Anstatt immer höhere Schutzwälle zu bauen, muss Europa den Quellen des Terrors auf den Grund gehen.

Zusammen hängt es sich am besten...

Einige Kommentator_innen glauben, man müsse daran erinnern, dass die Terroristen in Brüssel nichts mit Flüchtlingen zu tun hätten. Man muss nicht. Die faschistoiden Erbsündigen glauben ohnehin, was sie wollen. Und wenn sie's nicht glauben, behaupten sie dennoch zu Propagandazwecken: "Seht ihr, die Anschläge von Paris und Brüssel sind nach Beginn der 'Flüchtlingswelle' passiert! Da ist doch ein Zusammenhang." Allerdings wurde, vor der Flüchtlingskrise, auch noch kein Meister des chinesischen Go-Spiels in selbigem von einem Google-Computer besiegt. Und Marcel Hirscher war noch nicht 5-facher Gesamtwelcupsieger. Und kein Mensch wäre auf die Idee gekommen ausgerechnet “Je suis bruxelles” auszurufen.

… Bis sich alles aufhängt

Man müsste sich eigentlich auch keine Gedanken über die vielen Floskeln machen, die auf islamistische Massenmorde in Europa folgen wie das Allahu akbar nach dem Gebet... oder Auspeitschung... oder der Enthauptung. Ist manchmal trotzdem interessant. So titelt Wolfgang Fellner: "Wie lange schauen wir dem Terror noch wehrlos zu?"

Die Sicherheitskräfte im Irak oder in Afghansitan fragen sich das gewiss auch. Sie sind nicht wehrlos, werden dennoch, wie ihre Landsleute, immer wieder zu Opfern terroristischer Attacken. Ohne, dass irgendjemand in Europa postulieren würde, dass alle für Frieden zu beten sollten. Wir würden aus dem beten gar nicht mehr herraus kommen. Wer aber betet mindestens 5-mal am Tag? Richtig! Strenggläubige Muslim_as. Und wo finden die meisten islamistischen Terroranschläge statt? In Ländern mit muslimischer Mehrheit. Vielleicht beten die auch nur alle falsch? Kann ich kaum beurteilen, ich bin ja nicht religiös – aber dennoch (relativ) friedlich. Egal! Zusammenhänge sind ein Hindernis im klaren, einfachen Denken.

Kollektive Trauerarbeit ist wichtig...

Und ich meine das nicht ironisch: Wichtig sind auch die Beileidsbekundungen für die uns völlig fremden Familien der Opfer; genauso wie die Behauptung, dass ganz Europa angegriffen worden oder wir alle eins und/oder Brüssel wären. Als kollektive Trauerarbeit und Therapie ist das wichtig. Gegen den Terrorismus bringt's halt nix. Obwohl! Seit wir alle Paris sind und vor so manchen sozialmedialen Avataren immer noch die drapeau tricolore hängt, gab's in Frankreich keinen einzigen Anschlag mehr.

...aber ansonsten...

Der Terrorismus ist eine minimalistische Form der Kriegsführung. Dir fehlen die Mitteln für den großen Kampf auf feindlichem Territorium, also versetzt du die Zivilbevölkerung durch punktuelle Anschläge in Panik. Militärisch bringt das nichts, allerdings wird das Marketing der Terrororganisationen mörderisch angekurbelt. Und da diese meist von Dritten unterstützt werden, bedeuten erfolgreiche Terrorattacken nicht nur mehr Rekrut_innen sondern eventuell auch mehr Geld und Material. Die Anschläge selbst sind dabei relativ billig, so lange sich irgendwelche Deppen dafür finden.

(K)eine Fragen der Sicherheit

Die Europäer_innen sollten sich nicht fragen, ob es sie als nächste treffen könnte. Es werden gewiss mehr Anschläge, ohne große mediale Aufmerksamkeit, verhindert als durchgeführt. Die Chance an (Passiv)Rauchen, Telefonitis beim Autofahren oder multiresistenten Keimen in Krankenhäusern zu sterben ist um ein Vielfaches höher als von einem Dschihadisten erwischt zu werden. Verstehe allerdings, dass man gekränkter ist, wenn einen ein expliziter Fremder und nicht die allgemeine menschliche Dummheit killt.

