Die abgelaufene Handelswoche verlief durchaus freundlich: Die wichtigsten Indizes in Amerika konnten neue Allzeithochs erklimmen und auch in den meisten europäischen Märkten steht ein schönes Plus zu Buche. Besonders gut entwickeln konnte sich der ATX mit einem Plus von 1,7 % im Wochenverlauf, angetrieben von einer nach den Zahlen letzte Woche weiterhin starken RBI und den Immobilientiteln, die nach guten Quartalsergebnissen gesucht wurden.

Letztere waren auch für einen guten Teil der Nachrichten diese Woche verantwortlich. Sowohl conwert als auch CA Immo konnten mit ihren Ergebnissen überzeugen: Starke Mieterlöse, eine erfreuliche Entwicklung des Portfoliowerts und ein weiterhin optimistischer Ausblick. Bei beiden Unternehmen zeigte sich jedoch: Das Interesse der Investoren ist derzeit eher enden wollend. Die meisten Conference Calls, die die Firmen im Anschluss der Zahlenveröffentlichung für Analysten und Investoren abhalten, laufen nach demselben Schema ab: eine (mehr oder weniger) kurze Präsentation des Zahlenmaterials und dann geht es in den Q&A-Teil. Diese „Managementfragestunde“ ist oftmals das Kernstück, hierbei wird oftmals von Analystenseite nachgebohrt, wenn es Unklarheiten gibt, oder versucht einen tieferen Einblick in die Zahlen zu bekommen, als es die zumeist sehr generisch formulierten Geschäftsberichte zulassen („Wir rechnen damit, dass das nächste Jahr von Herausforderungen geprägt sein wird, denen wir jedoch entgegentreten wollen“).

Bei conwert kam es dabei diese Woche zu einem Novum (zumindest, was die letzten paar hundert Conference Calls betrifft, bei denen wir dabei waren): Es gab keine einzige Frage. Natürlich könnte man dies auf die guten Managementerklärungen (J) oder die Übernahme durch Vonovia zurückführen („der Drops ist gelutscht“, wie unsere deutschen Freunde sagen würden). Aber auch bei anderen Conference Calls diese Woche hielt sich das Investoreninteresse eher in Grenzen, sogar bei der oftmals heiß diskutierten UNIQA war die Fragestunde nach ca. 20 Minuten vorbei.

Wir sprechen hier zwar durchgehend von „Nebenwerten“, das fehlende Investoreninteresse erstreckt sich jedoch derzeit auf weite Teile des Marktes. Ein möglicher Indikator ist das Handelsvolumen, das praktisch jeden Tag deutlich unterdurchschnittlich ausfiel (als positive Ausnahme kann hier die RBI genannt werden, wo der Optimismus nach den Quartalszahlen letzte Woche zurückgekehrt sein dürfte). Ein möglicher Faktor hierfür könnte natürlich die verkürzte Handelswoche in den USA sein, das Land verfällt ja gerade in seinen alljährlichen Fress- und Shoppingrausch (ironischerweise Thanksgiving genannt).

Daneben mangelt es jedoch auch an wirklich marktbewegenden Neuigkeiten. Einzig der Ölpreis konnte aufgrund von Spekulationen um Outputkürzungen wieder zulegen (am Dienstag wurde verlautbart, dass im Laufe des Tages die OPEC-Förderquoten festgelegt werden sollen; wir warten bis heute darauf…). Viele Investoren scheinen mit ihren Zukäufen hier jedoch noch abzuwarten, angesichts des wichtigen OPEC-Meetings nächste Woche kann man ihnen hier auch keinen Vorwurf machen. Der Bankensektor, der die jüngste Rally angeführt hat, tritt in Europa im Moment auf der Stelle. Unser „Indikator“ - die Renditen auf Staatsanleihen - haben ihre Rally in Europa vorerst gestoppt. Auch hier wird die nächste Woche möglicherweise richtungsweisend: In Italien steht ein Verfassungsreferendum an, dessen Ausgang laut Umfragen stark auf der Kippe steht (was aber bekanntlich nicht viel bedeutet…).

Vor allem im englischsprachigen Raum wird dies als „Referendum über den Euro“ ausgelegt, da es bei einem negativen Ausgang zu Neuwahlen und einem Machtwechsel hin zu eher populistisch angehauchten Parteien führen könnte. In diesem Fall können wir wohl damit rechnen, dass die ersten „Ixit“-Propheten aus ihrem mehrjährigen Winterschlaf erwachen. In der Realität sieht das Ganze natürlich etwas anders aus, gerade Italien und sein Bankensektor profitierte stark von der europäischen Integration, insofern wäre ein Austritt wohl deutlich mehr als nur ein Schuss ins Knie wie bei den Briten. Kurzfristig könnten jedoch vor allem die Banken negativ auf das Referendum reagieren, bereits seit einigen Wochen gehört der italienische Bankensektor zu den schwächsten in Europa.

Auf der anderen Seite würde ein positiver Ausgang hier möglicherweise den „Deckel“ entfernen, die Unicredits dieser Welt könnten auch ihren Platz an der (Winter-)Sonne einnehmen und die Rally, die ihre europäischen Kollegen in den letzten Wochen hinlegten, nachholen. Letzteres wäre auch ein wichtiges Zeichen für das sooft bemühte „Sentiment“ und wohl der letzte Puzzlestein für die oftmals herbeidiskutierte Jahresendrally. Spannend wird es wohl auch für die RBI: Die lange ersehnte Entscheidung über den Verkauf der Polbank soll ja auch noch im November fallen. Die nächste Woche wird auf jeden Fall ausreichend Gesprächsstoff bieten, kein Grund also in einen frühen Winterschlaf zu verfallen. Vielleicht werden wir zu Abwechslung ja mal positiv überrascht?

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