Teure Scheidung. Der Irrglaube, dass eine Trennung alles einfacher macht.

Ich möchte mich diesmal einem Thema zuwenden, das in unserer Gesellschaft fast schon zum guten Ton gehört: der Scheidung. Wer nicht mindestens einmal geschieden ist, dem wird fast schon ein Mangel an Lebenserfahrung attestiert. Plagten sich vor einigen Jahrzehnten die Paare noch bis an ihr Lebensende miteinander ab, sagt sich der moderne Mensch von heute: „Ich tu mir das nicht an, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!“

Im ersten Impuls hin neigt man dazu, diese Haltung sofort zu bejahen, klingt es doch mehr als plausibel, dass man einen Platz der einen leidend macht, verlässt. Aber gibt es die Partnerschaft ohne trübe Momente, ohne Krisen und ohne Streit? Natürlich nicht. Wie aber die Zeiten der Krise, des Stresses und der möglicherweise im Alltag versinkenden Gefühle meistern? Viele meiner Klienten meinen dann, das lohnt sich ja nicht. Besser ein Neubeginn mit einem anderen Partner. Der Glaube mit einem anderen Partner sei alles anders, hat sich in den Köpfen manifestiert und das obwohl die gescheiterten Zweit- und Drittbeziehungen eine andere Sprache sprechen.

Beleuchten wir ein paar Fakten. Eine Scheidung bedeutet emotionalen Stress für alle Beteiligten, meist auch für das Umfeld (Kinder, Freunde, Verwandte und vielleicht auch die Arbeitskollegen). Eine Scheidung bedeutet organisatorischen Stress, wo soll man Wohnen, geht sich das mit den finanziellen Mitteln aus, können die Kinder die Schule nötigenfalls wechseln, wie bekomme ich die Möbel von A nach B und so weiter. Viele größere und kleinere Dinge, die erledigt werden müssen und das meist rasch, um zur Ruhe kommen zu können. Vor allem und gerade dann besonders wichtig wenn Kinder da sind.

Eine Scheidung ist teuer, selbst wenn man ohne Anwalt in bestem Einvernehmen die billigste Variante der Scheidung erleben darf, so fallen doch für einen Singlehaushalt mehr Kosten an, als wenn die Rechnungen geteilt werden, ganz zu Schweigen im Fall von zu betreuenden Kindern. Im Fall von gemeinsamen Kindern wird der „Gesamtschaden“ oft erst nach Jahren sichtbar, wenn man in der mehr oder weniger glücklichen Patchwork Familie angekommen, auf einmal sehr viel höhere Zahlungsaufwendungen hat wie jene Paare, die in ihrer Ursprungsfamilie verblieben sind. Während die einen die exotischsten Reiseziele anpeilen, dürfen sich die anderen mit den Rechnungen für sämtliche Kinder in Form von aktiven oder passiven Ausgaben (Alimente) mit den jeweiligen Ex-partnern herumschlagen, von den nervlichen und organisatorischen Strapazen sprechen wir dabei noch gar nicht, die agierenden Personen in einer Patchwork Familie verdoppeln sich. Statt zwei Großelternpaare gibt’s auf einmal vier und zu den eigenen Paarbelangen mischen sich auch noch jene der Ex-Partner, da diese ja im Terminkalender ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Beim Betrachten dieser Umstände frage ich mich, warum der Trend zur Scheidung immer noch so hoch ist. Statistisch liegen wir im ländlichen Bereich bei 37% - 45% (je nach geografischer Lage im Westen weniger als im Osten) und im urbanen Bereich teilweise sogar über 50%. Können so viele Generationen vor uns, die um ihre Ehe gerungen haben und in unseren Augen als so verstaubt angesehen werden, so falsch gelegen sein? Einige dieser Paare der alten Generation durfte ich kennen lernen und alle gaben mir die gleiche Antwort: „Wir haben es nicht bereut auch die schweren Zeiten gemeinsam zu meistern, wir sagen nicht, dass es immer leicht war, aber rückblickend hat es sich gelohnt, heute sind wir stolz auf das, was wir geschafft und geschaffen haben.“

Pragmatisch betrachtet kommt das Investment in einen oder mehrere PaarberaterInnen emotional und finanziell wesentlich günstiger. Jedenfalls über die Lebensjahre hin betrachtet. Aber Hand aufs Herz, die Paare unserer Eltern-/ Großelterngeneration konnten noch nicht auf die Vielfalt geschulter Therapeuten und oder dazu passender Lebenshilfelektüre zurückgreifen. Sie waren auf den Rat ihres Umfeldes angewiesen oder im Zweifelsfall auf sich gestellt und mussten sich mit dem, ihnen innewohnenden Wertesystem arrangieren. Sicher nicht immer leicht, da die richtige Entscheidung zu treffen, aber sie haben sie getroffen und genau diese Entscheidung für ihre Partnerschaft hat sie weitergetragen. Vielleicht liegt darin auch das Geheimnis, sich jeden Tag aufs Neue für die Partnerschaft und das Gelingen selbiger zu entscheiden.

Und aus Erfahrung kann ich mittlerweile behaupten, dass sofern der Wille vorhanden ist, auch der Weg zur Lösung gefunden werden kann.

(Foto: flickr.com)

7
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

irmi

irmi bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

chilis77

chilis77 bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Bernhard Juranek

Bernhard Juranek bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Claudia Weber

Claudia Weber bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

5 Kommentare

Mehr von Beate Janota