Stefan Millius ist Chefredakteur des Schweizer Online-Mediums "Ostschweiz". In seinem Blog auf persoenlich.com erzählt er von der Gründung, der Philosophie und der Entwicklung der Neugründung eines Meinungs-Mediums.
"Das Konzept sah zwei Grundpfeiler vor: Journalistische Artikel und Beiträge von Gastautoren. Letztere sollten völlig frei sein: Jeder, der etwas zu sagen hat, kann das tun, solange er oder sie in irgendeiner Weise Bezug zum Thema nachweisen kann. Und das ausdrücklich aus allen politischen Lagern. Nur so können Debatten entstehen, und wir hatten nie vor, einen Teil der Bevölkerung auszuschliessen," schreibt Millius.
Das kommt uns natürlich nicht bekannt vor, weil so etwas in Österreich von vornherein nicht geplant ist. Oder vielleicht doch? Gibt es da nicht eine Plattform, die genau das...? Ach was, reden wir doch von der Schweiz!
In den ersten drei Wochen gab es ein Sammelsurium von Artikeln aus jedem Spektrum. Sehr ausgewogen, wie der CR sagt. Dann schrieb ein Kulturmagazin über die Konkurrenz, es sei "ein Medium für Wutbürger mit «zumeist rechten Meinungen»". Das Magazin hatte tief in die Trickkiste gegriffen: Es zählte die konservativen Autoren auf und ließ die linken weg. Die halbe Wahrheit, sozusagen, die natürlich durch Weglassen zur Unwahrheit wird. Stefan Millius: "Wer den Beitrag las und unsere Zeitung nicht kannte, musste zwingend zum Schluss kommen, wir seien ein rechtes Sprachrohr. Dabei waren die politischen Pole bei uns zu diesem Zeitpunkt völlig ausgewogen präsent."
Kaum hatten die "Saiten" (so heißt das Kulturmagazin) ihr Werk vollbracht, sprangen die linken Gastautoren ab. "Der Gipfel der Ereignisse war", schreibt Millius, "als sich ein begabter Illustrator als Gastautor ausklinkte mit der Begründung, bei uns dürfe ein katholischer Pfarrer als Kolumnist schreiben, und das sei zu viel des Guten."
Und noch einmal der Chefredakteur der "Ostschweiz" im O-Ton: "Rechts der Mitte wiederum hatte interessanterweise keiner der Gastautoren Mühe damit, als direkten Nachbarn einen SP-Beitrag zu haben. Und keiner dieser Schreiber sprang ab. Verkürzt könnte man sagen: Rechte haben kein Problem mit einem politisch ausgewogenen Medium, Linke finden es inakzeptabel, dass auch Rechte zu Wort kommen. Für sie heisst ausgewogen offenbar: Bitte nur wir."
Die Moral von der Geschicht: Mittlerweile ist das neue Online-Medium eine bürgerliche Plattform rechts der Mitte.
"Links hingegen hat sich verabschiedet – und wird ohne Zweifel bald einmal wieder öffentlich gegen das «rechte Wutbürgermedium» wettern. Dabei haben sie ihren Ausschluss freiwillig angetreten, und unsere Türen sind nach wie vor weit offen. Was wir aber nicht tun: Den Linken einen exklusiven Freiraum bieten und andere Gesinnungen ausschliessen. Auch Linke müssen lernen, mit anderen Meinungen umzugehen."
Ein Blick in die "Sozialen" Medien lässt mich allerdings an der Lernfähigkeit so mancher zweifeln.