Sebastian Kurz wurde nicht gewählt, weil er so jung und schön war (auch wenn dies seinen tumben Wählern unterstellt wurde). Kurz bot Bürgern, die eine restriktivere Migrationspolitik wollten, eine ideologisch nicht belastete, pragmatische Alternative zur FPÖ.
Das brachte Kurz den Vorwurf ein, in weiten Teilen das Programm der FPÖ übernommen zu haben. Dieser Vorwurf ist natürlich nicht ganz unberechtigt. Eine strengere Zuwanderungspolitik war stets das typische FPÖ-Thema.
Ich selbst habe nie die FPÖ und erst seit Kurz zum ersten Mal die ÖVP gewählt. Ich bin im links-liberalen Establishment sozialisiert und habe dort meine emotionale politische Heimat. Ich war jedoch nie ein linker Aktivist, und würde erst recht nicht bei rechtem Aktionismus mitmachen. Kurz habe ich nicht aus idelogischen Motiven gewählt, sondern weil ich in jener besonderen Situation seine Politik richtig fand, ohne dafür gleich die FPÖ wählen zu müssen.
Ohne Kurz hätte das linke Establishment noch einmal wie bei der Präsidentenwahl das Himmel-Hölle-Spiel gegen die braunen Blauen spielen können, wobei der rote Kern der Himmel gewesen wäre.
Für seinen Wahlsieg mit FPÖ-Themen wurde Sebastian Kurz vom linken Establishment mehr als die originale FPÖ gehasst. Das linke Estblishment findet Basti mindestens genauso widerlich wie Basti die Identitären.
Die Identitären sind wie Kanzler Kurz ein Produkt der Flüchtlingskrise. Mit den Ereignissen von 2015 bekamen die rechten Aktivisten auf einmal eine mediale Präsenz, die – trotz ihrer streng eingehaltenen Gewaltlosigkeit – dem arrivierten Aktivismus der Linken plötzlich Konkurrenz machte.
Aktivismus hat immer eine unscharfe Grenze zu politischer Gewalt, die im schlimmsten Fall zu Terror und bewaffnetem Kampf führen kann. So war die RAF nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern ein Auswuchs des politischen Aktivismus der APO.
Martin Sellner ist zwar für die Tat des früheren Spenders rechtlich nicht verantwortlich (was selbst rechtliche Experten des linken Establishments wie Florian Kenk eingestehen). Trotzdem wirft der Terror des Spenders natürlich ein schlechtes Licht auf seine Organisation. Bis zu einem gewissen Grad müssen sich auch friedliche linke Demonstranten die Gewaltexzesse des Black Blocks zurechnen lassen, wenn sie gemeinsam auf die Straße gehen.
Dafür ist es grundsätzlich auch legitim, die Identitären für widerlich zu halten. Gegen eine soeben vom Verdacht der kriminellen Vereinigung vor Gericht freigesproche Organisation ein Verbotsverfahren einzuleiten, weil ein Mann, der nicht zur Organisation gehört hatte, eine Geldspende getätigt hatte, ist aber völlig überschießend.
Sebastian Kurz holt sich für seine Hexenjagd gegen die Identitären, die natürlich auch die FPÖ in eine blöde Situation bringt, Lob von Leuten, die ihn trotzdem nie wählen würden und ihn weiterhin widerlich finden.
Kurz hat vergessen, dass er gegen den Willen des linken Establishment gewählt worden ist. Und zwar für eine Politik, die sich mit FPÖ-Themen und Identitären-Aktionen deckt.
Kurz kann durch die Hexenjagd gegen die identitären, mit der er sich an das linke Establishment anbiedert, rasch das Vertauen seiner eigenen Wähler verlieren. Seine Wähler wollten zwar nicht die FPÖ oder die Identitären wählen. Sie wollen jedoch auch nicht für ihre politischen Ansichten auf einmal selbst wie die von Kurz angeprangerten Identitären als politische Widerlinge dastehen.
Der Boulevard steht zwar voll hinter Kurz, bei den Leserkommentaren schaute es allerdings anders aus. Hans Dichand wußte, dass das Erfolgsgeheimnis seiner Krone die Seiten mit den Lesermeinungen waren. Seine Nachfolger denken zu kurz.