Werte Leserinnen und Leser,
Es ist tatsächlich passiert. Es wird einer jener Momente bleiben, bei denen man auch in zehn Jahren noch genau weiß, wie man davon erfahren hat. So wie 9/11, die Anschläge von Paris am 13. November 2015 und zuletzt auch der Brexit. Der narzisstische, frauenfeindliche Rassist und Hetzer Donald Trump – und man könnte vor seinen Namen noch unzählige andere negative Attribute stellen – ist der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Der wichtigste und einflussreichste Mann der ältesten westlichen Demokratie, einer Demokratie, die bisher als unerschütterlich galt und wie keine andere die westlichen Werte verkörperte. Wenn man es auch nicht wirklich zugeben wollte, war die USA im Endeffekt dann doch immer das große Vorbild, der große Bruder, hier bei uns in Europa. Ein Bruder, der uns Europäer in die Schranken wies, wenn wir uns in zwei Weltkriegen zerstritten und gegenseitig ermordeten, der uns nach diesen Konflikten wiederaufrichtete und uns half, zu dem zu werden was wir heute sind: der einzige Kontinent mit stabilen Demokratien, denn das ist Europa seit dem 8. November 2016. Seit Donald Trump am Dienstag zum Präsidenten gewählt wurde, findet sich Europa in einer neuen Rolle wieder. Denn mit einem Populisten, der sich mit unzähligen Lügen an die Spitze des Staates schummelte, kann und darf die USA in Zukunft nicht mehr als moralischer Kompass, als Vorbild für Entwicklungsländer und als wichtigste Demokratie gelten. Diese Rolle muss nun die EU erfüllen, die nun mehr gefordert ist, denn je. Unzählige Analysen zum Wahlergebnis prasselten in den letzten Tagen auf uns ein. Ich versuche mich in der Beantwortung dreier Fragen: Wie konnte es passieren? Was nun? Welche Lehren können wir daraus ziehen?
Wie konnte es passieren?
Die Ursachen für den Ausgang der Wahlen sind selbstverständlich vielfältig und in einem einzelnen Text kaum alle zu behandeln. Daher möchte ich mich auf eine – aus meiner Sicht sehr bedeutende - Ursache konzentrieren.
Dass Trump trotz seiner zahlreichen frauenfeindlichen Aussagen von über 40% der Frauen gewählt wurde, die die Wahl hatten zwischen der ersten Präsidentin der USA oder einem misogynen Macho, scheint auf den ersten Blick unerklärlich. Ich deute es jedoch als Indiz dafür, wie sehr die Menschen in den USA die bisherige Politik satt hatten. Meiner Einschätzung nach zieht sich dieses Qualmotiv, – oh sorry Freud’scher Verschreiber – ich meine natürlich, Wahlmotiv quer durch die USA. Viele der Trump-Wähler halten ihn sicher nicht für einen idealen Präsidenten, aber der Wunsch nach Veränderung in Washington wog schwerer als alle rassistischen, sexistischen, niveaulosen Äußerungen und Skandale des zukünftigen Präsidenten. Er selbst brachte es in einer Rede in Iowa schon im Jänner auf den Punkt: „I could shoot somebody and I wouldn’t lose any voters“, meinte er hier und hatte damit nicht so unrecht. Natürlich ist dies überspitzt forumliert – wie alles was er von sich gibt - aber der Kern trifft es ganz gut. Trump hatte die loyalste Wählerschaft, die je ein Präsidentschaftskandidat hinter sich versammeln konnte. Der Grund hierfür liegt aber nicht in seiner absoluten Eignung für das Amt, sondern beim Wunsch nach Veränderung der Wähler. Da Clinton das viel zitierte Establishment wie keine andere repräsentierte, wurde ihr dieses Hauptmotiv der Trump-Anhänger zum Verhängnis. Müsste ich das Wahlergebnis in einem Satz zusammenfassen würde dieser lauten: Donald Trump wurde nicht zum Präsidenten gewählt, sondern ein politisches System wurde abgewählt und Trump war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.
Was nun?
