In einer idealen Demokratie sollte ein Verfassungsgericht unpolitisch sein und sich nur um die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze und Hoheitsakte kümmern. In der Realität betreiben Verfassungsgerichte oft selbst Politik und verstehen sich als übergeordnete Gesetzgeber.
Das Roe vs. Wade Urteil, das in den "konservativen USA" ein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung bis zum 6. Monat einräumte, war so progressiv, dass es auch nach fast 50 Jahren von progressiv regierten europäischen Staaten wie Schweden, Holland oder Deutschland nicht eingeholt werden konnte.
Unsere Justizministerin empört sich über die Aufhebung der Urteils, obwohl sie sich selbst nie für das US-Ideal eines verfassungsmäßiges Gesetz auf Abtreibung bis zum 6. Monat eingesetzt hat.
Die europäischen Abtreibungsgesetze sind keine Verfassungsbestimmungen, sondern beruhen auf dem Willen der von der Bevölkerung gewählten Gesetzgeber. Genauso soll es jetzt auch in den Staaten der Vereingten Staaten von Amerika wieder sein.
Um diesen unpolitischen Normalzustand der Verfassung wiederherzustellen, musste der (wie die Welt der Universitäten und Medien) zu Progressivismus neigende Supreme Court bewußt mit explizit konservativen Richtern besetzt werden.
Trotz der politischen Extremheit des Urteils haben sich konservative Republikaner 50 Jahre daran gehalten. Umgekehrt stellen progressive Demokraten die Legitimität des Supreme Court sofort in Frage, sobald er einmal nicht mehr ihrer politischen Linie folgt.