FinisNoXx

Bevor dies meine Geschichte wurde, war es eigentlich eine ganz normale Geschichte. Normale Geschichten sind zurzeit rar geworden, also erzähle ich diese hier. Obwohl sie mich immer ein bisschen traurig macht. Bis ich ihn anschaue. Doch dazu später.

Diese Geschichte wurde ausgelöst, beflügelt und vor die Wand gefahren dank tausenderlei Schnulzen in Heftchen-Form, Zeitschriften, Serien und dämlichen Jennifer-Aniston-Filmchen mit Kindern, Hunden und dem perfekten Mann. Aberwitzig, bedenke ich, dass ausgerechnet diese Frau nichts davon hat.

Folgerichtig beginnt diese Geschichte mit der Liebe. Natürlich. Was auch sonst.

Liebe ist was Schönes, da stimmen Sie mir doch bestimmt zu. Und die Hochzeit dann logischerweise der Höhepunkt aller Romantik. Behaupten alle Schmalz-Filme. Oder der Anfang vom Ende, wenn der Film-Traum ein Traum bleibt. Was meistens der Fall ist. Denn träumt die eine Hälfte des liebenden Paares von der alle (Freundinnen) übertrumpfenden exemplarisch-einzigartigen-Wahnsinns-Feier – am liebsten an Seilen vom Himalaya baumelnd mit dem Dalai Lama als Pastor*, natürlich im individuellsten aller individuellen Kleider, das genauso aussieht wie das neulich aus der Dings-Show; wünscht sich die andere Hälfte eigentlich nur den nahtlosen Übergang des sauberen Socken und Unterhosen-Lebens samt Frühstück- und Mittagessen-Service mit Bier.

(Das meine ich natürlich nur im übertragenen Sinn und nicht diskriminierend.)

Sie ahnen es schon – denn sollten Sie verheiratet sein, gehören Sie mit großer statistischer Wahrscheinlichkeit zu einer von beiden Seiten – dies ist der wohl häufigste (allseits bekannte) Trauer-Fall von: Dumm gelaufen. Denn entgegen allen medialen Märchen bekommt in diesem speziellen Szenario so gut wie nie auch nur eine Seite das Erträumte. Hier würden eventuell literarische Kenntnisse dienlich sein, zum Beispiel die von Herrn Tucholsky, der sein Gedicht über einen Liebes-Film so trefflich enden ließ: „Und darum wird beim happy end im Film jewöhnlich abjeblendt.“

Im Leben leider nicht. Und so staune ich immer wieder über die doch wirklich bizarre Tatsache, dass in dieser Welt angeblich normale Menschen überhaupt dergleichen Kokolafaxi als das tränenreich beschworene Lebens-Haupt-Ziel jahrelang verbissen bis ins letzte Schoko-Krümel-Detail wieder und wieder durchkauen können. In Gedanken, mit Excel-Tabellen (ich kannte einen Fall, wo eine Tipperin WIRKLICH, ja so ganz RICHTIG computern** lernen wollte – in diesem Fall Excel, weil sie DAS für die Planung ihrer Hochzeit dringend brauchte***), mit Berufs-Planern und was weiß ich noch allem.

Wo kommt sowas her, frage ich mich dann immer. Gut, der größte Teil solch faden Stumpfsinns stammt heutzutage von irgendwelchen Mode-Blogs, deren einschläfernd gleich aussehende und so gut wie immer völlig Talent freie Inhaberinnen jauchzend ihre Einzigartigkeit verkünden und total individuelle Ikea-mäßige Konzepte für alles Überflüssige dieser Welt anbieten. (Ich glaube, das heißt gar nicht mehr Konzept. Na, egal.)

