Rhetorik gehört zum Rüstzeug eines Politikers.
Jedenfalls sollte sie das.
Will man doch sichergehen, dass die Ansprechpartner, die Wähler, alle Menschen verstehen, was man sagen möchte.
Rhetorik ist eine erlernbare Kunst. Zum Teil.
Zum anderen ist sie ein Talent, das manchen verliehen ist. Ein Talent, dass mit der Entwicklung der Persönlichkeit wachsen, aber auch verkümmern kann.
In der Geschichte der Welt gab es seit Anbeginn Menschen, deren Botschaften mittels ihrer Redekunst andere erreicht, be- und verzaubert haben, beeindruckt und überzeugt haben, erzürnt haben, nachdenklich gemacht haben, u.v.a.m.
Auf den Reden von Jesus Christus begründete sich eine Weltreligion.
Die Gedanken aus den Reden der griechischen und römischen Denker und Philosophen, wie zB Sokrates und Cicero, oder von Politikern vom Schlag eines Julius Cäsar haben mittels Zitaten nicht nur Eingang in unsere Sprache und in die Geschichtsbücher gefunden, sondern sind auch bis heute Bausteine unserer Gesellschaft, unseres Rechtsstaates und seiner Rechtssprechung.
Wohin perfides, größenwahnsinniges und manipulatives Gedankengut in Koppelung mit rhetorischen Fähigkeiten & Missbrauch der Sprache führen konnten, zeigt uns die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft mit ihren Anführern der rhetorischen Demagogie, Adolf Hitler und Josef Göbbels.
Rhetorik und Sprache sind also zunächst ein Mittel zur Macht, dann ein Mittel der Macht, später ein Mittel zur Machterhaltung.
Ein probates Mittel niedere oder auch hohe Politik zu machen.
Oder auch Tatsachen in ihr Gegenteil zu verkehren - die Fake News Spreader lassen grüßen.
Aber wer macht aus diesem Mittel der Rhetorik eine Kunst, und wie?
Wer beherrscht nicht nur die Kraft des Wortes, sondern auch die nicht minder starke Kunst einer Botschaft von nicht Gesagtem?
Im österreichischen Parlament sitzen 183 gewählte Volksvertreter, deren Plenarsitzungen und Diskussionen Teil ihrer Aufgabe sind.
Hört & sieht man sich diese im TV anlässlich einer NR Sitzung - wie zB heute mit aktueller Stunde und Fahrplan in der COVID Krise für die nächsten Wochen - an, kann, nein muss man schon den Eindruck bekommen, dass die Talente vom lieben Gott sehr unterschiedliche Verteilung gefunden haben.
Während sich - zumindest heute - vornehmlich die Oppositionsredner einer sehr angriffigen Sprache bedienen, wo der mangelnde Sinn und Gehalt der Rede durch einen roten Kopf - und in Folge der Aufregung - durch eine sich übeschlagende Stimme zu kompensieren versucht wird, steht einer da und bleibt völlig gelassen:
Der Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Stellt sich hin, spricht unaufgeregt und mit klarer, fester Stimme. Zunächst mit einem ersten Statement.
In Beantwortung der Oppositions Vorhalte aus der aktuellen Stunde läuft er sich sodann richtig warm:
von seinen politischen Gegnern, vielleicht auch auf Grund seiner Jugend, bereits als hochmütig und ketzerisch empfunden, und weil die einfache, klare Botschaft vielen schon körperlich sichtbar weh tut, mit immer neuen Tiraden versehen, schmettert Kurz die wütenden Angriffe ab.
Ohne auch nur ein lautes Wort.
Sein Inhalt spricht.
Sein Blick spricht.
Seine Mimik spricht.
Sein nicht Gesagtes spricht.
Seine Souveränität spricht.
Und die östereichische Bevölkerung hört zu und findet offenbar Gefallen an dem, was er sagt.
Und wie er es sagt.
Und auch an dem, was er nicht sagt - aber wo doch immer eine Botschaft enthalten ist.
Die Kunst der Rhetorik bedeutet nicht nur das Umsetzen erlernbarer Techniken.
Die Kunst der Rhetorik fesselt Meschen, weil sie Inhalte glaubhaft adressieren kann.
Die höchste Kunst der Rhetorik aber ist, zum Gesagten auch das nicht Gesagte so zu bringen, dass der Zuhörer eine Botschaft hört.
Das schafft Kurz.
Wie kein anderer, seit Jörg Haider die Bühne verlassen hat.
Es scheint, dass eine hohe Zahl in der Bevölkerung die Botschaften besser verstehen kann als viele der Abgeordneten im Hohen Haus.
Die Kunst der Rhetorik bedingt eben auch die Kunst des Verstehens.
Oft keine ausgeprägte Fähigkeit der Opposition.
Heute in der NR Sitzung war das jedenfalls so zu beobachten.