Laurence Fishburne nennt den neuen US-Präsidenten nur "45". Gute Idee. Der Troll kam auch deshalb ins Weiße Haus, weil die Medien süchtig sind nach jedem Schwachsinn, der Aufmerksamkeit erregt. Oder Aufregsamkeit. Und die trägt seit letztem Jahr seinen Namen. Der ist Aufreger genug.

Aufregungssucht bedeutet: Weniger Sendezeit für Alternativen und schlechte Reklame, die für einen Populisten sehr gute Reklame sein kann. "45" ist lediglich der Gipfel eines Müllberges, der längst globalisiert wurde. Medien und Internet spielen Müllabfuhr, wir Müllhalde. Postfaktisch? Postkausal? Jedenfalls ein Zeitalter der Entertainment-Politik, des Politainments. Auch in Österreich.

Viel Schleier, nichts darunter

Das von der Regierungs-Kollision angestrebte "Burkaverbot" füllt die Titelseite des Gratis-Blatts "Heute" aus. Ein Thema, das wahrscheinlich nicht einmal ein Promille der Bevölkerung betrifft; das Äquivalent zum umfallenden Reissack in China. Bezeichnend, dass es auch hierbei um eine Stoffhülle geht – eine muslimische allerdings, also ein garantiertes Aufregerthema. Das "Verschleiern" mit Schal und Haube, die Trachten und Praktiken des übrigen Islam oder anderer Religionen bleiben erlaubt – egal wie lächerlich sie aussehen. Entweder man unterwirft sich hier einem Vorurteil: Halter von Burkaträgerinnen = Islamisten = automatisch Terroristen. Oder es macht nicht einmal einen falschen Sinn.

Ich relativiere nicht im Namen der multikulturellen Toleranz. Ich würde die Existenz dieses schleierhaften Ninja-Fetisch genauso wenig vermissen, wie dessen Verbot. Weil beides keinen Einfluss auf mein Leben in Österreich hat. Aber ich bin gegen ein Gesetz, das rein kosmetischen Zwecken dient. Es bringt nichts, außer mediale Aufregsamkeit und Schaden für österreichische Tourismusregionen, die bei reichen Arabern und ihren verhüllten Leibeigenen bisher sehr beliebt waren.

Ähnlich sinnvoll ist die Diskussion über das „Kopftuch“-Verbot im öffentlichen Dienst. Plötzlich ginge es um das „weltanschaulich und religiös neutrale Auftreten“, das bei Richtern seit über 100 Jahren kein Thema war. Auch Polizistinnen tragen eine vorgeschriebene Uniform. Man zielt auf Muslimas ab. Für die Einen. Für die Anderen will man es so nicht nennen.

Eine sicherheitspolitische Beruhigungspille stellen erweiterte Speicherung der Telekommunikationsdaten und Videoüberwachung (mit Kennzeichenerfasssung durch Asfinag) dar. Während sich die Einen dadurch gleich sicherer fühlen sollen, sind die Anderen verunsichert. Der Schaden dieser Maßnahmen für unsere Grundrechte und Sicherheit, ist genauso wenig erwiesen wie ihr Nutzen. Könnte man vom Vorhandensein technischer Hilfsmittel auf deren Benützung schließen, müssten alle Menschen genauso smart sein wie ihre Phones.

Die Rache der Regierung am eigenen Recht

Fußfesseln für "Gefährder"? Wären Gefährder nachweislich gefährlich, erhielten sie Handschellen. Innenminister Sobotka meint Verdächtige, insbesondere Rückkehrer aus Kriegsgebieten, wenn man sie nicht in U-Haft stecken darf. Ich muss Peter Pilz zustimmen: Die Arbeit des Verfassungsschutzes wäre ziemlich erschwert. Wie schnallt man einem heimlich Überwachten eine Fußfessel um, ohne dass er es bemerkt? Wegen der Ausforschung warad's, Herr Innenminister. Ein solches Elektro-Anhängsel hindert auch nicht daran, mit einem KFZ spontan in eine Menschenmenge zu rasen. Auch wenn die Asfinag das Kennzeichen dann aus mehreren Perspektiven filmen kann.

