Das Leben hat manchmal schon einen komischen Sinn für Ironie: Just in der Woche, in der US-Präsident Obama in seiner letzten Rede an die Nation den „Kampf gegen den Krebs“ ausruft, sterben mit David Bowie und Alan Rickman (legendär als Bösewicht Hans Gruber in „Stirb langsam“) zwei respektierte Künstler an der Krankheit. Dem Kampf gegen dieses schreckliche Leiden haben sich in den letzten Jahren vor allem kleine, innovative Biotechnologiefirmen, hauptsächlich aus dem anglikanischen Raum, verschrieben. Nach jahrelanger Forschung wird die alte Standardbehandlung (Chemotherapie), die einer Planierung des kompletten Immunsystems gleichkommt, schrittweise von gezielteren Ansätzen verdrängt.
An der Börse entwickelte sich daraufhin eine Euphorie für alles, was nach Krebstherapie oder anderen gezielten Behandlungen klang. Biotech-Aktien gehörten im letzten Jahr neben den Technologiewerten zu den vielversprechendsten Titeln: In einer Welt, in der Wachstum aufgrund von strukturellen Problemen (alternde Bevölkerung, Überproduktion von Rohstoffen, hohe Verschuldung,…) rar war, zog es die Investoren zu diesen Firmen. Immerhin hängt deren Wachstum von Innovation und Forschung ab, nicht vom weltweiten BIP. In weiterer Folge übernahmen diese Aktien eine Führungsrolle: Gingen die Biotech- und Technologiewerte nach oben, folgten die großen Indizes zumeist in Kürze.
Dieses Konzept lässt sich immer wieder beobachten: Einige Industrien oder Sektoren (manchmal sogar auch nur einige wenige Aktien) diktieren die großen Marktbewegungen. Aus der Zusammensetzung dieser Anführer lassen sich sogar Rückschlüsse auf die „Gesundheit“ des Marktes ziehen: Handelt es sich um zyklische Werte wie Autos, Industrieunternehmen und Banken, sehen die Investoren optimistischer in die Zukunft und erwarten ein höheres Wirtschaftswachstum. Handelt es sich jedoch um Werte wie Pharmaunternehmen, Versorger etc. ist Vorsicht geboten, der Anstieg könnte auf eine Eintrübung der Konjunktur hindeuten.
Diese Art der „technischen“ Analyse, die aufgrund von Marktbewegungen auf die Absichten der Investoren schließen will, hat jedoch auch ihre Probleme: Die „Leader“ ändern sich immer wieder und manchmal gibt es auch gar keine Anführer, der gesamte Markt bewegt sich aufgrund von Futures, ETFs und anderen Konstruktionen gleichförmig in eine Richtung. In letzterer Situation befinden wir uns leider gerade: -8,8 % stehen im DAX seit Jahresbeginn zu Buche, im heimischen ATX sind es sogar -9,5 %. In beiden Indizes findet sich aktuell keine Firma, die über ihrem Kurs zum Jahresultimo steht.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen wurden die alten Leader Biotech und Technologie zu Mitläufern herabgestuft. Erstere unter anderem aufgrund von Preisobergrenzen für neuartige Medikamente, über die im US-Wahlkampf heftig diskutiert wird. Letztere aufgrund des Gefühls, dass der Markt für Smartphones, einem der wichtigsten Wachstumstreiber der Branche, mittlerweile gesättigt sei. Dazu kamen noch schlechte Wirtschaftsdaten aus China, der weitere Verfall sämtlicher Rohstoffpreise sowie Spekulationen um weitere Zinserhöhungen seitens der US-Notenbank und schon wurden praktisch die gesamten Zugewinne des letzten Jahres an den europäischen Märkten innerhalb von zwei Wochen ausradiert. So weit so schlecht.
