Seit einigen Monaten geistert ein neuer Name durch die Kopfhörerwelt: Valco. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die finnische Firma massiv auf Social Media-Plattformen für ihre Produkte wirbt. Genauer: Für ihr Produkt, Einzahl. Valco bietet einen Bluetooth-Kopfhörer an. Zunächst war das der VMK19, der mit seinen Holzeinlagen auf den Hörmuscheln einen gewissen ländlich-nordischen Charme versprühte und sich dank seiner offenbar recht annehmbaren Höreigenschaften rasch zu einem Geheimtipp entwickelte (außerhalb Finnlands, denn in Finnland selber ist Valco ein großer Player). Aktuell bieten die Finnen exklusiv das Nachfolgemodell Valco VMK20 an, das statt Holz nun mit einem elegant wirkenden Stoffbezug aufwartet und gegenüber dem Vorgängermodell einige Verbesserungen erfahren haben soll. Das kann ich freilich nicht beurteilen, da ich nur den VMK20 zum Testen hier habe. Also schauen wir einmal, was man bei Valco für 169 Euro (Versand inklusive) bekommt!
Die Firma
Valco produziert erst seit 2019 Kopfhörer und gehört somit zum wachsenden Kreis kleiner europäischer Hersteller, die den Branchenriesen wie Sony, Bose, Sennheiser usw. Konkurrenz machen wollen. In immer mehr Ländern poppen diese kleinen Firmen auf: Meze Audio in Rumänien, Ollo Audio in Slowenien, Austrian Audio in Österreich... es ist fast eine Entwicklung wie beim Bier, wo ja auch immer mehr kleine Craft-Brauereien den großen Konzernen die Stirn bieten. Eine erfreuliche Sache, die Europa wenigstens in Sachen Audio-Technik wieder technisch aufholen lässt. Valco aus Finnland unterscheidet sich von anderen kleineren Firmen vor allem durch ihre Marketing-Strategie. Die ist gnadenlos humoristisch, aber auch grundehrlich. Ob in kurzen Videos, in Inseraten oder beim Webauftritt – bei Valco reiht sich Witz an Witz. Das ist sympathisch, könnte aber auch nach hinten losgehen. Glücklicherweise ist der Humor in 99 % aller Fälle gelungen und tatsächlich lustig. Und Valco zieht das bis ins letzte Detail durch. Sogar die Bedienungsanleitung ist reinste Comedy – und gleichzeitig exakt und super leicht verständlich.
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Produkt, Lieferumfang, Bauqualität und Daten
Hält man den Valco VMK20, der in einem stabilen Hardcase samt USB-Ladekabel, Klinken-Kabelanschluss und Flugzeugadapter, geliefert wird, in Händen, fällt sofort die hohe Qualitätsanmutung auf. Der Kopfhörer, der sich platzsparend zusammenfalten lässt, ist stabil gebaut und macht einen hochwertigen Eindruck. Nichts quietscht oder knarzt. Die Ohrpolster aus Proteinleder sind Over-Ears, umschließen also das ganze Ohr, und zumindest bei mir hat das auch problemlos geklappt, ohne dass irgendwas zwicken würde oder sich zu eng anfühlte. Die Einstellung der Länge erfolgt über einfaches Schieben oder Drücken der Ohrmuscheln, die dann mit einem befriedigend klingenden Klicken am Kopfband aus Metall entlanggleiten. Das Kopfband selber ist mit Kunstleder ummantelt und bietet ausreichend Komfort auf der Rübe. Der graue Stoffbezug auf den Ohrmuscheln wirkt edel und erinnert ein bisschen an klassisches europäisches HiFi-Design. Technisch bringt der Valco VMK20 folgendes mit: Bluetooth 5.0 mit den Audio-Codecs APTX LL, SBC und AAC; Aktives Noise Cancelling mit vier Mikrophonen; integrierter Verstärker der Klasse AB mit DSP; 40-Millimeter-Treiber; Akku mit bis zu 45 Stunden Laufzeit nach vollem Aufladen (Ladezeit maximal drei Stunden von 0 auf 100 %); Freisprechfunktion mit eigenem Mikrophon und Rauschunterdrückung; Siri und Google werden unterstützt. Der Kopfhörer wiegt schlanke 250 Gramm.
