Sollen Frauen den Orgasmus vortäuschen oder ehrlich sein? Die Lebens- und Sozialberaterin Beate Janota über Lustlosigkeit, Vorurteile im Bett und Sex-Hausübungen.

fischundfleisch: Was würde passieren, wenn Frauen keine Orgasmen mehr vortäuschen würden und den Männern ehrlich sagen, wie sie im Bett sind?Beate Janota: Der Mann ist ja von der Anatomie ganz anders. Männer tragen ihr Geschlecht stolz vor sich her. Was auch okay ist, aber viele Männer wären durch die beschriebene Situation unsicher – vermutlich auch frustriert. Andere hingegen würden zu Forschern werden und dazulernen wollen. Und sich denken: Jetzt erst recht.

Was vermissen die Frauen im Bett, die zu Ihnen in die Praxis kommen?Janota: Pauschal kann man das nicht beantworten. Aber eines der häufigsten Probleme ist sicher Lustlosigkeit. Wovon eher die Frauen betroffen sind. Die Ursachen dafür sind verschieden. Entweder liegen sie in der sexuellen Entwicklung. Zum Beispiel, dass Frauen in ihrer Kindheit gelernt haben, dass Sex sündhaft ist. Oder es hat anatomische Gründe. So kann sich der Körper verkrampft haben.

Was raten Sie einer Frau, die keine Lust mehr empfindet, wenn anatomische Gründe nicht die Ursache sind?Janota: Zuerst findet ein Gespräch statt. Was ist für die Frau angenehm, was nicht? Wie wird der Körper wahrgenommen? Was möchte man im Bett? Nach der Beziehung frage ich auch. Vielleicht liegt ja eine Paarproblematik vor. Danach wird individuell auf das Problem eingegangen. Körperwahrnehmungsübungen, um sich besser zu spüren, sind oft ein Anfang. Und es gibt natürlich auch Hausübungen.

Wie sehen diese Hausübungen aus?Janota: Die wenigsten sind sich bewusst, wo sie was spüren. Was mag ich lieber, wenn ich zärtlich gestreichelt werde oder wenn es härter ist? Darum gibt es Hausübungen, um den Körper selber kennenzulernen, wie zum Beispiel das Geschlecht anzusehen und zu berühren. Oder zu üben, die Erregung zu halten und zu steigern.

Welches Vorurteil über Sex hat bis jetzt den größten Schaden angerichtet?Janota: Eines der wesentlichsten Vorurteile ist, dass Männer immer wollen und immer nur auf das Eine aus sind. Generell finde ich, wird Sex hochgebauscht. Ständig müssen wir Sex haben und am besten aus dem Kamasutra mit viel Abwechslung. Und wenn das nicht der Fall ist, glauben die Leute gleich, irgendetwas stimmt nicht in der Beziehung.

Haben Frauen mittlerweile weniger Hemmungen, über Sex zu sprechen?Janota: Ja, sicher, Gott sei Dank. Es hat sich viel verändert. Aber wenn es um das Thema Probleme beim Sex geht, wird noch immer geschwiegen.

Wie wichtig ist Selbsterkundung und Masturbation für die Frau?Janota: Für beide Geschlechter ist das sehr wichtig. So lernt man, sich in seinem Körper wohlzufühlen. Sexualität reduziert sich nicht auf den Geschlechtsakt. Es geht mehr darum, sich mit seinem Geschlecht und in seinem Körper wohlzufühlen.

Orgasmus vortäuschen oder ehrlich sein?Janota: Das hängt davon ab, wo das Paar gerade steht. Vielleicht ist der Mann gerade in der Midlife Crisis oder hat das Gefühl, er ist zu dick. Dann wäre es unsensibel, seinem Mann zu sagen: „Hey, du hast es jetzt nicht gebracht!“ Man muss nicht noch eins drauflegen, um sein Selbstwertgefühl zu untergraben. Es kommt ja auch darauf an, wie man es sagt. Ein einfühlsames Gespräch hilft mehr.

Welche Faktoren begünstigen den weiblichen Orgasmus?Janota: Wichtig ist ein gutes Körpergefühl. Je besser ich mich kenne, je besser ich weiß, was ich brauche – die Stellung oder die Berührung – desto besser kann ich es dem Partner mitteilen und zeigen.

Gibt es ein Alter, ab dem man keine Lust mehr verspürt?Janota: Irgendwann wird man vielleicht nicht mehr durchs Bett hupfen. Aber die Lust bleibt. Auch im hohen Alter kann man eine sehr lustvolle Sexualität haben. Der Testosteronspiegel steigt im Alter bei der Frau. Es kann sich dadurch auch ihre Lust steigern.

Danke für das Gespräch.

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