Die Nachrichtenlage diese Woche wurde von zwei Themen dominiert: die überraschende OPEC-Übereinkunft zur „Outputdrosselung“ sowie die endlose Saga der Deutschen Bank. So unterschiedlich beide Themen auch sein mögen, sie haben eines gemeinsam: Viele Investoren und vor allem Kommentatoren, die die Finanznachrichtensender bevölkern, dürften hier noch an alten Vorstellungen festhalten, wenn sich in beiden Fällen die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen in den letzten Jahren deutlich geändert haben.
Besonders deutlich wird dies an der Nachrichtenlage zur Deutschen Bank. Gerüchte, dass die Regierung in Berlin an einem Notfallplan arbeitet werden prompt dementiert, Vergleiche mit Lehman Brothers werden gezogen etc. Sehen wir uns dazu mal kurz die Fakten an: Konkreter Auslöser der aktuellen Diskussionen dürfte die Ankündigung der US-Behörden sein, die Deutsche Bank mit einer Strafe von USD 14 Mrd. für Malversationen im Zuge der Hypothekenkrise belegen zu wollen. Diese Summe würde die Rückstellungen der Deutschen Bank von EUR 5,5 Mrd. für „Rechtsrisiken“ deutlich übersteigen, wodurch die ohnehin dürftigen Kapitalquoten weiter unter Druck kommen würden. Konkret würde die harte Kernkapitalquote (CET1) wohl nur mehr knapp über bzw. sogar unter der regulatorischen Mindestanforderung von 8 %, je nachdem wie viel die Deutsche Bank im Endeffekt rückstellen muss (das aktuelle Verfahren ist ja nicht das einzige, das anhängig ist…). Im Moment sieht es danach aus, als ob es hier drei Szenarien gibt:
Szenario 1 ist die „alles-nicht-so-schlimm“ Variante. Der US-Regulator sieht ein, dass der Schaden für das europäische und sogar das weltweite Finanzsystem bei einem Kollaps der Deutschen Bank zu groß wäre und reduziert die Strafe auf ein verträgliches Maß. Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass auch die amerikanischen Großbanken ähnliche Beträge stemmen mussten und die generell aggressive Haltung der amerikanischen Behörden gegenüber Banken und europäischen Unternehmen. Dass sowohl in den USA als auch in Deutschland Wahlen anstehen macht das Thema nicht wirklich einfacher, Vergangenheitsbewältigung und Schuldzuweisung ergeben leider allzu oft gute Schlagzeilen. Im Fall, dass dieses Szenario eintritt, könnte sich die Aktie der Deutschen Bank und damit auch der Sektor wahrscheinlich sprunghaft erholen und die internationalen Aktienmärkte möglicherweise zu neuen Höchstständen treiben.
Szenarios 2 und 3 könnten eintreten, wenn die US-Behörden auf der Höhe der Pönale bestehen um „ein Zeichen zu setzen“. Hier wird das Thema etwas diffiziler, da sich die Rahmenbedingungen in diesem Fall vor allem durch die Bankenabwicklungsrichtlinie (Banking Resolution and Recovery Directive - BRRD unter Freunden) dramatisch geändert haben und der aktuelle Fall den ersten Test dieses Maßnahmenpaketes darstellen dürfte. Die BRRD wurde verabschiedet mit dem Ziel die Verluste von Banken vor allem Investoren umzuhängen um die Steuerzahler zu entlasten und damit das alte „Moral Hazard“ Problem aus der Finanzkrise zu beseitigen (Banken nehmen immer höhere Risiken auf, weil sie im Falle eines Problems sowieso vom Staat gerettet werden). Im Rahmen dieses Maßnahmenpaketes muss jede Bank seit einigen Jahren auch einen Sanierungsplan vorlegen, weswegen die Meldungen, dass die deutsche Regierung an einem Notfall-Plan arbeitet, etwas seltsam sind, immerhin gibt es diesen Plan bereits seit einigen Jahren…
