Immer wieder wird behauptet, dass man durch die Anzahl der PCR-Tests, die man durchführt, die (gemessene) Inzidenz bestimmen, ja sogar beliebig steuern kann. So müsse man nur die Zahl der Tests verdoppeln, schon würde man die doppelte Anzahl an positiven Testergebnissen bekommen.
Das ist aber grundfalsch. Dieser proportionale Zusammenhang würde nur gelten, wenn die Getesteten eine repräsentative Stichprobe der Gesamtpopulation darstellen würden, was aber ganz und gar nicht der Fall ist.
Repräsentativität vs. Teststrategie
Am einfachsten wäre Repräsentativität durch eine Zufallsauswahl der zu Testenden erreichbar. Sinnvollerweise werden aber die Testkandidaten nicht zufällig ausgewählt, sondern nach einer Teststrategie. Das Kriterium der Teststrategie, das die Zufälligkeit und damit die Repräsentativität am nachhaltigsten verhindert, ist, dass alle getestet werden, die sich melden, weil sie entsprechende Symptome zeigen. Damit hat man also durch sehr wenige Tests bereits einen relevanten Anteil der Infizierten (*) gefunden, viel mehr als man mit der gleichen Anzahl Tests bei einer zufälligen Auswahl an Personen finden würde.
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Bei der Frage, welchen Anteil man mit diesen Tests findet, kommt die Dunkelziffer oder das Dunkelfeld ins Spiel. Das sind jene Infizierten in der Bevölkerung, die man durch die durchgeführten Tests nicht findet.
Eine hypothetische Überlegung
Damit kann man bereits eine erste vereinfachte Überlegung anstellen. Angenommen, das Dunkelfeld wäre gleich groß wie die Zahl der positiv Getesteten. Das ist nicht realistisch, in Wirklichkeit ist es wahrscheinlich größer, aber so kann man sich die Zusammenhänge einfach vorstellen.
Dann würde man also immer mit den (in Österreich) paar Tausend Tests, die sozusagen sowieso gemacht werden, bereits die Hälfte aller wirklich Infizierten finden.
Um in dieser Situation die Inzidenz zu verdoppeln, also die andere Hälfte der Infizierten zu finden, müsste man daher die gesamte Bevölkerung testen! Wenn man diese Überlegungen weiterdenkt, kann man schon erkennen, dass es auch bei einem größeren Dunkelfeld nicht sein kann, dass eine Verdoppelung der Tests eine Verdoppelung der Inzidenz verursachen würde.
Realistische Verhältnisse
In der Realität gibt es aber zwei Schwierigkeiten, die in diesem einfachen Beispiel nicht berücksichtigt wurden.
Erstens die Falsch-Positiv-Rate des PCR-Tests. Wenn man in einer weitgehend gesunden Bevölkerung Massentests durchführt, kann theoretisch die Zahl der falsch positiven Testergebnisse in die Größenordnung der Zahl der wirklich Infizierten kommen oder sie sogar übersteigen. Damit würde man sich einem proportionalem Zusammenhang zwischen durchgeführten Tests und positiven Testergebnissen wieder annähern. Wie aber in Was PCR-Tests und Hummeln gemeinsam haben gezeigt, ist es unwahrscheinlich, dass die Falsch-Positiv-Rate von heute eingesetzten PCR-Tests größer als 0,01% ist. Wie man später sehen wird, kann aber selbst eine weit höhere Falsch-Positiv-Rate als diese den Zusammenhang zwischen der Zahl der Tests und der Zahl der positiven Tests in realistischen Szenarios nicht in die Nähe der Proportionalität bringen.
Die zweite Schwierigkeit in der Realität ist, die Dunkelziffer abzuschätzen. Nach letzten Erkenntnissen liegt sie in Österreich in einem weiten Bereich zwischen dem knapp 3- bis 6-fachen der positiv Getesteten. Je höher die Dunkelziffer, umso kleiner ist der Anteil der Infizierten, den man durch Testung Symptomatischer findet, und umso eher stellt sich der behauptete proportionale Zusammenhang bei einer Erhöhung der Testzahlen ein.
Um ein möglichst extremes Ergebnis zu bekommen, wird im weiteren Verlauf von einer 6-fachen Dunkelziffer ausgegangen.
Eine Rechnung am Beispiel Österreichs
In Österreich wurden vor der Erhöhung der täglichen Testzahlen durch die Antigen-Tests pro Tag ca. 25.000 PCR-Tests durchgeführt. Ab Ende 2020 / Anfang 2021 stiegen die Testzahlen bis Anfang Februar auf ca. 200.000 pro Tag. Welchen Einfluss hat diese Verachtfachung der Testzahlen auf die Zahl der positiv Getesteten, bei gleich bleibendem Infektionsgeschehen?