Fehler gibt's in jedem Sicherheitsnetzwerk und jeder erfolglose Versuch der Verbrecher ist zugleich ein Test auf Schwachstellen im System. Deshalb würde es auch nicht viel bringen, Sicherheitsmaßnahmen z.B. auf Flughäfen zu erhöhen. Das wäre wie der Ausbau eines Schutzdammes an der Mündung eines Flusses. Die Flut steigt mit der Höhe der Mauern, bis sie einen Weg findet. An den Quellen des Problems muss man nach Lösungen suchen. Die Europäer_innen sollten sich also fragen, woher die ganzen Terrorist_innen, diese Deppen kommen? Oft aus ihren eigenen Staaten. Wodurch werden sie? Was läuft falsch in der Welt? Vieles.

Terrorismus-Produktion

Die westlichen Demokratien unterstützen lieber korrupte Diktatoren und barbarische Regime als deren Opfer, Flüchtlinge. Diktatoren lassen sich leichter kontrollieren als Ausgebeutete oder Vertriebene und deren große Zahlen. Auch wenn diese vor Kriegen und Terror fliehen, den die Tyrannen verursachen. Seit dem letzten Jahr gibt es den widerlichen Ausdruck “Flüchtlinge produzierende Staaten”. Man sollte einmal über Terrorist_innen produzierende Staaten sprechen.

Beim nächsten Luxus-Urlaub in Dubai beispielsweise: Wenn man das größte Gebäude der Welt bewundert, darf man auch auf einen Blick auf die dortigen Finanzinstitute werfen. Die Chance ist groß, dass die berühmtesten Terrororganisationen dort ihr Geld bunkern und waschen. Dagegen hilft kein Waterboarding. Ein weltweite Lockerung des Bankgeheimnisses hingegen...

Oder die Türkei: Erdogans Möchtegernsultanat (eher eine Sultanine) als Rettung des christlichen Abendlandes und seiner Bürokratie. Es ist mittlerweile ein offenes (und gehacktes) Geheimnis, dass Erdogan den Extremisten in Syrien – darunter angeblich den Islamistischen Schaß (IS) und Al Kaida (das Vorläufermodell) – unterstützte. Dabei wollte er doch nur Assad loswerden. So wie er die Verteidigung Kobanes sabotierte, weil er nur die Kurden loswerden will. Und jetzt will er seine Vergangenheit als Terrorismusproduzent loswerden. Er könnte einem fast leid tun. Vor allem weil ihn wiederum die türkischen Militär-Oligarchen am liebsten loswerden würden und jede Ausrede und Gelegenheit dafür nützen werden. Die Türkei ist kein stabiles Land. Dorthin deportieren wir tausende verzweifelte Menschen. Vor uns die Sintflut! Insha'Allah!

Und ich werd's vermutlich noch öfter schreiben...

Die Religion ist keine Ursache, sondern ein Medium der Gewalt. Religion folgt keiner weltlichen Logik, Gewaltsprialen durchaus. In einer globalisierten Welt, in der die Waffen immer gefährlicher, Reichen immer reicher, die Wirtschaft immer schmutziger, die Politik immer korrupter und die Armen immer mehr und immer ärmer werden... in dieser Welt nimmt Gewalt in vielen Formen zu. Dass sich ein Teil dieser Gewalt als Terrorismus ausdrückt, ist nicht verwunderlich. Und ob man dem ganzen wehrlos oder wehrhaft zusehen will, Herr Fellner, ist nicht die Frage. Warum wir überhaupt zusehen, sollten sich alle Europäer_innen fragen. Eine Teil der Problemursache sind die Entscheidungen, die auf Schreibtischen und hinter verschlossenen Bürotüren auch unserer Berufspolitiker_innen gefällt werden.

By Photo: Myrabella / Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15584255

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