Oft höre ich Leute erzählen: „Jetzt gehen wir zu einem Yoga-Lehrer. Der ist ein wirklicher Yogi.“
Was heißt das bitteschön? Für mich sind viele Yoga-Lehrer im Westen weniger spirituell wie ein Speck essender Bergbauer aus Südtirol, der mit leuchtenden Augen durch die Welt geht. Ich habe das Gefühl, von ihm mehr lernen zu können als von einem, der nur Yoga-Verse auswendig lernt und Dhal oder Chapatis isst. Gemäß einem Ranking, das immer wieder in News auftaucht und in dem Yoga-Stile aufgelistet sind, sind nur die Stile spirituell, die die Yoga-Philosophie mittransportieren. Ashtanga- oder Bikram-Yoga, die die Körperlichkeit in den Vordergrund stellen, sind hingegen unspirituell. Aber bin ich wirklich spirituell, wenn ich drei Verse aus einem Yoga-Buch auswendig kann, wenn ich in Wien wahnsinnig bescheiden und am Existenzminimum in einem 20 qm Zimmer hause?
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Das ist doch absurd!
Ehrlich gesagt motivieren mich „wirkliche Yogis“ wie diese stark dazu, mit Prada-Schuhen, einer Tschick in der einen oder Pizza in der anderen Hand vor eine solch spirituelle Runde zu treten. Ich mag solche Klischees nicht. Schließlich muss ich als Unternehmensberater auch nicht mit genagelten Schuhen und Porsche durch die Gegend fahren. Viel interessanter als diese Klischees sind doch Menschen, die im ersten Moment Widersprüchlichkeiten und viele Facetten leben. Das ist übrigens übergeordnet auch die Idee von Yoga: Freiheit! Nicht der Faschischmus einer Norm zu entsprechen, ein bestimmtes Aussehen zu haben oder Schriften lesen zu können.
Ich bin schon seit so langer Zeit in der Yoga-Szene und beobachte sie sehr genau. Grundsätzlich geht die Entwicklung von Yoga klar in eine verwestlichte Richtung, bei der es zwei Facetten gibt:
- Yoga wird als richtiger Körperkult betrieben. Ich habe den Eindruck, seitdem der Begriff „Poweryoga“ kreiert wurde, bekommt das Ganze einen Touch von Workout-Yoga. Es geht um Ästhetik, Aussehen, Fashion, Posing. Diese Tendenz sieht man sehr stark.
- Gleichzeitig bemüht man sich auf der anderen Seite um die „wahre Idee des Yoga“, also nicht nur um die Körperlichkeit, um das Dehnen und Kräftigen, sondern um den spirituellen und meditativen Ansatz von Yoga. Man möchte die Philosophie mittransportieren.
Ich bin skeptisch, was der bessere Weg ist!
Meiner Meinung nach weiß niemand wirklich, was Yoga ist. Mantren und philosophische Standard-Werke zu lesen und sich mit Pseudo-Weisheiten vor eine Gruppe Menschen zu setzen, halte ich jedenfalls für bedenklich!
Stattdessen sollten wir Yoga mit Demut begegnen.
Für mich scheint der beste und vor allem harmloseste Weg, sich ausschließlich auf Yoga-Positionen und Asanas – die Körperübungen – zu konzentrieren. Das sind Techniken, die Hand und Fuß haben, die ich lernen und lehren kann. Es sind Jahrtausende alte, erprobte und durchdachte Positionen. Darüber muss ich nicht viel reden, sie wirken einfach.
Außerdem spricht das Yoga der Körperübungen, das sich in den 90ern im Westen manifestiert hat, genau den Bereich an, zu dem wir Leute im Westen den größten Zugang haben. Es geht konform mit unserer Entwicklung, nicht alt werden zu können, ewig jung und schön bleiben zu wollen. Was soll schlecht daran sein, wenn wir uns körperlich ertüchtigen? So kommen wir sicher in den Genuss von Positionen, deren Wirkung erwiesen ist und sich abzeichnen wird.
Wenn so wie jetzt in Indien darüber diskutiert wird, ob Yoga Sport ist oder nicht, sage ich:: Ja, natürlich sehe ich es als Sport. Es ist eine Möglichkeit, sich körperlich zu ertüchtigen, ist schweißtreibend, strengt sich an, kommt an seine Grenzen – das ist ein schöner Teil von Yoga. Und das wird teilweise in Indien auch so praktiziert.
Yoga ist eine großartige Form des Workouts verbunden. Das Besondere dabei ist, dass es Bewegung mit Atemtechnik verbindet – so unterscheidet sich Yoga von anderen Techniken. Die Kombination ist für mich das ausschlaggebende Charakteristikum von Yoga.
Sonst unterscheidet es sich meiner Meinung nach nicht von anderen Sportarten. Egal, ob du läufst, schwimmst oder radfährst, du kannst jede Sportart so oder so betreiben: Du kannst sie meditativ machen, sehr ruhig und wohltuend, sie zum Abschalten nutzen und um bei dir zu bleiben. Oder du kannst sie destruktiv betreiben. Genauso ist es auch mit den Yoga-Asanas: Du kannst sie sehr destruktiv machen oder so, dass sie dazu beitragen, Ruhe zu entwickeln. Wenn du mit aller Gewalt die Beine hinter den Kopf kriegen willst, kannst das zum Bandscheibenvorfall führen – oder du gehst sorgsam mit dir um.
Viele werden jetzt aufschreien: Doch wenn wir uns ehrlich sind, sind bei fast allen Yoga-Stilen (ausgenommen denen, die sehr auf meditatives Sitzen konzentriert sind) die körperliche Betätigung und Sportlichkeit ausschlaggebende Motive fürs Praktizieren. Gerade bei Asthanga, aus dem ich komme, geht es zum Beispiel um die Perfektionierung des Handstands und anderer Posen.
Ja, Yoga als Sport zu bezeichnen finde ich absolut okay. Unter anderem.