Trotzdem. Wie nur, frage ich mich gelegentlich, gelingt es Hirnen, die sonst einsam und ängstlich in den mit Kilos von Extensions behängten Köpfen rumrollern, aus buchstäblich gähnendem NICHTS Welt-umwälzende Ereignisse zu kreieren? Na ja. Welt. Nein. Natürlich in ihrer ganz und gar eigenen Welt, die – vermutlich mit UHU-Spezial – an den Milliarden absolut gleich aussehenden anderen eigenen Welten festpappt ist.

Wie auch immer.

Ich habe mich verschwatzt. Tatsächlich beginnt mein Teil der Geschichte in der Mitte. Der Anfang, einer der vielen völlig verpatzten Film-Wunschträume mit betrüblichen Folgen, war schon lange gelaufen, der Alltag eingekehrt und die größte Sensation waren die beinahe täglich neuen Dekorations-Ideen aus vielerlei Katalogen. Ich will nicht behaupten, dass solcher Krempel nicht gelegentlich gut aussieht. Irgendwie schon. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Glaube ich jedenfalls.

Nach einer Weile, es könnten zwei Jahre gewesen sein, kam zuerst der obligatorische Hund in die leicht öde gewordene Zweisamkeit. Das allseits beliebte Alibi-Kind. Eine Katze hätte sich leichter verteidigen können. Dieses Tier dagegen kackte auf den Fußboden, kotzte sein teures Essen vom Tierarzt (von denen heutzutage viele zu Supermärkten mutiert sind) täglich auf den Boden und konnte kaum laufen. Weil Mami und Papi ihn trugen. Auch nachts ins gemeinsame Heia-Bett. Ein Sch…-Leben für so ein Vieh. Doch glauben Sie mir, das war nur der Anfang.

Denn als der Köter, der sich meiner Meinung nach einbildete, er könnte fliegen (gehen war jedenfalls nicht sein Ding) so ungefähr zwei Jahre alt war, passierte was immer passiert: Das wirkliche Kind kam zur Welt. Woraufhin der Hund plötzlich am liebsten Aldi-Trocken-Futter fraß, eine Art Jute-Sack zum Schlafen zugeteilt bekam und auch ansonsten wie durch Zauber kaum noch Bedürfnisse hatte.

Dass er klapperdürr war und wie eine halb zertretene Kakerlake meist schlotternd unter irgendwelchen Möbeln hockte, war auch leicht erklärbar: Das machte er gerne. Das war ein Spiel. Nein. Ich erzähle hier nicht von bösen oder grausamen Menschen. Doch irgendwie war das Tier ganz schleichend von Komm-zu-Mami zu Runter-da mutiert. Mit vielen trotzigen Entschuldigungen. Das Tier war zu laut, es haarte, spuckte und sabberte – kurz und schlecht: Es war gefährlich für das Kind.

Zwischenruf: Ich wuchs (zwangsweise) in einem Haus voller Tiere auf. Das hat mir das Leben gerettet.

Nun, jedenfalls veränderten sich mit den Jahren auch die privaten Konstellationen. Eigentlich eine normale Sache. Unglücklicherweise nicht für den Hund. Einst völlig verwöhnt, dann völlig verwirrt, begriff er die Welt nicht mehr. Soweit das bei Hunden möglich ist. Ich bin kein Fan dieser (immer wieder abgeschriebenen) autobiografischen(!) Tier-Leidens-Storys. Tatsächlich widern diese auf niedlich gemachten Klage-Ergüsse mit garantiertem Tränen-Faktor von Hunden, Katzen, Karnickeln, Schweinen und so weiter mich an.

Was soll das denn? Tiere schreiben keine putzigen Klage-Briefe. Tiere leiden. Geht zu PeTA helfen. Das macht Sinn.

Ich schweife ab.