Klang
Der Valco VMK20 sieht also gut aus, ist technisch voll auf der Höhe der Zeit und kann alles, was man von einem modernen Bluetooth-Kopfhörer erwartet. Aber hübsches Aussehen und gute Daten auf dem Papier sind bekanntlich gerade in der Welt der Audiowiedergabegeräte oft nur die halbe Miete – und manchmal gar nur reines Blendwerk. Entscheidend ist, zumindest für mich, immer noch der Klang. Und hier erlebte ich eine Überraschung. Um die zu erklären, muss ich ein bisschen ausholen.
Mein derzeitiger Lieblingskopfhörer ist der Meze Empyrean, ein magnetostatischer High-End-Hörer um schlanke 3.000 Euro. Nicht wenige, darunter auch ich, meinen, das sei einer der besten Kopfhörer der Welt. Von so einem Hörerlebnis auf einen Bluetooth-Kopfhörer umzusteigen, der gerade mal 169 Euro kostet, ist zumeist eine Garantie für eine saftige Enttäuschung, ein akustischer Abstieg als würde man gerade noch den Engeln gelauscht haben und fände sich plötzlich im Probekeller einer drittklassigen Black-Metal-Band wieder. Ich war also darauf vorbereitet, die Sache professionell anzugehen und dem Valco VMK20 nicht anzukreiden, dass er nicht wie der Empyrean klingt. Und dann... klang der Valco verdammt ähnlich wie der Meze. Natürlich nicht gleich, natürlich nicht annähernd so majestätisch wie das rumänische Wunderwerk mit seinen isodynamischen Doppeltreibern, aber die Klangcharakterisitik war verblüffend ähnlich. Noch einmal: Ich sage NICHT, dass der Valco VMK20 gleich gut klingt wie der Meze Empyrean, aber er klingt wie ein naher Verwandter. Ich war so verblüfft, dass ich noch einmal auf die Website von Valco ging, in der Hoffnung, dort eine Erklärung für dieses Erlebnis zu finden, und siehe da, ich fand sie, denn Valco schreibt: „Unser Audioguru Jasse 'Jazmanaut' Kesti nahm die besten High-End-Kopfhörer der Welt (seiner Meinung nach Meze Empyrean) als Referenz und schneiderte das Klangprofil von Valco VMK20 in diese Richtung, bis er Regenbögen pinkelte.“ Ha! Ich bin offenbar sehr wohl qualifiziert, Kopfhörer zu beurteilen, wenn mir diese Ambition Valcos, den Klang des Meze nachzuempfinden, sofort auffällt. Yeah, ich bin doch noch nicht taub und meine Ohren sind doch besser als die von vielen anderen Audio-Testern!
Okay, genug des Eigenlobes, zurück zum Valco VMK20. Der klingt... fantastisch. Ich habe noch keinen besseren Bluetooth-Kopfhörer erlebt. Das heißt nicht, dass es keinen besseren gibt und dass er allen anderen gleich gut gefällt wie mir, doch Tests sind nun einmal auch ein bisschen subjektiv. Aber nicht nur, denn natürlich kann ich nach jahrzehntelanger Erfahrung mit Kopfhörern und Lautsprechern und als (Hobby)Musiker wohl genauer beurteilen, ob ein Gerät was kann oder ob es suckt. Nachdem ich den VMK20 mit meinem Smartphone über Bluetooth verbunden habe (was super leicht ging), habe ich Tidal angeworfen und dort meine üblichen Verdächtigen angespielt, die ich immer nehme, um zu schauen, wie die Grundcharakteristik des Kopfhörers ist, wie tief der Bass reicht, wie sauber die Mitten sind und wie hoch er nach oben reicht – und ob das alles gut zusammenpasst oder zu einem grauen Brei verschwimmt. Es mussten also Steely Dan, die Beatles und War ran, und schon nach einem kurzen Reinhören in Wars „All Day Music“ war ich baff. Der Bass war genau so, wie ich ihn bei diesem Stück haben will: Extrem tief hinunter spielend und trotzdem klar texturiert. Die akustische Gitarre schwebte fein gezeichnet über dem Geschehen und die Stimme stand klar und abgegrenzt im Zentrum, während die komplexen Rhythmen von Schlagzeug und Bongos frei und ohne zu vermantschen groovten. So muss das sein, so kann das sein, wenn ein Hersteller technisches Können und, ja doch, Liebe in sein Produkt einbringt.
