Als Wien das Todesurteil von Istanbul fällte

Von Amnesty International bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hatten sich alle Kräfte des Guten für den mutmaßlichen Drahtzieher von Istanbul stark gemacht: „Das wäre sein Todesurteil“

Medien wie die Wiener Zeitung, 06.07.2011 schreiben: „In Moskau wirst du schon reden. Wir haben da unsere Methoden.“ Tschataev kennt sie zur Genüge: Zu Beginn des zweiten Tschetschenien-Krieges sägten ihm die Russen einen Arm ab und „behandelten“ die Wunde mit Elektroschocks. Seiner Familie gelang es, ihn freizukaufen. Noch einmal will er das nicht durchmachen.

Ich kann mich über diese Berichterstattung nur wundern. Mitleid für Terroristen? Ist das wirklich angebracht? Ein ausgerissener Arm ist nicht gerade die typische Folternarbe. Spätestens im Jahr 2008, als das angebliche Folteropfer in Schweden zu einer Haftstrafe wegen eines illegalen Waffentransportes verurteilt worden war, hätte man die Sache mit dem verlorenen Arm und der angeblichen Folter überdenken müssen.

Stattdessen durfte er jedoch auch nach weiteren Verhaftungen wegen ähnlicher Aktivitäten seinen Asylstatus behalten. Dass kleine Beamte angesichts der medialen Kampagnen für Herrn Tschatajew lieber den Schwanz einzogen hatten, ist menschlich absolut nachvollziehbar.

Wenn schon die Bulgaren vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Aussetzung der Auslieferung nach Russland verurteilt worden waren, warum hätte man sich da selbst auch noch Ärger mit Asylanwälten und Medien einhandeln sollen?

Trotz seiner ausgedehnten Reisen und Haftstrafen fand er genug Zeit, mit seiner (heute immer noch in einem Wiener Gemeindebau lebenden) Frau 5 Kinder zu zeugen. Um seine Familie durch eigene Arbeit zu ernähren, wäre er natürlich viel zu traumatisiert und invalid gewesen. Daher musste die Familie (wie über 50% der tschetschenischen Asylanten in Österreich) ausschließlich von Sozialleistungen leben.

Für den Dschihad in Syrien war er hingegen fit genug. Auch für den russischen Knast wäre der Tschetschene wohl ebenfalls zäh genug gewesen. Eine Auslieferung nach Russland hätte daher keineswegs sein Todesurteil bedeuten müssen. Seine Nichtauslieferung nach Moskau bedeutete jedoch für über 40 Menschen in Istanbul ein sicheres Todesurteil.

Fotolia/ © alexo_kelvinis

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