Den Menschen in der Ukraine bleibt auch nichts erspart. Sie durchleiden einen Bürgerkrieg, leben in einer Oligarchie statt in einer Demokratie und jetzt hetzt ihnen der Milliardär Dimitri Firtasch, der wegen eines US-Haftbefehls in ausgerechnet Österreich festsitzt, Michael Spindelegger und Karl Schlögl auf den Hals. Spindelegger, der weltberühmte Ex-ÖVP-Chef, und Schlögl, vom Innenminister Österreichs zum Bürgermeister von Purkersdorf aufgestiegen, sollen Direktoren der "Agency for the Modernization of the Ukraine" werden, einem Verein, den sich Firtasch zusammen mit Bernard-Henry Levy ausgedacht hat. Levy ist bekannt als Philosoph, der auf alles eine und nur eine Antwort hat: Bombardierung. Ob Serbien oder ein Taschendiebversteck - Levy fordert das Eingreifen der NATO, denn Krieg heißt Frieden. Dem Ukraine-Modernisierungsverein sollen auch noch Peer "Hartz IV" Steinbrück, der deutsche Ex-Kriegsminister Günther Verheugen sowie ein paar britische Lords beitreten. Man mag zwar der Ansicht sein, die Ukrainer hätten in den vergangenen Monaten einiges falsch gemacht, aber sowas haben sie nicht verdient. Sowas hat niemand verdient.
Für den moralischen Zustand unserer Zeit sehr aussagekräftig ist, dass Spindelegger und Schlögl einem auf fragwürdige Weise reich gewordenen Milliardär, der per Haftbefehl gesucht wird, nicht etwa nachdrücklich das Loch zeigen, das der Zimmermann hinterlassen hat, sondern ganz geil auf ihre neuen, sicherlich bestens dotierten Jobs sind. Der Gedanke, ein Oligarch könnte bei der "Modernisierung der Ukraine" noch anderes im Kopf haben außer freedom and democracy und Eiapopeia, kommt solchen Leuten ebenso wenig wie Alfred Gusenbauer der Verdacht, der kasachische Präsident sei womöglich ein Diktator und kein liebevoller Landesvater. Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Milliardär tatsächlich noch was anderes im Sinne hat außer noch reicher zu werden. Milliardäre sind ja auch nur Menschen und als solche vor philantropischen Anfällen und ernsthaft demokratischen Wallungen nicht gänzlich gefeit. Die Erfahrung zeigt freilich, dass vor allem osteuropäsche Oligarchen, die ihren Reichtum selten guten Geschäftsideen, aber häufig einem robusten Durchsetzungsvermögen während der wörtlich mit Bomben und Granaten geführten Verteilungskämpfe um die ausverkauften Volksvermögen verdanken, unter einer "Modernisierung" vor allem den Eigenutz verstehen, ihren Reichtum ohne die Gefahr enteignet, eingesperrt oder erschossen zu werden genießen zu können. Das will ich gar nicht abwerten, denn rechtsstaatliche Sicherheit kommt letztlich ja allen zugute, nicht nur den Dagobert Ducks. An weiteren Merkmalen einer entwickelten Demokratie wie etwa einem ausgebauten Sozialstaat ist solchen Figuren schon viel seltener und weniger gelegen. Das nämlich würde heißen, dass sie von ihren Milliarden ein paar Prozent an die Allgemeinheit abgeben müssten, und dies wiederum ist nach (neoliberalem) Modernitätsverständnis fast so teuflisch wie Kommunismus oder Mafiaherrschaft.
Ich habe grundsätzlich gar nichts dagegen, wenn Leute für ukranische Oligarchen oder kasachische Diktatoren arbeiten. Es muss ja jeder essen und Miete zahlen. Ein bisserl unwohl wird mir aber, wenn das ehemalige Spitzenpolitiker machen. Da liegt dann halt, wie auch im Falle von Ex-Politikern, die nach ihrer Polit-Karriere hohe Posten bei internationalen Konzernen bekleiden, der Verdacht nahe, diese Leute machten Politik im Interesse jener, die sie später mit traumhaft bezahlten Jobs belohnen. Man kann auch sagen: Es besteht Korruptionsverdacht. Früher mal war es so, dass Politiker ihre politische Laufbahn und die wenigstens teilweise Umsetzung ihrer Überzeugungen als höchstes anzustrebende Lebensziel betrachteten. heute hat man zunehmend den Eindruck, das wahre Ziel sei der Traumjob nach der Politik.