„Rückkehrzentren mit Bewegungsbeschränkung“? Dort will man Personen „bewegungsbeschränken“, die man loswerden will, weil sie Geld kosten, aber nicht loswerden kann. Wo sie dann noch mehr Geld kosten. Zwar wandelt man Geld- in Sachleistungen um, aber ein Lagerbetrieb ist immer teurer als frei laufende „Geduldete“ mit Mindest-Mindestsicherung. Dann muss man sich erst recht um jene kümmern, um die man sich nicht kümmern will. Und wie lange sollen die dort sitzen? Die max. Schubhaftdauer wird schon einmal auf 18 Monate verlängert. Obwohl man die Asylverfahren beschleunigen will.

Wer in U-Haft kommen darf, kommt dorthin. Wer abgeschoben werden kann, wird abgeschoben. Es gibt Personen mit denen die Regierung es gerne ebenso machen würde, aber rechtlich nicht kann. Warum ändert sie also nicht das Recht, anstatt teure Sondermaßnahmen zu setzen?

Weil sie nicht kann? Oder weil sie die syrische Familie, die sich beim Ausfüllen der Formulare irrte, vielleicht doch anders behandeln will, als das tschetschenische Bandenmitglied, das sich als Asylwerber tarnte? Oder ist das eine zu menschliche Frage an ein Regierungsprogramm. Das beinhaltet auch gute, sinnvolle Ideen. Aber was in den Medien hörbar übrig bleibt, ist...

...Ein Wunschkonzert für die FPÖ

Die FPÖ veranstaltet schließlich jenen „Akademikerball“ in den Eingeweiden der Republik. Bei dessen Gegendemos kann, muss es aber nicht heftig zugehen. Das ist Grund genug für Wolfgang Sobotka, das Demonstrationsrecht einschränken zu wollen. Andere ÖVP-Mitglieder begründen es mit dem Schutz von Geschäftsvierteln. Und irgendwer behauptete, Mariahilferstraße und Ring seien 100 mal im Jahr wegen Kundgebungen gesperrt. Ich habe keine Zahlen. Aber ich bin fast täglich an einem der beiden Orte unterwegs. Vermutlich sind alle diese Demos im Stau oder beim Shoppen hängen geblieben. Und wahrscheinlich kommt es häufiger zum U-Bahn-Stillstand wegen einer „Fahrgasterkrankung“. Deshalb eine Verfassungsänderung? Fürs Bauchgefühl der Leut, es würde etwas weitergehen, egal was?

Das ist Politainment. Diese Macho-Maßnahmen zielen ausschließlich auf Gruppen ab, die als Aufreger in den Medien vorkommen. So macht man Pseudopolitik. Die Gesetzgebung per Online-Umfrage gibt es offiziell noch nicht. Sie wird in vorauseilendem Gehorsam dennoch umgesetzt. Man lässt Trends und Stimmungen vorausberechnen. Man legt sich Schlagworte zurecht, die die höchsten Wellen schlagen könnten, wenn man sie Meer der Meinungen wirft. Eigenes Empfinden und Denken können sich Profis nicht leisten, in solch unsicheren Zeiten.

Es ist kein Problem, dass sich Christian Kern professionell inszeniert. Jeder und jede Berufspolitiker*in macht das (mehr oder weniger gut). Entscheidend sind die in Szene gesetzten Inhalte. Diese gehen gerade im politischen Unterhaltungsprogramm des Koalitionspartners unter. Kerns Investitionen in die Bildung (4.0) werden aufgeschoben. Der Innenminister braucht das Geld für seinen Polizeistaat.

Die Volkspartei wird hierbei dennoch nicht als Siegerin hervorgehen. Ihre Maßnahmen haben keine Auswirkung für das Volk. Das Gefühl, dass dem doch so wäre, wird bald verfliegen. Das ist der Nachteil des Politainments. Es setzt auf kurzfristige Emotionen und die Show muss – wie bei „45“ – immer weiter gehen. Der nächste „Sobatka“ kommt bestimmt – noch vor der nächsten Wahl, aber dann ist Schluss. Es ist durchaus möglich, dass die realpolitischen Ideen der SPÖ diesen Zirkus überdauern werden. Oder dass man sich den rechtspopulistischen Profi-Entertainer auf die Bühne holt.

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