Hätte man die Flüchtlingseigenschaft unseres Bronze-Judokas nicht so hervorgekehrt, wäre es jetzt nicht so peinlich, dass der "tschetschenische Flüchtling" dem "tschetschenischen Führer" Kadyrow in seiner tschetschenischen Siegesrede dankte.
Die Familie des Judokas war zwar offensichtlich eher unpolitisch und hätte daher jederzeit nach Tschetschenien zurückkehren können, zumal der Krieg bald nach ihrer Ankunft in Österreich beendet wurde. Offenbar war die Familie jedoch um Integration in Österreich bemüht. Statt den bei Tschetschenen so beliebten Schläger-Sport MMA betrieben die Kinder das gesittetere Judo. Statt im Wiener Sozialhilfe-Paradies lebte die Familie in der für Parallelgesellschaften nicht ganz so bequemen Provinz, wo eine Integration in die österreichische Gesellschaft mangels großer tschetschenischer Community viel eher klappt.
Asyl hätte die Familie zwar nicht gebraucht und wirklich loyal ist man auch nicht so ganz, aber weningstens handelt es sich um keine IS-Fans. Die meisten Tschetschenen sind wie der Judoka unpolitisch. Eine Minderheit setzt sich aus bösen Hardcore-Islamisten zusammen. Eine noch viel kleinere Gruppe spielt hier die "guten Oppositionellen", die bei allen grünlinken Spaßeteln wie Gendern, "No Border, No Nation"-Demos gegen Abschiebungen von armen Kriminell*innen etc. mitmachen, in Wahrheit aber selbst ziemliche Nationalislamisten auf Erdogan-Niveau sind. Sie treten als Sprecher und Verteidiger aller Tschetschenen inkl. Hardcore-Islamisten auf und versuchen alle Tschetschenen zu ihren Anhängern zu erklären.
Die unpolitische Mehrheit wechselt ihre Loyalitäten, je nachdem wer gerade der Stärkste ist. Mal stehen sie hinter dem IS, mal hinter Boss Kadyrow, mal hinter Erdogan. Selten bis nie hinter ihren österreichischen Versorgern. Wäre der Judoka nicht auch hauptberuflich Soldat, wäre es wohl leichter, die Frage der Loyalität auf die leichte Schulter nehmen.
Dazu passend wurde heute der angebliche Politmord gegen einen angeblichen "tschetschenischen Oppositionellen" verhandelt. Der angebliche Politblogger war wohl genauso unpolitisch wie der Judoka. Ihm war jedoch der Asylstatus aufgrund krimineller Aktivitäten in Österreich aberkannt worden. Danach wurde aus einem gewöhnlichen Kriminellen, der sich davor nie auf den Veranstaltungen der guten Opposition hatte blicken lassen, plötzlich ein "Kadyrow-Kritiker".
Die Beschimpfung Kadyrows und seiner Familie auf Youtube hätte wohl als neuer Asylgrund dienen sollen. Ehrbeleidigungen unter Tschetschenen sind allerdings tatsächlich lebensgefährlich, egal ob man jetzt Kadyrows Mutter oder die Mutter eines anderen tschetschenischen "Ehrenmannes" beleidigt. Die tschetschenischen Oppositionellen wissen in Wahrheit ganz genau, dass der Getötete keiner von ihnen war und er nicht wegen Politik, sondern wegen der Ehrverletzung gegen Kadyrows Mutter getötet wurde.
Gegen Kadyrow finden zwar in Wien immer wieder Demonstrationen von den guten Oppositionellen statt und der Diktator wird regelmäßig in den tschetschenischen Diaspora-Medien kritisiert. Allerdings haben jene Gruppen kaum Zulauf und waren für Kadyrow (zumindest in den letzten 10 Jahren) kein Mordmotiv. Der Ehrenmord wegen der Beschimpfung durch einen verurteilten Kriminellen, der wohl rasch einen neuen "politischen Asylgrund" brauchte, gibt den Oppositionellen jedoch das Gewicht und die Bedeutung, welche sie sonst nie hätten. Daher erklärten sie den Ermordeten wider besseren Wissens zu einem der Ihren.