Die abgelaufene Woche brachte den ersten leichten Rücksetzer seit Längerem: Der heimisch ATX gab um knapp 1% nach, der amerikanische S&P 500 sogar um 1,5%. Hinter der großen „Indexfassade“ verbargen sich jedoch wie sooft verschiedene Trends, die uns möglicherweise Aufschlüsse über die weitere Bewegung geben könnten. Wir haben viel vor uns – um es mit einem seit dieser Woche im Team-Ruhestand befindlichen DFB-Spieler zu sagen – „jetzt müssen wir die Köpfe hochkrämpeln“.
Bleiben wir vorerst mal am heimischen Markt und fangen damit mit dem Positiven an. Die diese Woche berichteten Quartalsergebnisse waren wohl unter den Besten, die wir in dieser Berichtsaison, vielleicht sogar in diesem Jahr, sehen werden. Wenig überraschend konnte Lenzing deutliche Ergebnissteigerungen vermelden, nachdem die Faserpreise sich im Moment von Hoch zu Hoch bewegen. Der Aktienkurs folgt hier ebenfalls und markierte neuerlich ein Rekordhoch.
Dabei konnte man jedoch ein interessantes und sehr „österreichisches“ Phänomen beobachten, das sich in derselben Woche auch bei CA Immo, die ebenfalls hervorragende Ergebnisse lieferte, wiederholte. Dabei reagiert die Aktie praktisch nicht auf die Veröffentlichung der Quartalszahlen. Man könnte hier meinen, dass der starke Anstieg der letzten Monate bereits die gute Entwicklung vorweggenommen hat (CA Immo und vor allem Lenzing gehörten in den letzten Wochen zu den stärksten Aktien im ATX). Am nächsten Tag jedoch kommen die positiven Analystenmeldungen: Kursziele werden erhöht, oftmals wird die Kaufempfehlung beibehalten ganz nach dem Motto: Never change a winning system. Dass dabei in manchen Fällen haarsträubende Annahmen verwendet werden um die Kursziele zu rechtfertigen (ohne da jetzt bestimmte Kollegen hervorstreichen zu wollen) ist grundsätzlich egal, denn seien wir mal ehrlich: Wer schaut sich so etwas überhaupt an? In einem an sich recht ruhigen Markt legen die Aktien daraufhin deutlich zu, sodass die Analysten beinahe automatisch Recht haben. Schön, wenn man sich so seine eigenen Erfolge basteln kann…
Dabei gäbe es eine interessante Möglichkeit zur „Analystenarbitrage“. Vor Veröffentlichung der Zahlen sieht man sich die Analystenschätzungen an. Gute Möglichkeiten gibt es bei Aktien, bei denen die Analysten zwar positiv sind, mit ihren Kurszielen jedoch aufgrund des jüngsten Anstiegs hinter dem aktuellen Kurs sind. Bei positiven Unternehmensergebnissen ist die Wahrscheinlichkeit dementsprechend hoch, dass die Kursziele nach oben schießen werden, denn immerhin verwendet man als Analyst viel Zeit dafür, sich eine positive Story zu einer Aktie zu basteln, die man sich nicht von den Fakten (einem bereits erfolgten Kursanstieg) zu Nichte machen lassen will. Bevor Sie jetzt Ihre gesamte Anlagestrategie über Bord werfen: Das Ganze ist natürlich scherzhaft gemeint, denn wie wir wissen sind die Märkte effizient (manchmal zumindest) und wo eine „Arbitragemöglichkeit“ ist, wird oftmals nur ein Risiko falsch bepreist. In diesem Fall das Risiko, dass die Firma doch schlechtere Zahlen bringt und die Analysten ihre Einschätzung überdenken müssen. Dann würden Sie doppelt leiden, einerseits unter den schlechten Ergebnissen und andererseits unter der Flut an Downgrades und Kurszielreduktionen, die in den darauffolgenden Tagen eintrudeln würden…
Damit wären wir auch schon beim „negativen“ Teil diese Woche und den Gründen für die Rücksetzer an den internationalen Märkten. Viele Marktkommentatoren, vor allem diejenigen, welche die gesamte Rally seit November der US-Wahl und ihren Auswirkungen zuschreiben, nannten die aktuellen Probleme bei der Abschaffung von Obamacare als Grund für die Rückschläge. Diese Denkweise geht folgendermaßen: Die Erneuerung von Obamacare (hin zu Trumpcare, oder wie auch immer man dieses Konstrukt nennen will) war eine der wichtigsten politischen Agenden von Präsident Trump und auch seiner Republikaner. Wenn sie hier keinen Konsensus finden können, stehen die Chancen schlecht, dass sie bei den sensibleren Themen wie Steuerreform und Infrastrukturprogramm zusammenarbeiten. Letztere Bereiche sind bei den oftmals auf ein ausgeglichenes Budget bedachten Republikanern nämlich ungleich schwieriger durchzusetzen, als eine Abschaffung von Obamacare, das der „Grand Old Party“ bereits von Anfang an ein Dorn im Auge war.
Damit wären wir wieder beim Thema „politische Börsen“, die ja bekanntlich kurze Beine haben. Man kann sich gut vorstellen, dass sich die beiden Seiten hier nach einigem Streit bald zusammenraufen könnten, immerhin würde ein Stillstand wohl niemanden weiterbringen und ein Kompromiss wäre die logischste Lösung.
In dieser ganzen Debatte ist jedoch ein Faktor verloren gegangen, der auch „echte“ Auswirkungen auf die Wirtschaft haben könnte. Ein Teil des Anstiegs seit November wurde von den Rohstoffaktien getragen, die von steigenden Preisen im Zuge einer Hoffnung auf besseres Wirtschaftswachstum und damit besserer Nachfrage profitierten. Gerade in der letzten Woche sahen wir jedoch einen deutlichen Rückgang bei den Rohstoffpreisen: Brent Öl durchbrach erstmals seit der OPEC-Einigung wieder die Marke von USD50/bbl, die Preise für Stahl und andere Industriemetalle fielen ebenfalls. Während man den Rückgang eines Rohstoffs wie bspw. Öl an vielen Faktoren festmachen könnte (im konkreten Fall höhere Lagerbestände in den USA, Zweifel am OPEC-Deal etc.), deutet ein breiter Rückgang eher auf eine schwächere Nachfragesituation hin.
Nun kann man natürlich argumentieren, dass es sich dabei bloß um eine Korrektur handelt, immerhin geht es an den Rohstoffmärkten seit Monaten eigentlich recht stetig bergauf. Das trifft jedoch auch auf die Aktienmärkte zu, wo wir den letzten größeren Rücksetzer Anfang November hatten. Vielleicht löst sich auch alles in Wohlgefallen auf: Die Republikaner raufen sich zusammen, die Investoren schöpfen wieder neue Hoffnung und auch die OPEC-Mitglieder verlängern ihre Outputkürzungen und drücken damit die Ölpreise wieder nach oben. Das Umfeld ist jedoch zumindest etwas undurchsichtiger geworden und die Investoren müssen ihre Strategien zumindest überdenken. Hr. Podolski würde sagen: Börse ist wie Schach – nur ohne Würfel.