Auch hier gibt es die unterschiedlichsten Theorien, was wir von einem Präsidenten Trump erwarten müssen. Um Schadensbegrenzung zu betreiben schlugen viele erste Reaktionen einen verbindlichen und pragmatischen Ton an. Obama lud den „President elect“ sofort ins Weiße Haus ein, um Gespräche zur Amtsübergabe zu führen und schien alle Beleidigungen die Trump im Wahlkampf auf ihn losgelassen hatte, schon wie kleine Jugendsünden vergessen zu haben. Auch aus Europa kamen beruhigende Worte, schließlich muss man ja mit diesem Mann zumindest die nächsten vier Jahre zusammenarbeiten. Zusammengefasst also der Versuch, das Beste daraus zu machen. Ein verständlicher Ansatz. Ich halte es trotzdem eher mit Christoph Waltz, der in einem ZIB Interview wetterte „Gesagtes kann man nicht ungesagt machen“ und damit vollkommen recht hat. Natürlich muss man versuchen auf eine sachliche Gesprächseben mit Trump zu kommen, aber abgesehen davon, dass dies – so wie wir ihn bisher kennen – äußerst schwierig werden dürfte, muss man definitiv im Hinterkopf behalten, was dieser Mann alles von sich gab. In den Tagen nach der Wahl schien das plötzlich vergessen, der Gedanke „wird schon nicht so schlimm werden“ geisterte umher. Wenn jemand, der bei Wahlkampfveranstaltungen zu Gewalt aufruft, der den Klimawandel leugnet, der alles und jeden beschimpft, der eine Wirtschaftspolitik vollziehen möchte, die die USA definitiv in eine Rezession stürzen würde, und der eine Mauer zu einem Nachbarstaat errichten möchte, eine derartige Hülle und Fülle an Macht und Kompetenzen erhält, kann man nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen, hoffen, dass es nicht so schlimm wird und auf die „Checks und Balances“ der Politik vertrauen. Man muss auf der Hut sein, was dieser Mann im Schilde führt und ihm ganz klar die Grenzen aufzeigen. Einen ähnlichen Zugang wie ihn die EU gegenüber Putin gefunden, halte ich für angebracht. Einerseits der Dialog, andererseits auch klare Grenzen, die mit Sanktionen deutlich gemacht werden – siehe Krim. Sollte Trump beispielsweise wirklich dazu ansetzen, das Klimaabkommen von Paris aufzukündigen, muss es eine scharfe und harte Reaktion der Weltgemeinschaft geben.
Welche Lehren können wir daraus ziehen?
Das Problem des Rechtspopulismus ist uns in Europa ja kein Fremdes. Viele Menschen fühlen sich von der Politik einfach nicht mehr verstanden und vertreten. Zusätzlich dazu, werden dann jene, die ihren Unmut äußern von den Eliten vorschnell ins rechte Eck gestellt und als Rassisten abgestempelt. Dieses Phänomen wurde in den letzten Tagen ausführlich beleuchtet, weswegen ich es hier nicht weiter breittreten möchte. Viel wichtiger ist, zu fragen, was wir dagegen tun können, dass sich diese Menschen „vergessen“ fühlen. Es braucht klar sozialistische Politik, wie sie Bernie Sanders im Wahlkampf versprach und wodurch er überhaupt erst so viele Anhänger fand. Trumps Wahlkampf hatte viele linke Elemente, obwohl er als Rechtspopulist bezeichnet wird. Er sprach vornehmlich die weißen Arbeiter an, in Österreich früher die Kernschicht der Sozialdemokratie und heute die Wähler der FPÖ. Man muss diesen Menschen das Gefühl geben, dass die Politik sich um sie kümmert, sonst werden sie weiterhin scharenweise in die Arme der Populisten laufen. Endlich eine öffentliche Diskussion über ein Bedingungsloses Grundeinkommen hier in Europa wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Meiner Meinung nach ist ein BGE mittelfristig alternativlos. Christian Kerns Vorstoß mit der „Wertschöpfungsabgabe“ aka Maschinensteuer, die den Sozialstaat auf sichere Beine stellen sollen, ist ebenso richtig, wenn auch zu abstrakt, um es der Masse zu vermitteln. Aber genau solche Ansätze braucht es, um diesen fürchterlichen Trend zu stoppen. Auch wenn es schon abgedroschen klingt: Wir – und damit meine ich die Zivilgesellschaft ebenso wie die Politiker – müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen, ihnen Lösungen präsentieren, mit ihnen diskutieren, versuchen, sie von unserem Standpunkt zu überzeugen und dürfen sie nicht als rechts, dumm oder zurückgeblieben bezeichnen. Sachlich kann kein Rechtspopulist dagegenhalten, ihr Terrain ist die Emotion, die Wut. Eine Wut, die wir heraufbeschwören, in dem wir die Trump-, FPÖ- und AfD-Wähler nicht ernst nehmen und ihnen statt Lösungen für ihre Probleme, unsere moralische Überlegenheit zeigen.