Die positiven Eindrücke verfestigten sich mit jedem Stück Musik, das ich über Bluetooth mit dem Valco VMK20 hörte. Valco arbeitet ja mit dem finnischen Mastering-Studio Kesthouse zusammen, und das hört man. Der VMK20 geht klanglich klar in Richtung High-End, was vielleicht manchem Basshead nicht gefallen mag, aber das Herz jedes Audiophilen erfreuen sollte. Dem Valco mangelt es nicht an Bass, aber er schenkt allen anderen Frequenzen dieselbe Aufmerksamkeit. Dabei ist eine in dieser Preisklasse bislang nicht gehörte Linearität herausgekommen, die aber nie langweilig wirkt. Der VMK20 ist aber kein Mastering-Kopfhörer, sondern durchaus einer zum Spaß haben, denn mittels DSP-Zauberei haben die Ingenieure von Valco dem neutralen Grundcharakter einen überraschend großen Schuss der Magie von High-End-Kopfhörern eingehaucht. Natürlich kommt man mit DSP nicht ganz an das heran, was etwa der Meze Empyrean bieten kann, aber man kommt auf ungefähr 65 Prozent davon, und das bei einem Achtzehntel des Preises! Über Bluetooth betrieben klingt der Valco nahezu gleich gut wie ein AKG K812, ein Beyerdynamik DT1990 oder sogar ein Sennheiser HD800.
Und jetzt ein kleines Aber: Der Valco klingt so gut, weil er ein fantastisches Tuning seines eingebauten DSP hat. Betreibt man ihn mit Kabel, umgeht also den eingebauten Verstärker, ist er immer noch gut, aber halt „nur“ mehr so gut wie alle anderen in seiner Preisklasse und knapp darüber und darunter. Dann ist es vorbei mit 65 % Meze Empyrean oder 90 % AKG K812, dann klingt er mehr nach Philips X2, Sennheiser HD650 oder Beyerdynamik DT990. Das ist immer noch sehr gut, aber nicht mehr atemberaubend gut. Freilich ist er ja nicht in erster Linie für das Hören am Kabel gedacht, sondern für den Bluetooth-Einsatz, und da steckt er meiner Meinung nach alles in die Tasche, was ich bislang unter 1.000 Euro gehört habe.
Valco macht sympathischerweise auch kein Geheimnis daraus, dass sein hervorragender Klang der Abstimmung seiner digitalen Signalprozessoren zu verdanken ist. Es ginge ja auch nicht anders. Man kann nicht um 169 Euro eine Hardware verkaufen, die so gut ist wie eine um 1.500 oder 3.000, und wirtschaftlich überleben. Da muss man eben digital tunen. Aber für den Endverbraucher ist das kein Nachteil, denn ob jetzt physische Treiber oder DSPs die Musik machen, wird allenfalls Hardcore-Audiophile interessieren. Und auch die können, wenn es um Kopfhörer für den mobilen Einsatz geht, digitale Hexenkunst verzeihen, solange der Kopfhörer ihre Ohren nicht beleidigt. Und das tut der Valco VMK20 nicht, sondern er klingt so natürlich und klar, als wäre da kein DSP am Werk, sondern bei Vollmond von japanischen Mönchen zusammengeschraubte Röhren.
Zusammenfassung
Der Valco VMK20 ist für mich die Überraschung des Jahres. Ein Kopfhörer, der in der Realität BESSSER ist, als es die (tolle) Werbung vermuten ließe. Ein Bluetooth-Kopfhörer, dessen Abstimmung so gut ist, dass er sogar mich vollkommen überzeugte, obwohl ich normalerweise kabelgebundenes Equipment bevorzuge. Ein Kopfhörer, der das bislang beste Preis-Leistungs-Verhältnis hat, das ich je erlebt habe. Ein Kopfhörer, dessen Technik ebenso überzeugt wie seine Optik, seine Materialqualität und sein Sound. Von mir gibt es daher eine klare Kaufempfehlung und zwei Daumen nach oben.
Disclaimer: Die Firma Valco hat mir den VMK20 für den Testzeitraum kostenlos zur Verfügung gestellt, aber keinerlei Einfluss auf meine Bewertung genommen. Okay, Valco, darf ich jetzt meinen Hund zurückhaben? Bitte??