Was seit langem Normalität ist und von niemandem wirklich kritisch hinterfragt wurde - sieht man von den wenigen engagierten Personen in manchen Interessensvertretungen ab - wurde nun mit COVID-19 und seinen dramatischen Folgen für uns wirklich alle offenbar:
Berufe die zur Aufrechterhaltung von Gesellschaft und Versorgung zwar lebenswichtig sind, aber für gewöhnlich wenig Anerkennung genießen und darüberhinaus noch schwierige, wenn nicht teils prekäre Arbeitsbedingungen haben.
Und das bei oft nur kollektivvertraglichem Mindestlohn, der sich i.d.R. unter dem Niveau anderer Berufsgruppen bewegt.
Hier genannt seien der Einfachheit halber nur der typische Supermarktmitarbeiter & die Pflegekräfte.
Über Jahre wurde der Lehrberuf per se heruntergemacht.
Motto: nur wer zu blöd für die Schule ist, macht eine Lehre.
In der alten Normalität haben viele auf die "ungebildeten bzw. wenig ausgebildeten" oder in unattraktiven Berufen arbeitenden Menschen heruntergeschaut.
Jetzt stellt COVID-19 das Ranking auf den Kopf:
denn der erfolgreiche Akademiker, der Abteilungsleiter, die höheren Angestellten & die beruflichen Besserwisser:
sie alle stellen nicht die Milch ins Regal und räumen das frische Obst in die Vitrine.
Sie alle sitzen nicht stundenlang in der Kassa und müssen dazu - selbst in Zeiten wie diesen - den Ruf: "können´s a dritte Kassa aufmachen" ertragen.
Sie sorgen dafür, dass sich Herr & Frau Österreicher täglich den Arsch auswischen können, wenn sie das so begehrte Klopapier nachschlichten.
Oder die Pflegekräfte:
Ohne ausländische Pflegekräfte und die große Zahl an Zivildienstmitarbeitern, sowie den (unbezahlten) Einsatz von Familienangehörigen könnten wir - flapsig gesagt - den Laden zusperren.
JETZT, in dieser Situation, bekommen diese Menschen plötzlich Aufmerksamkeit. Dazu - geschickt öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt - Prämienzusagen & Lobeshymnen der Regierung.
Ist das wirklich alles, was dem offiziellen Österreich dazu einfällt?
Wie lange wird diese mediale Aufmerksamkeit den Genannten gegenüber andauern?
Müssten Regierung, Opposition, Sozialpartnerschaft und andere Körperschaften jetzt nicht Willens & bereit sein, den vielbeschworenen "nationalen Schulterschluss" auch hier endlich in etwas Zählbares zu verwandeln?
Müsste UHBP nicht ganz vorne weg stehen und sagen: "da ist der Weg, hinter mir sammeln?"
Wäre es nicht endlich an der Zeit bisherige Tabus zu brechen und mindestens kontroversiell, aber doch Ziel führend zu diskutieren?
zB über ein für Frauen & Männer verpflichtendes, aber gut bezahltes Zivieldienstjahr nach der Matura oder Lehre?
Und dann im weiteren diese Berufe auch tatsächlich zu attraktivieren. (und nicht nur diese)
Menschen dafür zu gewinnen, weil:
...die Ausbildung intensiviert und auf ein hohes Niveau gehoben wird
...die Arbeit anerkannt und wichtig ist
...die Arbeitsbedingungen der Schwere und Komplexität angepasst werden
...die Bezahlung attraktiv wird
...
...
Doch was wird die Realität sein?
Spätestens in der "neuen Normalität", wenn wir uns wieder frei bewegen können und gefühlt alles besser ist, werden all diese Menschen in ihren Berufsgruppen wieder vergessen sein.
So wie die Frauen, die ja theoretisch seit Jahrzehnten schon den Männern in Punkto Bezahlung gleichgestellt sein sollen...
Wenn es nach denen geht, die das veranlassen könnten - und es dennoch einfach nicht tun. Egal in welcher Farbkonstellation.
Aber am 1. Mai und am Weltfrauentag darüber gerne schwadronieren.
Die Regierung wird sich vielleicht auf einen mehrjährigen Stufenplan einigen, wo unter Einbeziehung von Expertinnen und Experten (sic!) evaluiert wird, ob....bla, bla, bla...
Die Opposition wird sagen, "wenn wir in der Regierung wären, würden wir alles menschenmögliche machen"...bla, bla, bla...
Die Gewerkschaften werden mantraartig ihre schon langjährigen Forderungen in Form von Worthülsen wiederholen: "wir fordern, dass"...bla, bla, bla...
Die Wirtschaftskammer wird sagen, "dass die Unternehmen das alles nicht verdienen können und"...bla, bla, bla...
Die Industriellenvereinigung wird sagen, "dass dann der Wirtschaftsstandort Österreich gefährdet ist, weil"...bla,bla,bla...
So gesehen muss man COVID-19 fast dankbar sein, dass es diese Menschen wenigstens einmal vor den Vorhang geschafft haben.
Also, lange braucht es wahrscheinlich nicht mehr, dann heißt es wieder:
"is die Müch scho aus?"
"Ham's ka linksgedrehtes Joghurt mehr?"
"wann kummt'n des Cosy wieda?"
oder:
"Leider konnten sich die Sozialpartner auf keine Verbesserung der Bezahlung und Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte einigen."
COVID-19 und nichts daraus gelernt?
Man wird sehen - Optimismus holft uns in diesen Tagen.
Und hoffen wird man ja auch in Zeiten der COVID-19 Verordnungen wohl noch dürfen...?