Jetzt ist es so weit. Ich kann die Realität nicht mehr von der Fiktion unterscheiden. Als ich diese Story las, sagte ich mir sofort: Aber klar doch, guter Scherz.

Und nun stellen Sie sich mal meine Überraschung vor, als ich die Seite des Maxim-Gorki-Theaters Berlin aufsuchte und dort in Bild und Text sehen musste, dass das kein irrer Traum ist. Was soll ich dazu sagen?

Ich hoffte immer noch, dass das ein makabrer Scherz ist. Obwohl meine Hoffnung kleiner und kleiner wurde. Mit jeder Seite, die davon berichtete. Kurz: Künstler präsentieren eine Freiwillige, die sich in der Tiger-Arena am Gorki-Theater fressen lassen will - wenn nicht 100 syrische Flüchtlinge aus der Türkei nach Berlin ausgeflogen werden. Das ganze soll ein Protest gegen die deutsche Flüchtlingspolitik sein. Das Theater muss seinen Tigerkäfig nun aber aller Voraussicht nach abbauen (die Künstler wehren sich aber noch dagegen und wollen die Tiger-Arena sogar noch vergrößern – obwohl das Grünflächenamt den Künstlern die Sondernutzungserlaubnis entzogen hat. Die Aktion sei nicht, wie angemeldet, eine Informationsveranstaltung, sondern politische Provokation.) Wie es ausgeht, ist ungewiss.

Ist das nicht reizend? Hier sind vier (noch) lebende Tiger in Käfige eingepfercht, auf einem belebten Platz mitten in Berlin. Das ist nicht nur purer Stress für solche Tiere. Diese Tiere leiden. Offenbar sagen die Künstler dazu: Scheiß doch auf die Viecher! Wir sind das Zentrum ‚für politische Schönheit‘ und wollen die Bundesregierung erpressen. Und dafür malträtieren wir auch mal ein paar dämliche Tiere. Machen Lärm, dass selbst menschliche Ohren davon fast abfallen. Und laufen wie die Irren verkleidet mit langen Stangen im Käfig rum. Lediglich ein marginaler Rest meiner Erziehung verbietet mir hier zu schreiben, welchen Namen ich dieser Gruppe geben würde.

Für die Tiger sieht es jedenfalls mau aus. Entweder die Flüchtlinge dürfen mit dem Flugzeug einreisen oder eine ‚Künstlerin‘ aus Syrien will sich – wie sie mit zittriger, weinerlicher Stimme ankündigt – von den bedauernswerten Tieren fressen lassen. Meine Güte! Es gibt so viele Show-taugliche Erpressungs-Todes-Arten, bei denen keine lebenden Kreaturen missbraucht werden müssen. Ich hätte eine ganze Liste mit Vorschlägen.

Und hier noch das offizielle Statement Berlins: Der Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner erklärte dazu am Montag, es liege in der Verantwortung des Gorki-Theaters, welche künstlerischen Gruppen es einlade. Und: „Die Aufgabe von Kunst ist nicht, bequem zu sein.“

Na sicher.

Warum setzt er sich nicht in den Käfig? Nein, mitten in die Wüste. Oder in den Dschungel. Allein. Verängstigt. Voller Todes-Angst. Zusammen mit den zentrierten schönen Künstlern.

Das wäre doch mal eine tolle Aktion.

Aus Gründen, die ich kaum richtig formulieren kann, hoffte ich trotzdem immer noch, die Sache sei doch ein Fake, ein besonders blöder Scherz oder so etwas. Nun, wie es sich herausgestellt hat, habe ich umsonst gehofft.

Ich wage mal eine Vermutung. Jetzt, wo die "Ich-lass-mich-fressen-Plakate" entfernt worden sind und nur noch die (als Diktatoren-Geschenk bezeichneten) Tiger übrig sind – für die sich offenbar niemand interessiert – kommt den "SCHÖNEN KÜNSTLERN" bestimmt die total absurde Idee, die Tiere als symbolkräftige Kunst-Aktion verhungern und verdursten zu lassen. Mitten in Berlin! Ein Wahnsinns-Kunst-Projekt! Kriegt bestimmt irre viel Aufmerksamkeit!

shutterstock/Chokniti Khongchum

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