Auszug:
"Absolute Fallzahlen als Zerrbild der Wirklichkeit
Meine Zweifel werden durch diese Zusammenhänge indes nicht geringer, sondern größer. Es hat hier nämlich den Anschein, dass eine Vermehrung der Anzahl der Testungen auch – zumindest am Anfang – eine Vergrößerung der Reproduktionszahl zur Folge hatte. Nun wird aber im Epidemiologischen Bulletin Nr. 17/2020 eben diese Vermehrung der Testungen als Grund für eine Verringerung der Reproduktionszahl genannt. Wie passt das zusammen?
Kritiker der Corona-Maßnahmen setzen genau hier zu einem ganz grundsätzlichen Einwand an: Es sei schon im Ansatz verfehlt, die Reproduktionskurve anhand von absoluten Fallzahlen zu berechnen. Wer nämlich mehr teste, finde auch mehr Infizierte. Erforderlich sei demgegenüber, die Anzahl der positiven Testergebnisse ins prozentuale Verhältnis zur Anzahl der durchgeführten Testungen zu
setzen. Um diesen Einwand anhand eines einfachen Rechenbeispiels zu illustrieren:
In Woche 1 teste ich 100.000 Personen und finde 50 Infizierte. In Woche 2 teste ich 200.000 Personen und finde 100 Infizierte. Messe ich den Reproduktionswert anhand der absoluten Fallzahlen, so komme ich zu einer Reproduktionszahl von 2 – obwohl das Infektionsgeschehen sich bezogen auf die Gesamtkohorte nicht
verändert hat. Anknüpfend an diese Erkenntnis argumentieren die Kritiker, die Reproduktionskurve hätte sich von Beginn an sowohl in der Phase des Anstiegs als auch in der Phase des Rückgangs als
wesentlich flacher dargestellt, als es in der besagten Graphik zum Vorschein kommt. Wolfgang Wodarg versucht dies auf seiner Homepage anhand von Zahlen aus der Schweiz zu illustrieren. Ein
Psychologiestudent aus Ulm, der ein viel beachtetes Video zur Corona-Krise ins Internet gestellt hat und sich in diesem Video mit dem Namen Sebastian vorstellt (so nenne ich ihn auch im Folgenden), kommt auf der Basis der Zahlen des Robert-Koch-instituts zum gleichen Ergebnis auch für Deutschland.
Christof Kuhbandner geht noch einen Schritt weiter: Wenn mehr Testungen zunächst zu mehr Fallzahlen geführt hätten, könne es sein, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit von SARS CoV-2 sogar
in Wirklichkeit schon rückläufig gewesen sei.
Wenn sich dieser Einwand erhärten ließe, fiele eine tragende Säule der Argumentation für die Kontaktsperren in sich zusammen: Diese waren damit gerechtfertigt worden, man müsse die
Geschwindigkeit, in der sich das Virus ausbreite, verlangsamen, um eine Überlastung der intensivmedizinischen Kapazitäten in deutschen Kliniken zu verhindern. Wenn diese Geschwindigkeit
aber nie so hoch war wie angenommen: Bedurfte es dann der ganzen Einschränkungen des öffentlichen Lebens überhaupt noch?"
Die ganzen 181 Seiten hier. Zusammenfassung ab Seite 171.