Die meisten von uns verbinden die Sommerzeit mit Hitze, Baden und Urlaub (oder mit Öffis, in denen man sich am liebsten in die Bundesheerzeit zurückversetzen würde, Stichwort ABC-Anzug). Auch wenn man es manchmal nicht glauben kann: Auch Börsianer sind nur Menschen. Dementsprechend folgen auch sie dem Ruf von Sonne, Strand und Meer. Die Auswirkungen sind jedes Jahr dieselben: Geringeres Handelsvolumen, große Ausschläge auch bei nur minder relevanten Meldungen und teilweise Bewegungen, die nicht wirklich Sinn ergeben.
Natürlich könnte man einwenden, dass der Markt mittlerweile von Maschinen dominiert wird, deren Vorteil unter anderem ist, dass sie keinen Urlaub brauchen (und selten eine Gehaltserhöhung verlangen). Das Ganze hat nur einen Haken: Viele algorithmische Handelsstrategien basieren darauf, die Reaktion der anderen Marktteilnehmer auszunutzen bzw. zu antizipieren. Wenn sich diese aber gerade am Strand von Mykonos befinden, gibt es recht wenig zu antizipieren…
Was übrig bleibt sind oftmals Handelssysteme, die auf Nachrichten reagieren. Ein schönes Beispiel war diese Woche die Meldung der RHI, dass sie die Genehmigung der EU für ihren Zusammenschluss mit der brasilianischen Magnesita erhalten hat. Grundsätzlich keine große Überraschung, auch die Auflagen sind im Rahmen der Erwartungen. In einem „normalen“ Markt würde die Aktie zwar anfangs steigen (immerhin ist die Meldung ja grundsätzlich positiv). Dann würden jedoch wahrscheinlich einige Marktteilnehmer, die die Aktie bereits im Vorfeld gekauft haben um von der guten Nachricht zu profitieren, beginnen ihre Gewinne mitzunehmen. Immerhin ist die Meldung, auf die sie gewartet haben draußen, ganz nach dem Motto „Buy the rumour, sell the news“. Wenn diese Verkäufer ausbleiben, bremst nichts den Anstieg der Aktie, ein Plus von knapp 6% innerhalb eines Tages war das Resultat. Wer sich jetzt denkt: „naja, ist ja halb so schlimm“ sollte sich die spiegelbildliche Situation vor Augen führen, in der eine „seiner“ Aktien von einer negativen Meldung heimgesucht wird…
Genauso, wie gewisse Nachrichten aufgeblasen werden, werden auch gewisse Umstände aus dem Börsenumfeld in alle Einzelteile zerpflückt. Hier bietet sich das Thema „IPOs und Börsengänge“ an. In beinahe jedem Wirtschaftsmedium machten Artikel die Runde, die das Rekordvolumen an IPOs aufgriffen. Das weltweite Volumen an Börsengängen lag im ersten Halbjahr auf dem höchsten Niveau seit 10 Jahren. So weit so Angst einflößend, denn wir alle wissen, was vor 10 Jahren passiert ist, und die nicht ganz unterschwellige Botschaft ist: „Schnell alles verkaufen, genauso wie es die Firmen tun, bevor es zu spät ist“.
Mit solchen Vergleichen kann man zwar vielleicht Zeitungen verkaufen, viel Geld wird man damit allerdings nicht verdienen. Die Grundidee hört sich ja logisch an: Die Firmen verkaufen möglichst viele Aktien, solange die Kurse noch gut sind. Damit unterstellen wir den Unternehmen jedoch, den Markt gut timen zu können. Unzählige Studien belegen aber, dass ein Großteil der Firmen notirisch schlecht dabei ist, die eigene Aktienentwicklung einzuschätzen. Vor fast jedem größeren Marktrückgang steigen die Aktienrückkäufe an, während sie bei einem Boden tendenziell niedrig sind. Nicht gerade das Verhalten eines erfolgreichen Investors…
Das zweite Argument, welches oft aufgegriffen wird, ist da schon etwas komplizierter. Demnach führen neu ausgegebene Aktien zu einem höheren Angebot. Ein höheres Angebot bedeutet dementsprechend niedrigere Preise. Das stimmt so aber leider nicht ganz. Stellen sie sich vor, sie laufen mit einem Bekannten um die Wette. Hinter einer Ecke hat der Bekannte ein Fahrrad versteckt und sollte daher das Rennen gewinnen, oder? Nicht, wenn Sie hinter der nächsten Ecke ein Motorrad haben!
Lassen wir mal die moralischen Implikationen weg (immerhin hat der Freund ja als erstes geschummelt!), so zeigt diese kleine Anekdote, dass es immer zwei Seiten der Medaille gibt. An der Börse ist dies die Nachfrage nach Aktien, die oftmals durch Geldflüsse gesteuert wird. In der Tat konnten diese ebenfalls deutlich zulegen. Das erklärt, wie der Aktienmarkt knapp €44Mrd. an neuen Bankaktien allein im ersten Halbjahr aufnehmen konnte und der Bankensektor seit Jahresbeginn trotzdem nicht bei den schlechtesten Sektoren verweilt.
Auch wenn uns das viele Marktkommentatoren weismachen wollen: Der Aktienmarkt ist kein Nullsummenspiel! Die ganze Sache sieht natürlich anders aus, wenn die Zuflüsse in den Markt plötzlich abreißen. Wenn dem Motorrad plötzlich das Benzin ausgeht, kann das Fahrrad davonziehen. Zwar kann man dies an der Börse oftmals nur schwer feststellen (sie fahren sozusagen ohne Tankanzeige, was KEINE Empfehlung für das Verhalten im normalen Straßenverkehr ist), ein gutes Anzeichen ist jedoch die erste Reaktion auf neue IPOs. Solange ein Großteil der Firmen „schwimmt“ d.h. nach dem Börsengang einige gute Handelstage erlebt, ist alles gut. Sobald die neuen Unternehmen anfangen unterzugehen und gleich in der ersten Handelswoche zu den großen Verlierern gehören, ist dies ein Zeichen, dass man schön langsam vorsichtiger werden sollte.
Gerne nutzen einige Banken das gute Marktumfeld aus, um Unternehmen an die Börse zu bringen, die nichts dort verloren hätten (oder zumindest nicht zum angebotenen Preis). Sobald die Aktien dann an die Börse kommen, wollen die Investoren nur raus, denn eigentlich haben sie beim Börsengang nur mitgemacht, um vielleicht bei einem interessanteren Deal einen größeren Anteil zu bekommen, ganz nach dem Motto:“ Eine Hand wäscht die andere“. Spätestens dann wird es Zeit, sich auch selbst in Richtung Strand zu begeben und die Börse mal Börse sein zu lassen…