Das Geheimnis des Verfalls – Julius Evola und die Wurzel der modernen Leere

In seinem Essay „Das Geheimnis des Verfalls“ legt Julius Evola den Finger auf eine Wunde, die viele gar nicht mehr spüren: den geistigen Grund des zivilisatorischen Niedergangs. Anders als moderne Denker, die den Verfall von Kulturen durch ökonomische, soziale oder technologische Faktoren erklären wollen, sieht Evola das Zentrum des Problems ganz woanders – im Innersten des Menschen.

Verfall beginnt im Geist

Für Evola beginnt der Zerfall einer Kultur nicht mit äußeren Katastrophen, sondern mit einem inneren Bruch. Sobald ein Mensch oder ein Volk die Anbindung an das Transzendente verliert – also an das, was über das bloß Menschliche hinausweist –, beginnt der Zerfall. Die Welt wird profan, der Mensch wird bloß Konsument, Wähler, Arbeiter oder Funktionsträger. Was fehlt, ist „Form“ – nicht im ästhetischen Sinn, sondern als geistige Haltung, als vertikale Ordnung.

Tradition als lebendige Achse

Evola spricht von der Tradition nicht als etwas, das man museal konserviert, sondern als lebendige Kraft, die eine Kultur durchdringt und strukturiert. Wo diese Kraft wirksam ist, gibt es Rangordnung, innere Klarheit, ein Gefühl für das Höhere. Der Mensch kennt dann seinen Platz im Kosmos – nicht aus Unterwerfung, sondern aus Erkenntnis.

Die letzte Phase: Innerer Tod vor dem äußeren

Der letzte Teil des Essays ist besonders düster – und zugleich klar. Evola beschreibt den Zustand moderner Gesellschaften als einen des inneren Todes. Der Mensch lebt nur noch horizontal: Er kennt keine transzendente Dimension mehr, kein Opfer, keine Initiation, kein Mysterium. Alles wird nivelliert, alles ist verfügbar, aber nichts mehr ist bedeutend.

Der Mensch stirbt nicht mehr tragisch – er zerfällt. Er hat keine Orientierung, aber zu viele Optionen. Er verliert die Fähigkeit zur Unterscheidung, weil es kein Oben und Unten mehr gibt. Dieser Zustand geht dem äußeren Verfall voraus – der Ruin von Staaten, Systemen oder Kulturen ist nur die logische Folge eines innerlich bereits vollzogenen Todes.

„Der Mensch zerstört zuerst in sich selbst das, was er später auch in der Welt zerstören wird.“

Diese eine Zeile bringt es auf den Punkt. Keine Dekadenz fällt vom Himmel. Keine Kultur wird gestürzt, die nicht zuvor ihr eigenes Fundament preisgegeben hat.

Evolas Botschaft – unbequem, aber notwendig?

Ob man Evolas metaphysische Sichtweise teilt oder nicht – sein Essay zwingt zur Auseinandersetzung. Er hält dem modernen Menschen den Spiegel vor, ohne psychologische Ausreden, ohne Trost. Das Geheimnis des Verfalls ist weniger eine Diagnose als ein Weckruf: Wer den Verfall aufhalten will, muss zuerst sich selbst überwinden – und die verlorene vertikale Dimension wiederfinden.

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