Die Opfer der Terroranschläge von Paris waren noch nicht einmal unter der Erde als die ersten Politiker damit begannen, die Agenda der Mörder zu übernehmen. In Deutschland forderte der innenpolitische Sprecher der Union, Stephan Mayer, eine Verschärfung des Blasphemiegaragrafen. Der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der SPD, Johannes Fechner, sprach sich ebenso gegen eine Abschaffung des Gotteslästerungsparagrafen aus wie sein CDU-Kollege Wolfgang Bosbach. Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer hält eine Abschaffung des entsprechenden österreichischen Gesetzes „nicht für das richtige Signal“. Und so geht das bis auf wenige Ausnahmen weiter quer durch Europas politische Parteien. Indem man auf der Beibehaltung mittelalterlicher Gesetze beharrt, gibt man den islamistischen Terroristen ein bisschen recht. Indem man sagt, es sei rechtens, Menschen für „Gotteslästerung“ oder „Herabwürdigung religiöser Lehren“ strafrechtlich zu belangen, erklärt man die Brüder Kouachi posthum zu besorgten Bürgern, die man zwar, falls sie noch leben würden, ein wenig ausschimpfen müsste, da sie zur Selbstjustiz gegriffen haben statt den Rechtsweg zu beschreiten, die aber im Kern so falsch nicht gelegen wären. Viel würdeloser und falscher kann man auf religiöse Fanatiker, die meinen, ihre angeblich allmächtigen Götter mit mörderischer Gewalt vor Cartoonisten und Satirikern beschützen zu müssen, gar nicht reagieren.
Auch im Bereich der Sicherheitspolitik scheinen viele Politikerinnen einen Anschlag, der unter anderem der Freiheit an sich gegolten hat, für einen guten Anlass zu halten, die Freiheit einzuschränken. Jetzt patrouilliert das Militär durch europäische Städte, die österreichische Innenministerin will um hunderte Millionen Euro Panzer, Hubschrauber und Hubschrauberpanzer kaufen, 14-jährige Kinder kommen in den Knast, weil sie am Schulhof damit geprahlt haben, sie würden Bahnhöfe in die Luft sprengen, und Demonstrationen werden unter Berufung auf angeblich „konkrete Bedrohungen“ untersagt. Selbstverständlich muss man der terroristischen Bedrohung auch mit Härte begegnen, aber wenn wir unsere Gesellschaften jetzt unter eine Art Kriegsrecht stellen und die bürgerlichen Freiheiten immer mehr einschränken, dann machen wir genau das, was die Terroristen wollen. Die möchten nämlich einen mit Hochspannung geladenen Kriegszustand herbei morden, am liebsten einen mit Frontlinien zwischen westlichen Regierungen und dem muslimischen Teil der Bevölkerung, da sie davon natürlich profitieren würden. Und sie möchten, dass Blasphemieparagrafen beibehalten und nach Möglichkeit verschärft werden. Lassen wir uns darauf ein, sind wir Komplizen genau jener Kräfte, die zu bekämpfen wir vorgeben.