Puzzlebauen #finanzen

Die letzten Wochen waren eine Freude für Anleger: positive Stimmung, steigende Kurse, und wenn es schlechte Nachrichten gab, wurden diese Großteils ignoriert. Die guten Meldungen hingegen führten zu Kurssprüngen. Diese Woche jedoch war etwas anders, die rosarote Brille wurde erst mal zur Seite gelegt. Was hat sich geändert? Schwierig zu sagen, es gab kein einzelnes Ereignis, an dem man dies festmachen könnte. In dieser Situation gleicht die Suche nach Ursachen einem Puzzle, das man aus verschiedenen Steinen zusammensetzen muss. Zugegeben, dieses Puzzle hat glücklicherweise nur 4 große Bausteine (bzw. fünf in Österreich) und nicht 1000 (ansonsten würde das weekly diesmal wohl etwas länger werden…)Baustein Nummer eins waren wiedermal die Griechen. Zur Wochenmitte machten Meldungen die Runde, dass unseren südeuropäischen Freunden im April wieder das Geld ausgehen soll, wenn sie keine weiteren Hilfen bekommen. Nachdem beim letzten Mal bereits die Banken mit kurzfristigen Anleihen vollgestopft wurden (die Finanzinstitute holen sich Geld über die Notenbank und kaufen damit kurzfristige Staatsanleihen, eine Praxis der die EZB den Riegel vorgeschoben hat) und die Pensionsfonds geplündert wurden, wollen die Griechen diesmal Geld aus dem europäischen Rettungsschirm, das von diversen Hilfsaktionen „übrig“ geblieben ist. Ohne konkrete Einsparungsprogramme wollen die EU-Staaten, allen voran Deutschland, die Zahlungen jedoch nicht freigeben. Gerade in anglo-amerikanischen Medien wurde deswegen das Treffen zwischen Tsipras und Merkel diese Woche zum „Showdown“ hochstilisiert. Das alleine wäre jedoch kaum schlimm gewesen, immerhin war bereits bei der letzten Zusage an die Griechen klar, dass es im April wieder knapp werden könnte…Puzzlestein zwei war die Auseinandersetzung im Jemen. Die dortige Regierungskrise (OMV-Investoren bestens bekannt, da das Unternehmen bereits seit Monaten mit Förderausfällen kämpft) war diese Woche eskaliert, worauf der Ölpreis anzog. Das Problem an sich dürfte hier jedoch nicht die Fördermenge des Jemen selbst sein (0,2 % der Weltproduktion, weniger als bspw. Dänemark), sondern die gute strategische Lage im Golf von Aden, der Meerenge die Afrika und den Nahen Osten trennt und über die große Teile des Handels mit dem schwarzen Gold abgewickelt werden.

Puzzlestein Nummer 3 dürfte wohl die Tragödie in Südfrankreich gewesen sein. Auch wenn angesichts dieser Katastrophe der Gedanke an Aktien etwas pietätlos erscheint, dürfte die Angst vor einem weiteren Terroranschlag zumindest kurzfristig für Anspannung gesorgt haben.Der letzte Tropfen, der das Fass dann zum Überlaufen brachte, waren schlechtere Wirtschaftsdaten aus den USA. Während diese in den letzten Wochen Großteils ignoriert wurden (die Ratio war hier der besonders harte Winter in den USA, der die Konjunktur „abkühlte“), dürften sich einige Investoren in dieser etwas angespannten Stimmung für den Verkauf entschieden haben. Dementsprechend war vor allem die zweite Wochenhälfte eher von fallenden Kursen geprägt. Unterm Strich gab der amerikanische S&P 500 um 1,6 % nach, während sich der DAX mit -0,5 % vergleichsweise gut hielt. Der heimische ATX war diesmal mit -1,1 % auch eher auf der schwachen Seite.Hier kam jedoch Puzzlestein Nummer 5 dazu: relativ maue Unternehmensmeldungen. Wenig überzeugen konnte beispielsweise die RBI, die ihre endgültigen Zahlen für 2014 präsentierte. Das Problem wäre jedoch nicht der erste Verlust in der Börsengeschichte der Bank gewesen (das war schon bekanntgegeben worden), sondern eher der verhaltene Ausblick und die Warnung, dass auch 2015 aufgrund von Restrukturierungskosten negativ ausfallen könnte.In dieselbe Kategorie der wenig erbaulichen Nachrichten fallen derzeit die meisten Meldungen der heimischen Immobilienunternehmen. Das Problem liegt hierbei jedoch nicht auf der operativen Seite, da läuft es bei den meisten eigentlich recht gut. Die eigentlichen Kurstreiber bei den Immobilienwerten sind dieser Tage die Übernahmeangebote, die es aktuell den Schwalben nachahmen und äußerst tief fliegen. Vor allem zwischen CA Immo und Immofinanz wird derzeit scharf geschossen und einige Investoren dürften wohl Angst haben zwischen die Fronten zu kommen. Und auch bei der conwert dürfte einige Euphorie verflogen sein, nachdem der Angebotsteller Deutsche Wohnen bei der Veröffentlichung der Zahlen diese Woche nochmals betonte das Übernahmeangebot nicht verbessern zu wollen…In Zeiten wie diesen, in denen einige schlechte Nachrichten zusammenkommen, muss man jedoch manchmal einen Schritt zurückgehen und sich das große Ganze ansehen. Trotz der Rückgänge diese Woche sind die europäischen Börsen noch deutlich im Plus: Der ATX konnte seit Jahresbeginn um 14,9 % zulegen, der DAX sogar um 20,8 %. In einer Korrektur (einer der schönsten Börse-Euphemismen für einen schmerzhaften Kursrückgang) muss man sich daher die Frage stellen: Hat es bei den für mich interessanten Firmen in der letzten Zeit eine fundamentale Änderung gegeben? Wenn nicht sind solche Abverkäufe auf breiter Basis nämlich oftmals gute Gelegenheiten für die Schnäppchenjagd…

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Bernhard Juranek

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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