Die wichtige Frage ist jedoch: Wie wird es weitergehen? Die Vorzeichen für den US-Markt sind, wie bereits im letzten Jahr mehrmals erörtert, weiterhin gemischt. Vieles hängt hier von zwei unkontrollierbaren Faktoren ab: China und der Fed. Das Land in der Mitte dient vielen Unternehmen als hoffnungsvoller Wachstumsmarkt, kämpft jedoch im Moment mit dem Wandel von einer exportorientierten „Weltmanufaktur“ zu einer konsumbasierten „westlichen“ Ökonomie. Ohne weitere Stimulusprogramme wird dieser Schritt wohl nur schwer zu bewältigen sein. Die Chancen dafür sind jedoch durchaus realistisch, immerhin ist die Incentivierung von Politikern in China anders als bei uns. Auf sie wartet nach einer gescheiterten Politikkarriere keine Position als Aufsichtsrat eines Unternehmens oder Großgrundbesitzer, sondern eher eine dunkle Gefängniszelle oder Schlimmeres…
Das zweite Fragezeichen, die US-Notenbank, scheint im Moment etwas problematischer zu sein. Hier geht man in den jüngsten Aussagen weg von der bedächtigen, auf Wirtschaftsdaten basierenden Politik der letzten Jahre, einige Fed-Mitglieder versteifen sich auf vier Zinserhöhungen pro Jahr, immerhin geht es dem Arbeitsmarkt ja schon recht gut…
Ganz so schlimm, wie die Situation bei einem Blick auf die aktuellen Aktienkurse aussieht, dürfte sie jedoch nicht sein. Einerseits gab es auch im letzten Jahr immer wieder Zweifel an der Politik der Fed, nach einigem Hin und Her konnten sich die Investoren jedoch eigentlich immer darauf verlassen, dass die US-Notenbank für positive Überraschungen sorgte. Andererseits haben wir in Europa ja noch den Vorteil einer Notenbank, die weiterhin eine lockere Geldpolitik propagiert und „auf der Seite der Investoren“ zu sein scheint, auch wenn die EZB angesichts der Verwerfungen in China und an den Rohstoffmärkten in letzter Zeit erstaunlich still war…
Neben diesem Notenbankenfaktor sprechen jedoch auch bessere Wachstumsaussichten sowie deutlich günstigere Bewertungen für europäische Aktien. In dieser emotional geladenen Stimmung spielen Bewertungen jedoch kaum eine Rolle, zumindest so lange bis sie es doch tun. Ein langfristig orientierter Anleger kann sich aufgrund dieser Bewegungen nur wundern: Wieso reagiert die Immofinanz-Aktie noch immer auf schlechte Meldungen aus Russland, wenn beim derzeitigen Kurs bereits ein Abschlag auf den NAV OHNE das gesamte Russlandportfolio von über 30 % vorhanden ist? Ja, sie haben richtig gelesen: Bewertet man das gesamte Russlandportfolio der Immofinanz (immerhin fast € 1,4 Mrd. mit Mieterlösen von € 127 Mio. im abgelaufenen Geschäftsjahr) mit € 0 würde man das Restportfolio in Österreich, Rumänien, Deutschland etc. an der Börse noch immer 30 % unter dem aktuellen Buchwert kaufen können. Daneben gibt es nach den jüngsten Umschichtungen in der Firma die Chance auf attraktive Dividendenzahlungen, auch nicht schlecht in einem Niedrigzinsumfeld wie diesem…
Bis die Vernunft an die Börsen zurückkehrt oder wir uns durch eigene Initiativen selbst aus dem Schlamassel ziehen, werden wir jedoch weiterhin ein Beiwagerl der internationalen Märkte bleiben, seien es nun China oder die USA. Ein wichtiges Signal für einen Stimmungswandel könnte die Wiederauferstehung von Leadern sein, im Idealfall die Banken und Zykliker. Bis es so weit ist dürfte das Motto jedoch weiterhin lauten: “Under Pressure“.