Alle Jahre wieder! Da erinnern wir uns daran, mehr Nichtraucher_innenschutz zu fordern. Und Raucher_innen politisch zu verfolgen, zu terrorisieren, mit der bösartigen Erkenntnis, dass und wie ungesund Rauchen ist. Über die schieren Grenzen der Aufklärung.
Die Tabakindustrie: Warum Linke nicht rauchen (sollten)
Rauchen ist nicht nur unmittelbar ungesund für jeweilige Konsument_innen oder deren Passivrauch-Opfer. Der An- und Ausbau großflächiger Tabak-Monokulturen ist ein Umweltproblem. Und die Tabakindustrie führt Schindluder mit Entwicklungsländern, nicht nur um Kulturland in Tabakland zu verwandeln. Einzelne ärmere Staaten, werden durch Tabak-Konzerne mit internationalen Strafverfahren bedroht (man bedenke das in Zusammenhang mit TTIP), die sie sich nicht leisten können, sobald sie ihren Nichtraucher_innenschutz erhöhen (wollen). Alles nur, um mit Sucht, Krankheit und Tod anderer Menschen ein unverschämtes Vermögen zu verdienen.
Rauchen fördert also nicht nur Krebs, sondern auch Ultrakapitalismus, Korruption und körperliche Abhängigkeit. Dennoch gibt es (selbsternannte) Linke, die rauchen. Das liegt vermutlich daran, dass bei allen, meist unpräzise gerichteten Argumenten für das Rauchen und gegen Antiqualm-Maßnahmen, weder Empirie noch Ratio noch Ideologie, sondern ausschließlich die Sucht spricht. Oder auch der Coolness-Faktor, weil man aussehen will wie der Che.
Hauptargument: "Freiheit"
Dass Konservative und Libertäre (zumindest wenn sie rauchen) pro Rauchen sind, ist leichter zu argumentieren. Konservative klopfen mit ihren Pfeifen auf die Tradition, die Rauch-Kultur. Libertäre hingegen behaupten, mit der Freiheit des Rauchens, die Freiheit des Menschen zu verteidigen. Wie so oft, meinen sie mit "Menschen" allerdings Märkte.
Die Widersprüchlichkeit im Verhalten libertärer Konservativer (dem häufigsten ideologischen Hybrid), steigert sich noch einmal, wenn sie mit individueller Wahlfreiheit agrumentieren. Diese scheinen sie plötzlich zu vergessen, wenn sie sich gegen assistierten Suizid (Sterbehilfe) aussprechen. Obwohl Rauchen auch nichts anderes ist, als autonome Selbstvergiftung, also die Ermöglichung eines langsamen, wenn auch nicht beabsichtigten Selbstmords.
Dabei ist allerdings schwer einzuschätzen, wie groß die Wahlfreiheit von Suchtkranken überhaupt ist, sich für oder gegen ihre Sucht zu entscheiden. 80% der Raucher_innen stört das Rauchen in Lokalen. Wie viele verzichten, wenn sie dürfen? Rauch-Liberale sprechen deshalb immer nur von der nötigen Freiheit, sich fürs Rauchen zu entscheiden. Die Freiheit, sich dagegen zu entscheiden, kommt ihnen offenbar seltener in den Sinn.
Gegenargument: Freiheit von Suchtgift
So kommentierte Irene Brickner im Standard, es sei "immer noch die Entscheidung jedes Einzelnen, womit er sich das Leben versüßt (...)". Zunächst ist unverständlich, warum sie nur Männern dieses Recht einräumt. Sie scheint - neben der Existenz ihrer Geschlechtsgenossinnen - jedoch auch die Nichtraucher_innen zu vergessen. Diese haben - auch dank der Wischiwaschi-Lösung österreichischer Gesetzgebung - selbst dort oft keine Wahl, ob sie Gift atmen oder nicht, wo sie eigentlich geschützt sein sollten. Auch in Nichtraucherbereichen geteilter Lokale, ist die Feinstaubbelastung durch Tabakqualm oft um ein vielfaches Höher als im Straßenverkehr. Und bevor jemand damit kommt: Es ist auch um ein vielfaches einfacher, aufs Rauchen zu verzichten als auf Verbrennungsmotoren. Das Rauchen ist auch nicht mit anderen Süchten zu vergleichen, durch die man - abgesehen von Co-Abhängigen - tatsächlich nur sich selbst schadet.
Irreale Möglichkeiten, surreale Zustände
Natürlich ist es unrealistisch, Rauchen auf dafür vorgesehene Räumlichkeiten zu beschränken und es auch auf offener Straße zu verbieten. Obwohl man nicht selten die komplette Zigarette des Vordermenschen einatmet, von der dieser selbst nur drei Züge nimmt. Nicht einmal die U-Bahn ist immer rauchfrei.
Aber der Widerstand gegen ein generelles Rauchverbot in Lokalen (das in anderen Staaten bereits positive Wirkungen zeigte), in Autos (zum Schutz mitfahrender Kinder) oder gegen Abschreckungsmaßnahmen (wie den neuen Bildern auf den Tschikpackerln), sogar gegen Aufklärung im Allgemeinen (weil die einigen Raucher_innen einfach auf die Nerven geht), sollte uns skeptisch machen. Wie kann es sein, dass - gerade in einer Demokratie - die Mehrheit der Nichtraucher_innen nicht ausreichend vor der Minderheit (gute 26%) der Raucher_innen geschützt wird? Da bleiben selbst die Mehrheitsverteidiger/Minderheitenbasher von der FPÖ schmähstad.
the truth com