand zu Schaden kommt ist es im Sinne der Menschenrechte durchaus selbstverständlich den Australier segnen zu lassen, was er segnen will, egal ob Spaghetti-Monster, Kopftuch oder Bundeskanzler.
Erschreckend ist also weniger das Segensgebet an sich, sondern viel mehr die offensichtliche Unwissenheit in Politik und Journalismus über das Wesen des Betens: Gläubige Menschen egal welcher Religion tun dies mehr oder minder regelmäßig: Buddhisten drehen an ihren Gebetsmühlen, Muslime wenden sich fünfmal täglich gen Mekka, Juden pilgern zur Western Wall, Katholiken sollten täglich einmal beten und wallfahren nach Rom oder in Österreich nach Mariazell. Man kann für alles beten: Für Gesundheit, eine gute Ernte, eine glückliche Reise, eine erfolgreiche Prüfung, ja sogar für einen (Ex-)Bundeskanzler. Ich gestehe ganz offen, das auch schon getan zu haben: Nicht nur für Kurz, sondern auch für alle seine Vorgänger: Am Karfreitag bei der Fürbitte: Für die Regierenden.
Natürlich hat beten für Atheisten und Agnostiker wenig bis gar keine Bedeutung. Sie können und sollen es für Firlefanz halten, eine aufgeklärte und liberale Gesellschaft muss beide Meinungen aushalten. Wer also mit Religion nichts am Hut hat, braucht sich über das segnende Kanzler-Gebet eigentlich nicht weiter zu echauffieren. Wen interessiert es schon, wenn ein Australier ein nicht existierendes oder zumindest nicht fassbares höheres Wesen anruft? Er wird wohl keinen Erfolg haben!
Wer das Beten dagegen ernst nimmt, sollte zunächst mal drüber nachdenken, was es eigentlich bewirken könnte. So ist es ja an sich nichts Schlechtes besonders für jene zu beten, die sich auf einem falschen Weg befinden! Gerade Kurz-Gegner sollten sich daher – so sie gläubig sind – vielleicht sogar Hoffnungen machen können, dass der böse vielleicht doch noch ein braver Basti wird, es sei denn man will, dass er böse bleibt und ihn einfacher beschimpfen zu können.
Österreich ist allerdings ein Land, in dem der Neid eine besondere Rolle spielt und gerade der ehemalige Bundeskanzler ist auf Grund seines junges Alters, seines Erfolges und auch seines bislang oft wenig fehlerhaften Agierens die ideale Projektionsfläche für ungebremsten, hasserfüllten Neid. Anders ist wohl schon der Misstrauensantrag, der entgegen jeglichen Gewohnheiten ein Exempel statuiert hat, das nur der Beruhigung von Parteifunktionären diente, nicht erklärbar. In Österreich scheint also ein moralisch einwandfreies Handel – nämlich eine höhere Macht and die man persönlich glaubt zu bitten einer Person Segen und Hilfe zu Teil werden zu lassen – moralisch verwerflich zu sein. Das zeigte sich schon vor einigen Jahren, als die SPÖ die alljährliche Gedenkmesse für Bundeskanzler Engelbert Dollfuß im BKA abschaffte. Die Veranstaltung hatte davor alle SPÖ-Kanzler von Kreisky bis Gusenbauer nicht wirklich gejuckt. Plötzlich war es unmoralisch für den „Arbeitermörder“ zu beten. Mal ganz im Ernst: Wer Dollfuß tatsächlich für einen Arbeitermörder hält, sollte besonders viel dafür beten, dass ihm seine Sünden vergeben werden. Jemanden in die Hölle zu wünschen, sollte selbst für Nichtglaubende ein Tabu sein. Und übrigens waren es ursprünglich die Nationalsozialisten, die Dollfuß im Angesicht des Todes einen Priester verweigert haben.
Zurück also zu Kurz und dem segnenden Australier. Kurz gilt ja für viele als das personifizierte böse Schwarze oder Türkise. Für mache scheint er so eine Art misslungenes biologisches Experiment zu sein, bei dem eine Waldhexe das Erbgut Engelbert Dollfuss’ mit jenem Wolfgang Schüssels vermischt hat und er nun der Inbegriff des bösen Konservativen ist. Anders ist der Umgang mit ihm und der sicherlich nicht alltäglichen und vielleicht seltsam anmuteten Begebenheit in der Wiener Stadthalle wohl nicht erklärbar. Die Krone setzt dem Ganzen allerdings ein Funktionär einer kirchennahen Einrichtung, der Direktor der Caritas, Michael Landau auf. Allen Ernstes meinte er, dass man quasi nur im stillen Kämmerlein beten solle. Gut, dann können wir uns diesen Donnerstag sämtliche öffentlichen Fronleichnamsprozessionen wohl sparen. Ist das Landaus versteckter Vorschlag Fronleichnam zu Gunsten des Karfreitags als Feiertag aufzugeben? Wohl kaum! Oder liegt es daran, dass man nur für Kurz nicht beten soll? Auch Landau betet für Viele, auch öffentlich. Als Kirchenmann einen Politiker für etwas kritisieren, was eindeutig nicht auf seinem Mist gewachsen ist und im selben Atemzug die Vermischung von Politik und Kirche anzuprangern, klingt leicht schizoid, es sei denn man möchte sich mal wieder der politischen Linken andienen.
Anstatt sich also in eine völlig sinnlose Debatte zu verstricken wäre es vielleicht sinnvoller Kurz dort zu bekämpfen wo es am ehesten erfolgversprechend wäre, auf einer sachlichen Ebene. Doch das erfordert Grips!
Ob Kurz dank des Segens die Wahl gewinnt ist fraglich, wenn dann wohl aus anderen Gründen. Gott hält sich aus der Tagespolitik zumeist heraus. Mit dem Absondern weiterer unkontrollierter Hasstiraden gegen Kurz und alles was er tut steigen seine Chancen dagegen sehr.
Und was hätte Kardinal König gemacht? Wie es sein Art war, wahrscheinlich weise geschwiegen! Auch das wäre eine Antwort!
Glaser https://www.dieneuevolkspartei.at/Img/Sebastian-Kurz.jpg