Heute erzähle ich euch die Prä-Geschichte zu meiner Tee-Geschichte, die ich normalerweise aus nachvollziehbaren Gründen nur der Handvoll meiner besten Freunde erzähle, die mit viel Nachsicht auf mich schauen. Denn irgendwie komme ich darin nicht so richtig gut weg. Andererseits ist es nicht unbedingt ein Geheimnis, dass ich seit dem Tag meiner Geburt eher durchs Leben wanke als festen Schrittes zu gehen. Und das meine ich durchaus wörtlich.
Ein sehr, sehr, sehr … guter, leider aber auch sehr leichtsinniger Freund rief einmal – es war im Affekt, behauptete er später: „Leg das scheiß Buch weg, wenn du auf der Straße rumläufst. Das ist doch unfassbar! Es ist ein wahres Wunder, dass du noch lebst.“
Er begriff sehr bald das Wunderbare daran, dass er noch lebte.
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Danke!
Wie auch immer. Dies ist einer meiner Lieblings-Geschichten.
Aus mehreren Gründen.
Dieses ganz bestimmte Jahr damals war für mich ein Jahr, das aus einem alles überragenden Grund für immer in meiner Erinnerung bleiben wird. Und mehr müssen Sie darüber nicht wissen. Außerdem machte mir in diesem Jahr der Unternehmensberater meines Vertrauens ein unanständiges Angebot, dass ich nicht ablehnen konnte.
„Ein halbes Jahr, meine Liebe!“, so oder so ähnlich rief damals fast zu Tränen gerührt das kleine Kerlchen mit Pathos „Du wirst es doch wohl ein halbes Jahr bei denen aushalten?! Die zahlen das Doppelte! Mindestens!“
Und denken Sie jetzt ja nicht, dass irgendein auch nur entfernt Güte-ähnliches Gefühl ihn zum Weinen bewogen hätte. Nein. Weit gefehlt. Nicht, dass ihm meine Belange gänzlich egal gewesen wären. Schließlich bekam er Geld für mich. In diesem freudigen Fall sogar das Doppelte und zwar ohne einen seiner kleinen fetten Finger krumm machen zu müssen.
Ach! Kleines fettes Porsche-fahrendes Kerlchen!
In Memoriam: Ich hatte dich gern.
Wenn ich mich richtig erinnere, kostete ihn meine Zusage am Ende mehrere teure, sack-große Beutel Pralinen, einen ganz-tägigen Fress-Rundumschlag bei Mövenpick und ein geradezu endloses Gelaber auf seine geplagten Ohren. Üble Sache, das. Ja, Sie werden es ja nicht glauben wollen, aber gelegentlich bin ich direkt ein begnadeter Schwätzer. Mit einem echt nervigen Sprachfehler. Haha. Ja. Um es kurz zu machen (das ist gelogen) mit „Denen “ meinte das fette Kerlchen Japaner.
Und bevor hier der eine oder andere in entrüstete Betroffenheit – nur zu, jeder Trottel, den ich kenne ist andauernd betroffen – ausbricht. Don’t worry! Mir waren Japaner zum Geldverdienen ebenso recht wie Marsianer, Berliner oder Ranunkeln aus der 7. Dimension. Wie ein gewisser Jemand immer so treffend sagte: Wieso? Ich sitze auch den ganzen Tag in der Besenkammer. Hauptsache, das Geld stimmt.
Nein. Es lag an der Sprache.
Ich hatte gerade einen Auftrag mit sieben Indern hinter mir und ich versichere Ihnen: Das war KEIN Spaß! Ja, wir konnten alle fließend Englisch. Also dass ich es konnte, wusste ich. Eben auf meine ganz besondere Art. Und von den neuen indischen Kollegen hatte ihr Nutznießer (der Typ halt, der sie mir praktisch vor die Füße schmiss) dasselbe behauptet. Bevor er sich eilig davon machte. Mit dem größten Teil des ersten Monats-Verdienstes. Am Ende von nicht ganz drei Monaten hatte ich dagegen mehrere neue Ticks. Von denen ich einen für immer behalten habe.
Gerechterweise muss ich sagen: Es lag nicht allein an den Indern.
Arme Kerle, waren bestimmt völlig verwirrt. Ich bin mir ganz sicher die hatten – wie so viele vor ihnen – nie jemanden mit meinem enorm schnellen Sprechfluss kennengelernt, dazu einem Sprach-Fehler und der Angewohnheit, während Gedanken versunkener Momente (also dauernd) Worte, die mir grade nicht einfallen durch ‚Dingsbums‘ zu ersetzen. Ein Arzt versuchte mal meinen besorgten Eltern einzureden, das sei eine total seltene Form von Dyslexie. Sie haben’s ihm nicht geglaubt. Hätten es aber gerne. Vielleicht können Sie sich nun die Kommunikation zwischen mir und meinen ausländischen Kollegen vorstellen?
Vermutlich eher nicht.
Na, wie dem auch sei. Ganz allgemein gefragt: Haben Sie jemals Asiaten Englisch reden hören? Das ist kaum zu toppen. Ok. Doch. Texaner schaffen das sogar ohne zu sprechen. Aber die verstehen sich ja nicht mal selber. Jedenfalls, Sie verstehen mein Problem, oder? So wie ich es sah, bestand kaum ein Funken Hoffnung, dass ein Haufen argloser Japaner je Aussicht hatte, mein Englisch und damit mich zu verstehen.
