Sogar die größten Börsenfreaks haben sich auf dieses Wochenende gefreut – denn dann konnten die Märkte wenigsten zwei Tage hintereinander nicht fallen (zumindest in unseren Breiten, unter anderem im arabischen Raum wird selbst dann gehandelt). -2,2 % stehen diese Woche im DAX am Kurszettel, den heimischen Markt hat es mit -4,1 % sogar noch stärker erwischt. Die Bären haben den Markt fest im Griff, jeder Versuch einer Gegenbewegung nach oben wurde erfolgreich abgewehrt. Zumindest bis jetzt…
Langsam lassen sich jedoch Zeichen ausmachen, dass die Bärenfestung erste Risse bekommt. Die Charttechnik-Auguren deuten auf wichtige Unterstützungen, Niveaus bei denen Käufer wieder zurückkehren sollten, die erfolgreich getestet wurden. Um das für Normalsterbliche zu übersetzen: man zieht eine horizontale Linie von wichtigen Tiefpunkten in der Vergangenheit und hofft, dass sich die ersten Käufer vorwagen, wenn die Kurse diese Linie nicht unterschreiten. Diese magische Grenze liegt im DAX aktuell bei ca. 9.300, im amerikanischen S&P 500 bei 1.830 Punkten. Was auch immer man von dieser Teesudleserei halten mag, genügend Marktteilnehmer schenken ihr Glauben, sodass es durchaus immer wieder zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung kommen kann.
Ein weiteres positives Zeichen könnte die Entwicklung im Ölpreis sein. Nach der Rückkehr des Iran an die internationalen Märkte machten sich Befürchtungen breit, dass sich das aktuelle Überangebot noch verschlimmern könnte, wodurch der Preis des schwarzen Golds auf den tiefsten Stand seit 2003 fiel. Über den Zusammenhang zwischen dem Ölpreisverfall und den niedrigeren Börsenkursen haben wir ja bereits ausführlich berichtet (ebenso wie über die Irrationalität dieser Verbindung). Als am Donnerstag dann noch deutlich höhere Lagerbestände aus den USA gemeldet wurden, hätte man mit einem weiteren Ausverkauf gerechnet. Das Gegenteil war jedoch der Fall, die amerikanische Sorte WTI konnte innerhalb eines Tages um über 6 % zulegen und erklomm wieder die Marke von USD 30 je Barrel. Anscheinend dürfte die Stimmung gegenüber dem wahrscheinlich wichtigsten aller Rohstoffe so mies geworden sein, dass sogar schlechte Nachrichten nicht „schlecht genug“ waren, um weitere Verkäufe anzuregen…
Auch die EZB unter Präsident Draghi regte nicht gerade zu weiteren Verkäufen an, immerhin schloss man weitere Stimulusmaßnahmen nicht aus, sollte die Inflation weiterhin so niedrig bleiben. Ansonsten war es wieder mal ein „Dinner for one“: Same procedure as last year, James. Die Zinsen sollten auch längerfristig niedrig bleiben, wenigstens eine Notenbank liefert noch Munition für den Kampf gegen die Bären.
Ein ganz anderes Tier steift jedoch derzeit durch die oberösterreichischen Wälder: der Unglücksrabe. Der Flugzeugzulieferer FACC hat es wahrlich nicht leicht an der Börse: Ein missglücktes IPO, gefolgt von drei Gewinnwarnungen innerhalb von drei Quartalen wären ja eigentlich schon genug um auch den optimistischsten Investor einzuschüchtern. Gerade als man sich jedoch operativ erholt, als der hohe Auftragsstand von USD 5,2 Mrd. schön langsam in echte Ergebnisse konvertiert wird und man in Oberösterreich beginnt vom süßen Kuchen zu naschen, der sich durch den aktuellen Flugzeugboom ergibt, kommt die nächste Gnackwatschn: Das Unternehmen wird Opfer von Cyberkriminalität! EUR 50 Mio. verschwinden aus der Financial Accounting Abteilung, bei einer Gesamtliquidität von knapp über EUR 76 Mio. und einer Marktkapitalisierung von unter EUR 300 Mio.! Was genau passiert ist kann bzw. darf das Unternehmen aufgrund von laufenden Untersuchungen nicht sagen. Die Aktie verlor dementsprechend über 16 % an einem Handelstag bzw. in etwa EUR 50 Mio. an Marktkapitalisierung. Zwar konnte sich der Börsenkurs seither etwas erholen, mit einem Minus von über 20 % seit Jahresbeginn (!) gehört die Aktie jedoch sogar in diesem Umfeld zu den schlechtesten Werten.
Ein ähnliches Minus weist die UNIQA auf. Anfang der Woche gab das Unternehmen bekannt, in den nächsten Jahren EUR 500 Mio. in IT investieren zu wollen. Das dürfte jedoch nicht wirklich der Grund für den Verfall sein, denn in der Meldung über das Investitionsprogramm fand sich auch ein Verweis auf damit einhergehende Belastungen für das Ergebnis 2016 und die Folgejahre. Diese „versteckte Gewinnwarnung“ kam wohl bei einigen Investoren gar nicht gut an: Die Aktie verlor im Wochenverlauf über 18 % bei hohem Volumen, ein mögliches Zeichen dafür, dass einigen hier der Geduldsfaden gerissen sein könnte.
Die nächste Woche dürfte weiterhin im Zeichen der tierischen Grabenkämpfe stehen. In den USA wird vor allem die Berichtsaison im Fokus liegen, während am heimischen Markt nur AT&S mit Quartalenzahlen vorprescht. Eine mögliche kurzfristige Gegenbewegung würde nicht nur den geschundenen Investoren gefallen, sie eignet sich auch gut um sich das eigene Portfolio nochmals durchzusehen und unliebsame Werte bei besserem Wind „in die Freiheit zu entlassen“…