Ein Agent des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB soll nach Darstellung des Kremlkritikers Alexej Nawalny den Giftanschlag auf ihn zugegeben haben. Der Inkognito-Anruf erfolgte im Rahmen einer "Recherche" mehrerer Medien, darunter des Nachrichtenmagazins Spiegel, das gemeinsam mit dem US-Sender CNN und den Rechercheplattformen Bellingcat und The Insider in dem Fall aktiv war.
Der Präsident werde als „Wladimir, der Vergifter der Unterhosen“ in die Geschichte eingehen, sagte Nawalny. Wäre wirklich etwas an den vergifteten Unterhosen dran, bräuchte Nawalny jedoch nicht auch noch mit Putins goldener Klobürste und anderen abgelutschten Palastgeschichten zu kommen.
Dass ausgerechnet das Relotius-Blatt den Unterhosen-Täter ausrecherchiert haben soll und der Agent am Telefon Nawalny alles gestanden hätte, ist eine (zu) phantastische Geschichte. Früher war es salonfähig, dunklen Mächten in den USA die Ermordung des eigenen Präsidenten und 9/11 zu unterstellen. Heute ist es umgekehrt und man ist schon Verschwörungstheoretiker, wenn man wilde Nowitschok-Unterhosen-Klobesen-Stories nicht völlig unkritisch nachplappert.
Zwar traue ich Putin nach wie vor jederzeit einen Mord zu. Eine (ohnehin weniger blutige) Inszenierung eines Mordes haben allerdings auch andere wohl allemal im Repertoire. Man denke an diverse angebliche Giftgas-Angriffe in Syrien, mit denen man ein Eingreifen der USA provozieren wollte.
Tatsache ist, dass der bisher chancenlose Nawalny durch die angebliche Unterhosen-Attacke auf einmal zum großen Herausfoderer Putins stilisiert werden kann.
Putin mag nach wie vor kein lupenreiner Demokrat sein. Wie lupenrein Nawalny als Oppositioneller ist und wie lupenrein unsere Relotius-Presse von seinen Abenteuern berichtet, steht auf einem anderen Blatt.