Jean Claude Juncker führt ein Eigenleben. So was hat es lange nicht gegeben. Ein Kommissionspräsident, dem Europa wichtig ist und nicht die jeweilige durch Wahlen bestimmte Innenpolitik eines Mitgliedsstaates. Jean Claude Junckers Rolle sei „immer schwieriger zu durchschauen", schreibt denn auch ein offenkundig irritierter Korrespondent der deutschen FAZ.
Was war denn passiert?
Am Dienstag in der Eurogruppe – es ging natürlich um Griechenland - lagen plötzlich zwei Papiere auf dem Tisch. Ein Vorschlag in enger Abstimmung mit den Deutschen, ein zweiter, von dem es hieß, er sei aus dem Büro des Kommissionspräsidenten. In der Kommission wird nachdrücklich bestritten, dass Juncker an der Eurogruppe vorbei agiert.
Zu Zeiten eines Jacques Delors – er war zwischen 1985 und 1995 Präsident der Europäischen Kommission - sei es üblich gewesen, dass die Kommission die Papiere für den Rat der Europäischen Union vorbereite, erklärt mir ein ehemaliger EU-Kommissar bei einer anregenden Plauderei. So wie es jetzt laufe, dass nämlich die Mitgliedstaaten in den jeweiligen Ratstreffen ihre eigenen Vorschläge absegnen, das sei schlichtweg undenkbar gewesen.Unter Delors Führung macht die EU große Fortschritte. Seine Präsidentschaft beendete 25 Jahre Euroskeptizismus und Stagnation des Integrationsprozesses. Delors hat die Gemeinschaft „aus einer tiefen Krise herausgeführt" attestiert ihm die Wissenschaft.
In den letzten Jahren hat Europa einen umgekehrten Weg beschritten. Statt gegenseitiger Kontrolle, verteilt sich die Macht zunehmend ungleich. Weg von der Kommission, aber auch vom EU-Parlament hin zu den zahlenden Mitgliedstaaten. Deutschland gibt den Ton an, in jeder Hinsicht.
Und fast noch schlimmer: Dort, wo sich nicht alle Staat-und Regierungschef einig werden konnten, wurden einfach bilateral zwischen den Staaten Vereinbarungen getroffen. Europa und seine gewählten Abgeordneten konnten nur zuschauen. Mitbestimmung ade.
Und Juncker steigt nun ganz offensichtlich in den Ring. Er – der erste vom europäischen Volk legitimierte Kommissionspräsident - will Terrain für europäische Entscheidungen zurückerobern. Denn was gut für Deutschland ist, muss noch lange nicht gut für ganz Europa sein. 24 Millionen Arbeitslose in Europa sind mehr als ein Weckruf!