„If dogs run free why can´t we“, fragte sich Bob Dylan einst, nicht ahnend, dass nur wenige Jahrzehnte später zumindest in den westlichen Wohlstandszentren kaum mehr ein Hund frei herumlaufen würde. Das wussten die Canophobiker zu unterbinden. Fast alle Hunde gehen an der Leine. Manche werden an ganz kurzen Leinen gehalten, andere an längeren und wieder einige an flexibel langen, die je nach Gutdünken des Herrchens mal mehr Bewegungsspielraum ermöglichen, mal weniger. Die Hunde an den langen Leinen fühlen sich vergleichsweise frei, doch sie sind es nicht. Kein Hund ist frei, solange es Leinen gibt. Je besser abgerichtet ein Hund ist, desto widerstandsloser nimmt er die Leine hin, und zur Belohnung für die Aufgabe des Widerstandes wird die Leine ein wenig verlängert. Ganz ähnlich ist das auch bei uns Menschen.
Kaum ein Mensch ist wirklich frei. Diejenigen, die anderes behaupten, haben meist recht verkürzte Vorstellungen von Freiheit. Frei zu sein bedeutet nicht nur, nicht physisch eingesperrt zu sein, sondern auch frei zu sein von Existenznot und Kampf ums unmittelbare Überleben. Wer jeden Tag acht Stunden oder mehr seiner Lebenszeit für den Broterwerb opfern muss, auch wenn er diesen Broterwerb hasst, ist nicht frei. Eine recht gut funktionierende Faustregel ist die, wonach stets das Gegenteil dessen, was die Nazis behaupteten, richtig ist. Demnach macht Arbeit nicht frei, sondern versklavt. Das weiß jeder, der nicht das Glück hat, seinen Beruf zu lieben, ihn aber dennoch ausüben muss, weil sonst kein Geld mehr da ist für Essen und Miete. Zumindest ansatzweise frei wird der Mensch erst dann sein, wenn er zum Beispiel über ein bedingungsloses Grundeinkommen die dringendsten Lebensnotwendigkeiten finanziert bekommt und wenn daher die Drangsalierung durch Arbeitgeber, Arbeitsämter und Sozialbürokratien ein Ende gehabt haben wird. Das setzte freilich einen großen Bewusstseinssprung voraus, denn allzu viele Menschen sind ganz zufrieden mit der Leine, an der man sie führt, und statt für sich eine längere Leine oder gar die Abschaffung aller Leinen zu fordern, wollen sie nur, dass andere noch kürzer gehalten werden als sie selbst.