Über die subtilere Form von Rechtspopulismus und Gesellschafts-Spaltung der ÖVP. Die "Unwilligen" als neues Feindbild, zur Ablenkung von Grundproblemen.
Der Blümel wieder! Dem Chef der Wiener ÖVP fällt ein, dass er... nein, einen schönen Sommer wünscht er niemanden. Zumindest nicht auf dem Plakat. Aber er wünscht "Gerechtigkeit für die Leistungswilligen".
Er meint mit Leistung vermutlich die wirtschaftliche. Vielleicht verwechselt er auch Leistung mit Einkommen - kommt in diesen Kreisen öfter vor. Wie auch immer, sofern er keinen tiefenpsychologischen Überwachungsstaat anstrebt, der von Telepath_innen kontrolliert wird, lässt sich Leistungswille nur folgendermaßen feststellen: Wer einen Job hat, hat mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch den Willen, in diesem etwas zu leisten. Er fordert also Gerechtigkeit für Menschen die einen Job haben und zwar gern. So scheint's. Macht aber immer noch klar, was er eigentlich mit seinem Wording meint.
"Damit alle ihren Urlaub verdienen", begründelt er weiters. Vielleicht weil Menschen ohne Job, dadurch ohne Leistung, den Urlaub nicht verdienen würden, den sie sich nicht leisten können und daher auch nicht nehmen?
Der Gärtner heißt Lopatka
Oder schätze ich Blümel völlig falsch ein und meint mit "Gerechtigkeit", dass alle einen Job bekommen sollten, die willig sind, einen zu haben, um sich daraufhin ihren Urlaub "verdienen" zu können? Ist Blümel etwa ein heimlicher Kommunist? "Arbeitsmarkt zusperren! Arbeit für alle, in unseren neuen Staatsbetrieben!"?
Ich glaube aber erstens: Jaehkloar! Zweitens: Bezieht er sich eher auf Reinhold Lopatka, Clubchef und Donald Trump-Selfiehunter der ÖVP, der bereits Anfang des Jahres (aber nicht zum ersten Mal) Verschlechterungen für Staatshilfe-Empfänger_innen forderte - ausgenommen natürlich Banken und Bauern. Vor allem wollte er "Arbeits- und Integrationsunwillige" bestrafen. Dafür wurde er von diversen Seiten kritisiert.
Schwarzes Fortschrittsdenken: Denunziantentum mit "Gefühl"
Deshalb ließ sich das ÖVP-Büro für Wirtschaftliches (Zweigstelle "Wirtschaftskammer Tirol" ) auch ein paar Monate Zeit, ehe es mit der Forderung aufhorchen ließ, die Unternehmen sollten "Arbeitsunwilligkeit" von AMS-Vermittelten melden. Damit man ein "Gefühl" für die Anzahl der Arbeitsverweigerer_innen bekäme. Um darauhin ein "Gefühl" für Maßnahmen zu bekommen, die man gegen "gefühlte" "Arbeitsunwillige" zu unternehmen als angemessen "fühlt". Das Gefühl eines Lopatkas, der erst jetzt wieder 2 1/2 Stunden Anfahrtszeit zur Arbeit für angemessen hielt, kann recht willkürlich ausfallen. Möglicherweise empfindet er auch Kündigung wegen unzumutbaren Arbeitsbedingungen, Ausbeutung oder Arbeitsunfähigkeit als "Unwilligkeit".
Blaue Konkurrenz: Rechtsüberholversuche
Obwohl das AMS bereits über Möglichkeiten der Maßregelung verfügt, die von ÖVP und Kammeranhang lautstark gefordert werden. Man will diese dezent verstärken. Was eher einem populistischen Zweck dient. So kann man sich als rechte Hardliner neben der FPÖ positionieren. Am Ländle kürzt zwar auch diese gerne die Mindestsicherung beim aktuellen Lieblings-Feindbild (Flüchtlinge), in Wels allerdings auch Kinder- und Jugendhilfe für "deutschösterreichische" Mütter. Deshalb muss sich die Bundes-ÖVP auch beeilen, den "kleinen" Frauen und Männern im Staat noch kräftiger vor die Tür zu defakieren, bevor es die blaue Konkurrenz macht. Scheint ein Sport unter Rechten zu sein.
Politische Inszenierung: "Willig gegen Unwillig"
Wer auch immer diese Willigen und "Unwilligen" sein sollen, die ÖVP versucht sie offenbar gegeneinander auszuspielen. Die Einen sollen zwar nicht über ihr Gehalt hinaus belohnt werden - es sind ja keine Spitzenmanager_innen oder Parlamentsangehörige, die bereits für jahrelanges Dort-Sitzen einen Orden verliehen bekommen. Dafür sollen die Anderen durch Strafmaßnahmen "motiviert" werden. Sprich: Freie Bürger_innen sollen sich keinen Job mehr aussuchen dürfen, sagt die "bürgerliche" Partei. Sie sollen jeden Job machen müssen, den ihnen der Staat vermittelt. Das nennt sie dann vermutlich "freie Marktwirtschaft": Keine bürgerlichen Grundrechte mehr für Menschen, die ihr Recht auf staatliche Hilfe in Anspruch nehmen? Dafür ein Denunziantentum gegenüber Menschen mit "falschem" Willen? Das klingt tatsächlich nicht nach Kommunismus, das klingt eher nach seiner historischen Perversion, nach einem Hauch totalitärer Fantasien... aber die ist ja wiederum unabhängig von Ideologien.