Würde die Deutsche Bank also Gefahr laufen, ihre Mindestkapitalquoten zu verletzen, würde wohl recht bald der Regulator (in diesem Fall die EZB, nicht die deutsche BaFin!) einschreiten und im schlimmsten Fall sogar die komplette Kontrolle über das Institut übernehmen, inklusive Austausch der Führungskräfte etc. Um dies zu verhindern plädieren einige Kommentatoren für eine direkte Kapitalspritze aus Berlin für die Bank. Das Problem dabei ist jedoch, dass diese Variante im Rahmen des neuen Rahmenwerks explizit verboten wird, da dadurch das alte Moral Hazard Problem von neuem aufkochen würde. Es gibt hierfür zwar eine Ausnahme für globale systemrelevante Institute wie die Deutsche Bank, vorher müssten jedoch Eigenkapitalgeber (Aktionäre, Investoren in CoCo-Bonds etc.) Verluste von 8 % der Gesamtverbindlichkeiten tragen, was im Fall der Deutschen Bank EUR 130 Mrd. wären. Das erscheint dann doch etwas viel angesichts der Tatsache, dass das Problem der Deutschen Bank doch recht gut einzugrenzen sein dürfte, im Gegensatz zu Lehman Brothers, wo niemand genau wusste, wie viel die Hypothekenpapiere, die die Bank in ihren Büchern hatte, wirklich wert waren…
Szenario 3, den kompletten Kollaps der Deutschen Bank inklusive systemischem Risiko und einer weiteren Finanzkrise können wir aus diesem Grund wohl eher ins Reich der Märchen verbannen, nicht zuletzt da wir in diesem Fall auch davon ausgehen müssten, dass die EZB als Regulator vollkommen versagen und das europäische (und weltweite) Finanzsystem sehenden Auges ins Chaos stürzen würde. Nicht sehr wahrscheinlich.
Szenario 2 erscheint da schon etwas plausibler: Die Deutsche Bank könnte eine Kapitalerhöhung (freiwillig oder auf Druck der EZB) machen, die deutsche Regierung bzw. andere quasi-staatliche Institutionen könnten hierbei als „Rückendeckung“ dienen. Das Investment darf jedoch nur zu „marktüblichen Konditionen“ erfolgen, womit sichergestellt werden würde, dass die Altaktionäre ihren Anteil an den Verlusten tragen, da sie höchstwahrscheinlich bis zur Unkenntlichkeit verwässert werden würden. In diesem Fall würde das systemische Risiko abgewandt, wodurch sich der Bankensektor nach anfänglichen Verlusten wieder erholen könnte und wir mit einem blauen Auge davongekommen wären (abgesehen von den Deutsche Bank Aktionären vielleicht). Vielleicht taucht aber auch noch ein Szenario 4 auf, in dem es der deutschen Regierung gelingt das europäische Regelwerk auszuhebeln und die Bank zu unterstützen ohne die Aktionäre bluten zu lassen…
Zu einem anderen Thema: Kreativ zeigte sich auch die OPEC bei ihrem Treffen diese Woche. Laut Medienberichten einigte man sich darauf die Ölproduktion auf 32,5-33,0 Millionen Barrel pro Tag zu drosseln von aktuell 33,2 Mio. Barrel, ohne genaue Angaben zu machen, wie man das eigentlich zu Stande bringen will. Der Ölpreis schoss daraufhin um knapp 7 % nach oben, immerhin war dies die erste Output-Reduktion seit 8 Jahren – jedenfalls laut Zeitungsmeldungen! Wenn man sich die Zahlen jedoch etwas genauer ansieht kommen schnell Zweifel auf: In den letzten Monaten hat vor allem Saudi Arabien die Produktion massiv ausgeweitet, sodass der Output bei der angestrebten Kürzung gerade mal auf das Niveau von Juni zurückfallen würde (und damit noch immer knapp 1 Mio. Barrel über dem Vergleichswert des Vorjahres liegt). Daneben wurden Iran, Libyen und Nigeria von der Vereinbarung ausgenommen. Alleine diese drei Länder wollen jedoch die Produktion in den nächsten Monaten um 1,5 Mio. Barrel ausweiten, wodurch sich das Überangebot nochmals deutlich verschärfen würde…
Wenig überraschend verflog daher die anfängliche Euphorie wieder, auch wenn die meisten Ölfirmen vorerst an ihren Zugewinnen festhalten konnten. Angesichts der angespannten Nachrichtenlage dürfte die Volatilität jedoch hoch bleiben. Eigentlich kein schlechtes Umfeld für geduldige Anleger, die seit Wochen auf ihre Chance warten sich bei Aktien einzukaufen, die von größeren Marktbewegungen mitgeschwemmt werden…