Ich nehme seit zwölf Jahren Tranquilizer. Regelmäßig, am Morgen, noch vor dem Zähneputzen. Darauf bin ich nicht stolz. Es ist ein Fakt. Kaffee und Xanor, das war mein Frühstück. Xanor, die Superpille, meine Brioche zum großen Schwarzen.
Xanor ist ein Beruhigungsmittel, im Fachjargon Benzodiazepin genannt, das nicht schmeckt, aber wirkt. Packt einen wunderbar in Watte. Gibt Kraft, den Tag zu schaffen, der sich noch kurz davor wie ein unüberwindbarer Berg auftürmte. Doch das hat teuflische Konsequenzen. So what? Wer will sich nicht das Leben versüßen?
Ich bin Antialkoholiker, ich bin Nichtraucher, ich spiele nicht. Ich leiste mir aber meine „Schokolade“. Nur zur Beruhigung. Eine kleine pinkfarbene Pille, die auf die Sprünge hilft. Was ist dagegen bloß zu sagen?
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Am Anfang war die Angst, die ohne Warnung kam. Herzrasen, das die Kehle zuschnürte. Schweißausbrüche, die die Wäsche durchtränkten. Angst, zu kollabieren, Angst, die sich zur puren Panik steigerte. Es ist ein Zustand, der nur schwer zu ertragen ist, weil das vegetative Nervensystem komplett verrückt spielt.
Leider blieb es nicht bei einmal. Angst ist ein Wiederholungstäter. Sie ist nicht kontrollierbar. Sie kommt mitunter schleichend, dann wieder überfallsartig wie ein Tsunami. Es ist kein Zustand, mit dem es sich vernünftig arrangieren ließe. Was lag da näher als der schnelle Griff zur Wunderwaffe?
Xanor ist einer dieser vielen Tranquilizer, auf den ich durch Zufall gestoßen bin. Er wird von praktischen Ärzten auf Urgenz schnell verschrieben, Fachärzte für Psychiatrie sind da schon vorsichtiger.
Den vorhersehbaren Suchtcharakter, den auch der Beipackzettel nIcht verschwieg, wischte ich beiseite. Mein Argument: Die von gutmeinenden Mitmenschen dringliche Warnung, man gewöhne sich schnell an das Medikament und müsse über kurz oder lang die Dosis steigern, traf auf mich nicht zu. Zehn Jahre lang „genügten“ 1 mg Xanor zum Frühstückskaffee. So what? Ich und süchtig?
Die Falle, aus der es kein Entrinnen gab, schnappte zu. Als ich vor drei Jahren durch schwierige Lebensumstände vor der Entscheidung stand, die Dosis zu erhöhen, war ich endgültig gefangen und die Wahl zwischen Pest oder Cholera.
Die Gretchenfrage stellte mir mein behandelnder Psychiater. Eine Dosiserhöhung mit ungewissem Ausgang zu riskieren. Oder Medikamentenentzug ins Auge zu fassen, freilich ebenso mit ungewissem Ausgang. Das musste erst mal sickern. Und so quälte ich mich ein paar Wochen weiter, bis meine Entscheidung reifte...
Fortsetzung am Samstag.