"Ich verstehe" oder "verstanden" oder "ja, ja, ich verstehe schon", das hört man häufig. Zum Einen, weil es eine aus subjektiver Sicht unnötige Diskussion ersticken soll, zum Anderen, weil tatsächlich etwas verstanden wurde. Aber WAS verstehen wir wirklich? Wie viel von dem, was wir machen, haben wir verstanden, in Teilen oder sogar zur Gänze? Was sollen wir verstehen, was dürfen wir nicht verstehen?
Nicht viel, so viel ist sicher, zumindest DAS habe ICH verstanden. Z.B. bei der
Arbeit.
Fast jeder Bekannte von Ihnen und mir hat schon einmal gearbeitet. Hat sie, hat er verstanden, was die Aufgabe ist? Ja. Warum das wichtig ist? Im Kleinen ja, im Großen auch? Was machen eigentlich Rüstungskonzerne? Wer es im Großen zu verstehen versucht, kommt um die Erkenntnis der Unwichtigkeit der eigenen Arbeitskraft, der eigenen Arbeitsleistung nicht herum. Man schafft etwas, nämlich
Produkte.
Diejenigen von Ihnen, uns, die hochwertige, ökologisch sinnvolle Produkte herstellen – wie Bioäpfel aus dem Alten Land (ich meine hier nicht die von Herstellern aus dem Alten Land importierten Industrieäpfel, die dann als "Bioäpfel" verkauft werden) – können sich abends zurücklehnen und ein gutes Werk betrachten. Eine sinnvolle Arbeit, die einen selbst und andere Menschen leben lassen. Diejenigen von Ihnen, uns, die Smartphones herstellen, könnten, wenn sie es denn verstünden, abends einmal darüber nachdenken, ob es der Menschheit neben der Tatsache, GELD zu verdienen und ständig überwachbar zu sein, etwas wirklich Positives gebracht hat. Diejenigen von Ihnen, die im Marketing arbeiten und geschult darin sind (ist Ihnen das noch bewusst?), permanent die Menschen zu belügen, mindestens zu "belücken", erbringen definitiv keine Leistung für die Menschheit. Denn das Herausarbeiten der wichtigsten zur Bewerbung taugenden Eigenschaften eines Produktes ist wenig anderes als das Verschweigen von Tatsachen. Dem iPhone ein Image anzudichten, dem es nicht entspricht, widerspricht den Tatsachen, dass viele Menschen in der Supply Chain draufgehen. Sie sterben bei der Arbeit oder von der Arbeit. Zu hauf, sehenden Auges. Das findet man in der Werbung nicht, will auch niemand wissen, geschweige denn verstehen. "Ok, habe ich verstanden - aber guck mal, wie geil das aussieht, meine Freundin hat auch schon ein Neues!" Also nichts verstanden. Die Argumente sind unzählig, sie aufzulisten, würde nicht nur den Rahmen sprengen, sondern auch die kognitiven Fähigkeiten der Konsumenten, also Ihre und meine, übersteigen. Also - weils so anstrengend ist - gibt man sich lieber unkritisch dem sozialen Umfeld hin und schwimmt im reißenden Gewässer der Dummheit mit. Und fühlt sich noch gut dabei, haben ja alle gute Laune! Und das wird unterstützt von der
Politik.
Denn Sie und ich haben verstanden, dass die Schleuser nicht die Fluchtursachen für Flüchtlinge sind, sondern die Lebensumstände der Bevölkerung: vom Westen, den Guten, innitiierte Kriege zur Sicherstellung der Öl- und Gasvorkommen, die die marktkonforme Demokratie erst möglich macht, ist etwas anderes als Souveränität der Staaten, der Aufbau von Schulen und die Unterstützung der Länder in deren eigener Entwicklung. Nicht zuletzt bei
Umwelt und -schutz.
Wir alle haben verstanden, dass die Basis unseres Lebens diese eine Erde, diese eine Atmosphäre, diese Böden sind. "Ja, ne, ist klar, verstanden - lass und ein Bier trinken gehen!". Wir legitimieren den
Mord.
Durch Verdrängen: Wie schön kann man sich über die gleichgeschlechtliche Ehe echauffieren, über die Randale in Hamburg beim G20! Herrlich. Ich habe verstanden, dass (noch) niemand in Hamburg durch die Randalierer gestorben ist. Ich habe aber auch verstanden, dass die G20 und deren Vertreter für Massenmorde verantwortlich sind, aber nicht gemacht werden.
Das verstehe wer will.