Corona-"Hotspots" im Körper

Eine Studie findet zahlreiche „Hotspots“ für Coronaviren im menschlichen Körper

Ithaca/New York – Coronaviren wie SARS-CoV-2 infizieren nicht nur den Nasen-Rachen-Raum und die Atemwege. Die Gene, die die Viren zur Infektion benötigen, sind laut einer Studie in Cell Reports (2020; DOI: 10.1016/j.celrep.2020.108175) in einer Vielzahl von Or­­ganen aktiv. Die Ergebnisse deuten auf zahlreiche „Hotspots“ hin.

Um zu ermitteln, welche Zellen ein Virus infizieren kann, waren in der Vergangenheit um­fangreiche und zeitaufwendige Experimente im Labor notwendig. Inzwischen nutzen die Forscher zunehmend die Ergebnisse aus Gen-Expressions-Analysen.

Dabei wird untersucht, welche Gene in einer Zelle oder Zellart aktiv sind. Dies geschieht durch die Analyse der Boten-RNA, die die Information von der DNA abliest (transkribiert), um sie zu den Ribosomen zu transportieren, wo die Proteine hergestellt werden.

Microarrays können in einer Probe nach tausenden verschiedener Genabschnitte suchen. Das Ergebnis sind Transkriptome, die in den vergangenen Jahren von verschiedenen Zell­arten hergestellt wurden.

Da diese Daten elektronisch gespeichert sind, musste das Forschertrio um Manvendra Singh und Cédric Feschotte von der Cornell Universität in Ithaca/New York und Vikas Bansal vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Tübingen kein Labor besuchen, um herauszufinden, welche Zellen SARS-CoV-2 und andere Coronaviren infizieren können. Sie mussten lediglich in den Datenbanken recherchieren, ob in den ein­zelnen Zellen die Gene aktiviert sind, die die Viren für den Eintritt in die Zellen benö­tigen.

Bei SARS-CoV-2 sind dies bekanntlich das „Angiotensin-Converting Enzyme 2“ (ACE2) und die „Transmembrane Serine Protease 2“ (TMPRSS2). ACE2 dient als Bindungsstelle für das Spike-Protein des Coronavirus. TMPRSS2 sorgt dann dafür, dass die Viren ins Innere der Zelle gelangen.

ACE2 und TMPRSS2 sind nicht die einzigen Faktoren die die Infektiosität beeinflussen. Die Viren sind bei der Replikation auf bestimmte Enzyme der Zellen angewiesen. Es gibt aber auch Restriktionsfaktoren, die das Eindringen der Viren und die Replikation blockie­ren können. Die Forscher haben ein „SCARFs“-Panel (“SARS-CoV-2 and coronavirus asso­ci­ated receptors and factors”) aus 28 Genen zusammen gestellt, von denen vermutet wird, dass sie die Infektiosität von Coronaviren beeinflussen.

Zunächst wurden die Tests an den Daten von embryonalen Zellen und am Plazentagewe­be durchgeführt. An den embryonalen Stammzellen und in den frühen Phasen der Embry­o­nalentwicklung wurden die SCARFs nicht abgerufen.

Dies spricht gegen die Möglichkeit einer Infektion in der Phase der frühen Entwicklung, die Fehlbildungen zur Folge haben könnte. Einzelne „SCARFs“ wurden dagegen in den Zytotrophoblasten nachgewiesen. Wenn die Viren die Plazenta infizieren könnten, hätte dies unter Umständen Wachstumsstörung des Feten oder Tot-/Frühgeburten zur Folge.

Eine potentielle Schädigung ist auch bei der Spermienbildung vorstellbar, da die Sperma­togonien, die Keimzellen in den Hoden, aus denen die Spermien entstehen, anfällig für ei­ne Infektion sein könnten. Die Oozyten im Ovar sind nach den letzten Untersuchungs­ergebnissen nicht gefährdet.

Darm, Nieren und Leber

Neben den Fortpflanzungsorganen wurden die „SCARFs“-Gene noch in verschiedenen wei­teren Organen gefunden, wenn auch häufig nur in einzelnen Zellarten. Zu den „Hot­spots“ gehören Darm, Nieren und Leber.

Im Dünndarm könnten die Enterozyten und die Becherzellen von den Coronaviren befall­en werden. In der Niere könnten sie die Auskleidung der proximalen Tubuli schädigen, in der Leber könnte das sinusförmige Endothel befallen sein. In der Prostata sind die endo­krinen Zellen gefährdet.

Auch im Gehirn könnte das Virus Fuß fassen. Nervenzellen scheinen die Viren nicht zu befallen. Für Perizyten, Astrozyten und Mikroglia des Kleinhirns fanden die Forscher Hin­weise für eine Infektion durch Coronaviren.

Besonders genau analysiert haben die Forscher die Nasenschleimhaut, die allgemein als Eintrittspforte und als erster Ort der Virusvermehrung betrachtet wird. Die Forscher stießen hier nach eigener Aussage auf ein „Schlachtfeld“.

Die Zellen der Nasenschleimhaut enthielten sowohl Faktoren, die eine Infektion begüns­ti­gen, wie den ACE2-Rezeptor, als auch Faktoren, die den Eintritt des Virus hemmen, wie IFITM3 und LY6E. IFITM3 ist laut den Forschern ein Protein, von dem bekannt ist, dass es andere Coronaviren daran hindert, die Zellmembran zu durchqueren. Dasselbe könnte für SARS-CoV-2 gelten. LY6E wirke ebenfalls als Abwehrmechanismus.

Die Forscher vergleichen die gegensätzliche Aktion der Proteine mit einem Tauziehen, von dessen Ergebnis es abhängt, ob es zu einer Infektion kommt oder nicht. Das Team hat auch eine Erklärung dafür, warum ältere Menschen anfälliger für eine Infektion mit SARS-CoV-2 sind. Ihre Analyse ergab, dass mit dem Alter der Anteil der Proteine, die die Infektiosität fördern, relativ zu den „Vermeidern“ ansteigt.

Links zum Thema

Abstract der Studie

Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen

Pressemitteilung der Cornell Universität

© rme/aerzteblatt.de

Quelle: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/116286...

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