Nehmen wir an, dass bei 25.000 Tests 2.000 positive Testergebnisse vorliegen. In dieser Größenordnung bewegten sich die Zahlen Ende 2020. Bei einer 6-fachen Dunkelziffer heißt das, dass es in Wirklichkeit 14.000 Infizierte (**) gibt, wovon 12.000 noch nicht entdeckt worden sind.
Um noch mehr Infizierte zu finden, werden 175.000 zusätzliche Tests durchgeführt. Diese nehmen wir als mehr oder weniger zufällig an. Das stimmt natürlich nicht ganz, sie sind wenn überhaupt nur annähernd zufällig, aber es ist die extremste Annahme, die zu dem für die Vertreter der "doppelte Tests bringen doppelte Inzidenz" Theorie besten Ergebnis führen. Je zufälliger, desto eher stimmt diese Theorie.
Österreich hat ziemlich genau 8.9 Millionen Einwohner. Auf diese (minus 25.000 bereits Getestete) verteilen sich die fehlenden 12.000 gesuchten Infizierten. Das ergibt eine infizierte Person auf ca. 740 Einwohner, oder eine Inzidenzrate von 0,135% in der Restbevölkerung.
Wenn man aus dieser Gruppe 175.000 "zufällige" Personen testet, findet man also 175.000 * 0,135% zusätzliche Infizierte, das sind 236. Dazu kommen noch 0,01% falsch Positive, also aufgerundet 18.
Insgesamt kommt man damit auf 175.000 * (0,135% + 0,01%) = 254 Personen, die man zusätzlich zu den bereits gefundenen 2.000 findet. Das heißt, 8 mal so viele Tests bringen eine Steigerung der gefundenen Personen von 2000 auf 2254, was 12,7% entspricht.
Mit 8 mal so vielen Tests findet man nur 12,7% mehr positive Fälle!
Die gleiche Rechnung mit einer Verdoppelung von 25.000 auf 50.000 ergibt 25.000 * (0,135% + 0,01%) = 36 zusätzliche Fälle.
Eine Verdoppelung der Tests würde nur 36 oder 1,8% mehr gefundene positive Fälle bringen!
Das ist doch ziemlich weit weg von dem behaupteten proportionalem Zusammenhang.
Wie viel mehr Tests benötigt man wirklich, um doppelt so viele positive Tests zu erhalten?
Durch eine weitere Rechnung kann man bestimmen, wie viel mehr Tests man für eine doppelte gemessene Inzidenz benötigen würde.
Eine doppelte Inzidenz bedeutet, dass man in der Restbevölkerung gleich viele positive Testergebnisse erhält wie bei den ersten 25.000 Tests, also hier 2.000.
Um 2.000 positive Tests bei einer Inzidenzrate von 0.135% und einer Falsch-Positiv-Rate von 0,01% zu erhalten, müsste man 2.000 / (0,135% + 0,01%), das sind mehr als 1,3 Millionen, zusätzliche Tests durchführen. Das ist über 50 mal mehr als die ursprünglichen 25.000.
Um die doppelte Anzahl an gefundenen Fällen zu erreichen, müsste man nicht doppelt so viele, man müsste weit mehr als 50 mal so viele Tests machen!
Ist damit die "doppelte Tests bringen doppelte Inzidenz" Theorie widerlegt? Nicht ganz.
Höhere Ausgangszahlen bringen höhere Steigerungen
Das sind die Verhältnisse bei einer relativen geringen Ausgangszahl an Tests, 25.000 Personen sind nicht einmal 0,3% der österreichischen Bevölkerung. Je höher aber die Ausgangszahl an bereits durchgeführten Tests ist, umso mehr bringt eine Verdoppelung, weil der relative Anteil an zufälligen Testungen steigt. Kann vielleicht doch etwas dran sein an der Theorie, wenn es andere Voraussetzungen gibt?
Eine weitere Verdoppelung auf 400.000 würde bereits eine weitere Steigerung der gefundenen Infizierten um 12,9% bringen. Weitere Verdoppelungen bringen immer höhere Steigerungen.
Aber selbst wenn man am Schluss von der Hälfte der Bevölkerung auf die ganze Bevölkerung verdoppelt, erhält man nicht doppelt so viele Fälle. Der Grund ist, dass man mit den Tests von 0,3% der Bevölkerung (25.000) bereits 14% aller Infizierten gefunden hat (ein Siebentel, bei 6-facher Dunkelziffer). Das heißt, wenn man die halbe Bevölkerung testet, hat man das erste Siebtel plus 3 der fehlenden 6 Siebtel gefunden, also 57%. Wenn man durch Testen der gesamten Bevölkerung dann 100% findet, entspricht das einer Steigerung von 75%.
Die falsch Positiven legen dann nur noch zusätzliche 445 bzw. 890 Fälle drauf (0,01% von 4,45 bzw. 8,9 Millionen). Das macht nicht viel Unterschied, die Steigerung beträgt dann 77% statt 75%.
Was ist mit den falsch Positiven?