Dieses hier; verwöhnt, verstört, kaum fähig dem Leben einen Hunde-mäßigen Sinn abzugewinnen und deshalb stets bibbernd das Falsche machend, bekam es schließlich mit einem gestörten menschlichen Männchen zu tun. Die neue Konstellation, Sie erinnern sich? Ein kleines Männchen. Ein Versagerchen. Ein wütendes Versagerchen. Ein dummes wütendes Versagerchen. Keine Ausbildung, kein Job aber ein stets schmeichelndes, überschwängliches Wesen – ich habe immer vermutet, es las sehr viele Frauen-Zeitschriften um diese Pos(s)e durchzuhalten.

Muss ein trauriges Leben sein. Sich auf solch erniedrigende Weise mit dem selbst verpassten Maulkorb schleimend von Geld verdienender Frau zu Geld verdienender Frau zu robben. Immer auf der Suche nach dem ultimativ bleiben-dürfenden Heimat-Platz.

Und wieder möchte ich relativieren. Es soll hier keine Frau denken, dies wäre ein männliches Problem. Ganz im Gegenteil. Ich kenne dutzende Frauen, die sich ihr Leben erheiratet haben. Aber nur zwei Männer.

Wie dem auch sei. Hier trafen zwei gestörte Kreaturen aufeinander, von denen die eine den Platz beanspruchte, den die andere zwar nicht mehr hatte, jedoch unverdrossen weiter darum kämpfte. Der kleine Hund, der eben nicht begreifen konnte, was ihm passiert war. Setzte sich das fremde Männchen auf seinen lange verlorenen Sofa-Platz bellte er ihn an. Und bekam einen Tritt.

So fing es an, denke ich. In diesem Moment muss das menschliche Versagerchen begriffen haben, dass es endlich einen hilf- und wehrlosen Wicht als Wut-Abtreter gefunden hatte. Muss ein schönes Gefühl gewesen sein; bedenke ich, was er dem Tier alles antat.

Nicht ganz einen Monat später brachte ein mitleidiger Mensch das traurige Überbleibsel zu mir. Es hatte einen Schädelbruch, Eiter und Blut lief aus seinem zertretenen Ohr, seine Rippen waren gebrochen und es hatte kaum noch Fell. Und war völlig dehydriert und fast verhungert, denn es hatte wohl fast eine Woche vergessen im Klo gelegen.

Das teure Rasse-Tier.

Das war vor sieben Jahren. Ich bin immer noch kein Hunde-Mensch. Aber was soll ich sagen. Er liegt auf meiner besten Bettdecke, meinem besten Kissen, hat eigenes Bett-Zeug (sich aus meinem ausgesucht), ungezählte Kuschel-Decken und Quietschis, hasst jede Art von Hunde-Futter (drum koche ich würgend jeden Tag Rind oder Huhn mit Möhre, Reis oder Kartoffeln) meckert grölend wenn ihm was nicht passt und humpelt (das lahme Bein ist ihm geblieben) wild entschlossen jeden Tag stundenlang auf drei Beinen durch die Botanik. Was ist schon ein Garten? Pipifax. Männer sind ihm zuwider. Das bringt mich oft in peinliche Situationen.

Er wird niemals ein Hunde-gerechtes Leben führen. Denn er hat furchtbare Angst im Dunkeln, verlangt ängstlich nach Trink-Näpfen in jedem Raum (sehr unangenehm bei nächtlichen Halbschlaf-Klo-Gängen) und hat ‚Ich-bin-krank!-Du-willst-mich-doch-nicht-etwa-alleinlassen?‘ zur wahren Perfektion entwickelt.

Na und. Er darf das. Mein kleiner Freund.

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* Der Dalai Lama hat was mit Religion oder so ähnlich zu tun. Folgerichtig muss er auch Trauungen durchführen können. Stimmts?

**Meine – auf diese Worte folgende - Gesichts-Starre entging ihr völlig. Sie war damit beschäftig, einen Schuh-Karton wieder und wieder zu streicheln.

***Ich glaube ich kam bis: „…ist immer klug ein Kalkulations-Programm mit mathematischen Funktionen…“, dann war sie weg.

FinisNoXx

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