Auf den ersten Blick war es eigentlich eine wenig ereignisreiche Woche: Der ATX und die US-Börsen gaben leicht nach, der DAX konnte im Vergleich zur Vorwoche knapp 0,7 % zulegen - nichts, was man nicht auch innerhalb eines Tages hätte erledigen können. Unter dieser recht ruhigen Oberfläche tut sich jedoch einiges. Nach dem starken Anstieg der letzten Wochen befinden sich die Aktienmärkte nun schon seit einiger Zeit in einer Seitwärtsphase. Es macht beinahe den Anschein, als ob hier zwei unterschiedliche Strömungen aufeinandertreffen, ähnlich der berühmten Einmündung des Rio Negro in den Amazonas. Das schwarze Wasser des Rio Negro kann angeblich noch 30 km nach der Mündung vom bräunlichen Amazonaswasser unterschieden werden und auch bei den „Börsenströmungen“ sieht man recht gut, welche Aktien davon stärker betroffen sind.
Es handelt sich bei diesem Phänomen um den Kampf „Händler vs. Investoren“, „kurzfristig vs. langfristig“ oder auch „Momentum vs. Fundamentaldaten“. In den letzten Wochen erlebten wir nach einiger Abstinenz die Rückkehr der Momentum-Händler. Aktien, Rohstoffe und andere „Risikoassets“ wurden gekauft, in der Hoffnung auf bessere Zeiten unter Präsident Trump und stärkerem Wirtschaftswachstum. Wie bereits letzte Woche beschrieben dürfte dieses Momentum jedoch schön langsam auslaufen. Ohne größere Geldzuflüsse geht einer stark Sentiment-getriebenen Rally früher oder später der „Sprit“ aus. Gewinnmitnahmen setzen ein (was man nach Zugewinnen von 30-40 % in einigen Titeln auch durchaus verstehen kann), diese Gruppe wird also tendenziell von Käufern zu Verkäufern.
Unter „normalen“ Umständen würden wir eine kleinere Korrektur von ca. 5-10 % im Gesamtmarkt sehen mit teilweise größeren Abschlägen in den „heißesten“ Aktien der letzten Wochen (Banken und Zykliker). Wie wir alle wissen, ist jedoch derzeit nicht wirklich viel normal. Mit dem Beginn der US-Berichtsaison hat eine zweite Gruppe die „Spielwiese“ betreten: die fundamentalen Investoren. Diese zwei Gruppen haben üblicherweise eine sehr gegensätzliche Herangehensweise: Während sich die „Trader“ eher mit Sentiment, Charts und den Positionen der anderen Investoren beschäftigen, setzen die längerfristigen Investoren auf die Unternehmensergebnisse und einen Branchenausblick. Kurz gesagt: Die einen suchen Unternehmen die steigen (egal wieso), die anderen suchen Unternehmen, deren Ausblick sich in den nächsten Wochen/Monaten verbessert und die deswegen mehr Geld verdienen.
Vor allem bei den großen US-Banken waren diese Gegensätze diese Woche recht deutlich zu sehen. Wie bereits letzte Woche angedeutet konnten die Firmen durchwegs gute Ergebnisse berichten, die Aktien traten jedoch auf der Stelle oder gaben sogar leicht nach. Fundamental läuft es bei den Banken hervorragend: Durch Fusionen im Nachklang der Finanzkrise wurde der Wettbewerb verringert (übrigens einer der Hauptunterschiede zwischen Europa und den USA!), steigende Zinsen und eine stärkeres Kreditwachstum durch eine bessere Wirtschaft sollten die Gewinne in den nächsten Jahren steigen lassen. Gleichzeitig gehörten die Banken jedoch zu den Hauptgewinnern der letzten Wochen. Beinahe jeder „Ausblick für 2017“ enthielt den Bankensektor als Top-Empfehlung, die Analysten hoben ihre Schätzungen deutlich an. Damit wurde jedoch auch die Latte für den Sektor deutlich nach oben gelegt, sodass diejenigen Trader, die auf fantastische anstatt „bloß“ guter Quartalsergebnisse gesetzt hatten, enttäuscht wurden.
Auch am heimischen Markt zeigt sich ein ähnliches Bild. Hier wurde der Ölfeldausrüster SBO nach vorläufigen 2016-Zahlen, die vollkommen im Rahmen der Erwartungen lagen, verkauft. Wie lange diese Pattsituation andauert ist schwer zu sagen, vielleicht sehen wir auch in den nächsten Wochen noch die eine oder andere „normale“ Korrektur. Ein guter Indikator dürften jedoch weiterhin die Bankenwerte sein. Sobald diese Firmen ihren Marsch nach oben fortsetzen, können wir davon ausgehen, dass sich die Gewinnmitnahmen ihrem Ende zuneigen. Vielleicht steigen dann einige „Trader“ ja auch wieder auf den Zug auf und Treiben die Kurse weiter nach oben („Sentiment“ kann ja bekannter Weise recht rasch drehen).
Mit einem etwas längeren Anlagehorizont kann man dieses „Hick-Hack“ wohl eher aussitzen und warten, ob sich vielleicht die eine oder andere Möglichkeit ergibt, eine „Lieblingsaktie“ mit einem schönen Abschlag zu kaufen, weil mal wieder jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden ist…