Die Sommermonate gleichen an der Börse oftmals einem Kuriositätenkabinett: Die Umsätze sind niedrig, die Nachrichtenlage ist über lange Strecken eher dürftig. Dies führt oftmals dazu, dass die Bewegungen erratisch erscheinen und es schwer erscheint, nachhaltig Trends herauszufiltern. Ein klassischer Fall hierfür ist der Ölpreis, der diese Woche zu den großen Verlierern gehörte und im Wochenverlauf knapp 9 % zurückging. Neben deutlich höheren Lagerbeständen in den USA dürfte dafür auch die Nachricht verantwortlich sein, dass Saudi Arabien nicht an einer Förderkürzung interessiert sei. Mehr noch, laut Aussagen des saudischen Energieministers hat man noch genügend freie Kapazitäten um die Produktion auf bis zu 12,5 Millionen Barrel pro Tag auszuweiten. Ob das in diesem Ausmaß auch wirklich der Fall ist (die meisten Ölserviceunternehmen, die auch den saudischen Firmen ihr Equipment liefern, gehen eher davon aus, dass das Land recht knapp an der Obergrenze ist) sei dahingestellt. Es würde jedoch die Theorie der Ölbullen – die höhere Nachfrage bei gleichzeitiger Reduktion der Fördermenge in den USA könnte bereits 2017 zu einem Öl-Mangel führen – im Keim ersticken.
Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen, denn wir nähern uns mit schnellen Schritten der USD40/bbl Grenze, bei der nur mehr die produktivsten Schiefergasfelder zu guten Konditionen produzieren können, eine Tatsache die wiederum einen Boden unter den Preis des schwarzen Golds einziehen könnte. Vielleicht tauchen ja wieder die üblichen Gerüchte über eine Kürzung der Fördermenge auf, die seltsamerweise immer ungefähr bei diesem Preisniveau durch die Medien geistern. Möglicherweise wird uns dieser recht volatile Seitwärtsmarkt noch länger begleiten als so manche Kommentatoren derzeit annehmen…
Eine interessante Bewegung gab es diese Woche auch auf der Aktienseite. Möglicherweise ausgelöst durch die Rede von Fed-Chefin Yellen letzten Freitag, bei der sie die Robustheit der US-Wirtschaft betonte, begannen die US-Investoren langsam eine Zinserhöhung einzupreisen. Wie im Hedgefonds-Lehrbuch beschrieben profitierten vor allem Banken und Versicherungen, während Versorger und Pharmaunternehmen zu den Verlierern gehörten. Ersteres ist recht leicht nachzuvollziehen: Banken können die Zinsen auf Kredite anheben, wodurch die Zinsspanne steigt (oder wer von Ihnen kann sich noch daran erinnern, dass Banken die Zinsen für Einlagen angehoben haben?) während Versicherer theoretisch mehr Geld aus ihren Veranlagungen lukrieren können (jeder, der in einer Versicherung arbeitet weiß jedoch, dass diese Effekte gerade in der Lebensversicherung deutlich länger dauern, als man allgemein annehmen würde!).
Die Schwäche der „defensiven“ Sektoren lässt sich auch recht leicht erklären, wenn man eine Tatsache im Hinterkopf behält: Ohne größere Geldzuflüsse ist der Aktienmarkt ein Nullsummenspiel. Will man als großer Investor Geld in eine attraktive weil steigende Branche stecken, muss man oftmals Unternehmen aus einer anderen Branche verkaufen. Dafür gibt es nun mehrere Kandidaten: Aktien die gut gelaufen sind (ja auch Profis trennen sich leichter von ihren Gewinnern, auch wenn das üblicherweise als der „große Fehler aller Amateure“ gilt) und natürlich Unternehmen, die im neuen Umfeld weniger attraktiv sind. Hierunter fallen vor allem Firmen, die immer recht stabiles Wachstum haben, unabhängig vom Umfeld wie eben Pharmafirmen, Nahrungsmittelhersteller und eben auch die Versorger (zumindest in den USA, wo oftmals staatlich fixierte Einspeisetarife gelten; jeder E.ON oder RWE-Aktionär weiß, dass die Situation in Europa etwas anders ist).
Ein zusätzlicher Faktor kommt hier noch ins Spiel: Bei einer Verzinsung von knapp 1,5 % auf „sichere“ Staatsanleihen erscheint eine Dividendenrendite von 2,5-3,0 %, wie von vielen Versorgern angeboten, recht attraktiv um zusätzliches Einkommen zu generieren. Steigt die Verzinsung der Staatsanleihen jedoch, verschiebt sich das Gleichgewicht immer stärker hin zur sicheren Alternative. In der Praxis ist die Sache natürlich nicht so einfach: Neben der Abschätzung, um wieviel risikoreicher die Dividendenrendite denn eigentlich ist (ab wann man also wechseln sollte), spielen auch regulatorische Themen in der Regel eine gewichtige Rolle (und bevorzugen hier in vielen Fällen das Anleihen-Investment, ansonsten würden die Aktienmärkte vor allem in Europa wahrscheinlich ganz anders aussehen!).
Dementsprechend darf man nicht den Fehler machen, diese als eine entweder/oder Entscheidung zu interpretieren. Vielmehr handelt es sich dabei um mehr oder weniger subtile Tendenzen, die dann als Sektor-Rotationen an den Märkten zu Tage treten. Vor allem der heimische Markt profitiert davon, immerhin ist der Anteil an Finanztiteln im ATX besonders hoch. Auch wenn man die gute Entwicklung der letzten Woche(n) gerne daran festmachen möchte, dass die RBI Fortschritte beim Verkauf ihres Polengeschäfts macht oder daran, dass die UNIQA-Aktie einfach zu billig geworden ist, die Tatsache, dass sich auch die Erste und die VIG trotz gemischten operativen Ergebnissen ähnlich entwickeln konnten, deutet eher auf andere Gründe hin. Wie lange diese Rotation weitergehen kann ist schwierig zu sagen, immerhin dauerte die letzte Bewegung in die Gegenrichtung auch deutlich länger, als viele Investoren vermutet hätten und prügelte die Banken auf immer neue Rekordtiefs. Wie bei all diesen Bewegungen sollte man sich fragen: Hat es fundamental Änderungen gegeben oder sehen wir hier einfach eine Reaktion darauf, dass die Kurse „zu weit gefallen“ sind? Während die Antwort in den USA nach langer Durststrecke durchaus ja sein könnte, sieht das Bild in Europa deutlich diffuser aus…