Bei höheren Falsch-Positiv-Raten treten bei Verdoppelungen der Tests höhere Steigerungen auf. Für die falsch positiven Tests trifft der proportionale Zusammenhang zu (***). Bei höheren Falsch-Positiv-Raten wird der Beitrag dieser falsch positiven Tests zu allen positiven Tests größer, daher nähert man sich auch im Gesamten dem proportionalen Zusammenhang an.
Bei 0,1% falsch Positiven bringt eine Verdoppelung auf 50.000 aber auch nur 2,9% mehr positive Fälle, eine Verdoppelung der jetzt 200.000 Tests auf 400.000 erhöht die Positiven um 20%.
Selbst bei einer unmöglich hohen Rate von 1% falsch Positiven ist man bei realistischen Testzahlen meilenweit von einem proportionalen Zusammenhang entfernt. Eine Verdoppelung von 25.000 auf 50.000 Tests würde 14.2% mehr positive Fälle bringen, eine Verdoppelung von 200.000 auf 400.000 brächte 57% mehr Positive.
Erst wenn man jetzt auch noch von unrealistisch hohen Testzahlen ausgeht, kommt man in die Nähe eines proportionalen Zusammenhangs: Würde man in Österreich statt 2 Millionen 4 Millionen Menschen mit einem Test mit 1% Fehlerrate testen, würde man 93% mehr positive Tests erhalten, also tatsächlich fast doppelt so viele. Die meisten davon würden dann natürlich falsch positive sein.
Das nur zur Vollständigkeit, wie an anderer Stelle gezeigt, sind solch hohe Falsch-Positiv-Raten statistisch auszuschließen. Die Positivraten von Testreihen bei geringem oder keinem Vorhandensein von Covid-19 sind oft weit unter 0,1%, was mit PCR-Tests mit einer Falsch-Positiv-Rate von 0,1% oder darüber nicht möglich wäre.
Alle bisher in diesem Beitrag angestellten Berechnungen beruhen auf der Annahme einer 6-fachen Dunkelziffer. Bei einer ebenfalls realistischen Annahme einer 3-fachen Dunkelziffer ergeben sich in allen Rechnungen noch kleinere Steigerungen bei Verdoppelungen der Testzahlen.
Es ist ein Märchen
Eine sinnvolle Teststrategie beinhaltet immer, dass Menschen, die Covid-19-ähnliche Symptome haben, getestet werden. Damit findet man bereits mit sehr wenigen Testungen einen relevanten Anteil der Infizierten. Ich glaube kaum, dass es ein Land auf der Welt gibt, in dem es nicht so gehandhabt wird.
Unter dieser Voraussetzung testet man aber keine repräsentative Stichprobe mehr und es ist daher nicht möglich, die Zahl der positiv Getesteten proportional zur Zahl der insgesamt durchgeführten Tests zu erhöhen und damit, wie oft behauptet wird, die Inzidenz praktisch beliebig zu steuern.
Ganz im Gegenteil, in realistischen Szenarien bringt eine Verdoppelung der Testzahlen meist nur eine Steigerung der Inzidenz im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Erst in hypothetischen Extremfällen mit unrealistisch hohen Testzahlen und Fehlerraten der Tests wird der proportionale Zusammenhang annähernd erreicht.
Die Behauptung, dass man aktuell durch Verdoppelung der Zahl der PCR-Tests auch nur annähernd die doppelte Inzidenz erreichen kann, ist ein Märchen.
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(*) Als "Infizierte" werden hier Personen bezeichnet, die einen richtig positiven PCR-Test abliefern, unabhängig davon, wie sich das auf die Personen auswirkt (Symptome, Infektiosität, usw.). Die Interpretation eines positiven PCR-Tests ist nicht Gegenstand dieses Artikels, es geht nur um die Wahrscheinlichkeiten, positive PCR-Tests in Testreihen zu erhalten.
(**) In dieser Formulierung wurde absichtlich das Wort "Infizierte" gewählt. Obwohl auch in den ersten 25.000 Getesteten falsch positive vorkommen, wird bei der Schätzung der Dunkelziffer dies nicht berücksichtigt. Der Faktor der Dunkelziffer wird ja geschätzt, indem man die nachträglich ermittelten "wirklich Infizierten", die z.B. auch Antikörper entwickelt haben, ins Verhältnis setzt mit der Zahl der Personen, die ursprünglich positiv (richtig oder falsch) getestet wurden. Das heißt, um umgekehrt wie hier auf die Gesamtzahl der "wirklich Infizierten" zu kommen, muss man alle positiv Getesteten mit diesem Faktor multiplizieren, nicht nur die richtig Positiven. Außerdem ist die Schätzung der Dunkelziffer so unsicher, dass dieser Unterschied nicht relevant ist.
(***) Falsch positiv können nur nicht Infizierte sein. Testet man doppelt so viele nicht Infizierte, erhält man im Durchschnitt auch doppelt so viele falsch positive Testergebnisse.
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