Aber – non olet… und so - am Ende stand ich doch mit dem teuersten Bonbon aller Zeit im Mund eines schönen Morgens im Frühjahr vor der Tür, na gut, dem Riesen-Tor besagter japanischer Firma und klingelte. Das heißt, ich DACHTE ich klingele. In Wahrheit betätigte ich wohl eine Art irrwitziges Guten-Tag-Einlass-System, das sich alsbald in einem gellenden Gebrabbel neben meinem Ohr, einer blind machenden Light-Show in Augenhöhe und dem geisterartigen Davongleiten des Tores äußerte.
Ich hasse Überraschungen.
Weswegen ich logischerweise kreischte und einen guten Meter nach hinten sprang. Mitten in einen ummauerten Blumentopf. Klar. Was auch sonst.
Das rief umgehend ein nettes blondes Zopf-Mädchen und einen kleinen Japaner* auf den Plan, die mich beide beflissen packten und durchs Tor schleiften. Drin angekommen stellte sich das Mädchen als Spahnzahn und den kleinen Mann als Blabla-Deiregter vor.
Ich hatte keine Ahnung was sie mir sagen wollte, allerdings befürchtete ich alsbald, beide hätten einen Knall. Denn während Spahnzahn mit einem gewaltigen Tuch den Dreck auf mir breit wischte, grinste Blabla-Deiregter mich unentwegt an.
Zwischen-Bemerkung: In Wirklichkeit war der kleine Herr PR-Direktor, aber woher hätte ich das wissen sollen? Gesagt hat Spahnzahn fortwährend Biiaor-Deiregder und was der kleine Herr sagte, kann ich rein lautmalerisch gar nicht wiedergeben.
Ich dachte an das viele Geld. Und an noch mehr Geld.
Und ergab mich in mein demnächst betuchtes Schicksal. Also rappelte ich mich hoch und bedeutete Spahnzahn, sie solle mich zu ihrem Anführer bringen. Wenn möglich ohne Blabla-Deiregter, der mir mittlerweile noch einen nervösen Tick herbei gegrinst hatte. Woraufhin Spahnzahn, die mich irgendwie gekränkt musterte fragte „Möchten Sie gleich unsere morgendliche Begrüßung mitmachen? “
Hätte ich nur NEIN gesagt. Denn eigentlich bin ich ein sehr argwöhnischer Mensch. Aber mal ehrlich. Eine morgendliche Begrüßung? „Guten Morgen “ kann schließlich jeder ohne besondere Anleitung sagen. Zur Not auch auf Japanisch.
Frau Spahnzahn, die – wie sich später rausstellte – nicht wirklich Frau Spahnzahn hieß – richtete sich auf wie ein englischer Wachsoldat, verharrte einen Moment und trat einen Schritt nach vorn. Direkt vor die erste offene Tür eines endlos langen Ganges voller offener Türen. In denen lauter kleine Menschen standen.
Kleine japanische Menschen.
Und während mich ein ahnungsvolles Grauen überkam, verbeugte sich Spahnzahn vor der ersten Tür und murmelte „Oheiagasama “. Oder so ähnlich. Und mit „verbeugen“ meine ich VERBEUGEN. Nicht so ein pimpiges Kopfnicken. Der Tür-Inhaber verneigte sich seinerseits bis zum Fußboden und murmelte dezent zurück: „Oheiaschgaseim…. Spahanzzzahn.“ Dann wandte er mir sein starr grinsendes Gesicht zu und zog eine Augenbraue schicklich nach oben. Und Spahnzahn erwiderte voll unverkennbarer Häme: „Thon-Zzzahn! “
Zwischenbemerkung: Natürlich ist jedem klar, dass Spahnzahn nicht Thon-Zahn sagte. Sondern Thon-San. Gesprochen eher Zzzaan, wird im Japanischen an den Namen gehängt und ist so was wie Herr und Frau. Mit einem irgendwie erforderlichen Ehrfurchts-Aspekt.
Wo war ich? Ach ja, an der ersten Tür. Nach der siebten muss ich aufgehört haben zu zählen. Denke ich. Falls ich noch denken konnte. Denn irgendwo zwischen der zehnten und einundzwanzigsten bekam ich zuerst einen akuten Bandscheibenvorfall und während Spahnzahn wie ein Gummi-Flupp von Tür zu Tür hüpfte, stets ein heiteres „Oheiaga-Dings “ auf den Lippen, fiel ich schließlich noch nicht mal in der Mitte des Ganges angekommen mit der Grazie eines Mehlsacks zu Boden.
Was den direkt hinter mir her schleichenden Blabla-Deiregder einmal mehr bewog, mich aufzuglauben und in ein Zimmer zu schleppen. Emsig wie eine Ameise, die einen erlegten Heuschreck abtransportiert. Dieses Mal, allen japanischen Küchen-Göttern sei Dank, auf einen recht bequemen Stuhl. In dem ich für ein langes halbes Stündchen verkrümmt vor mich hindämmerte.
Bis mir ein nicht minder kleiner Mann mit strenger Miene ein riesiges Glas voll grünlichem Abwasser überreichte in dem schleimige Fäden, Krümel und allerlei Zeug schwamm. Verdächtig zappelndes Zeug, das bin ich bis heute bereit zu schwören.
„Trunk diis! “ befahl der Mann, was mich zu der irrigen Annahme bewog, er spräche Deutsch. Und so unwirklich es sich bis heute für alle, die mich kennen anhört, ich trank tatsächlich ein paar Schlucke der widerlichen Brühe. Vielleicht weil der kleine Blabla-Deiregder, der immer noch tapfer neben mir ausharrte (oder von der Anstrengung mich zu schleppen gelähmt war?) kurz zuvor in mein Ohr geflüstert hatte, dass sei der Boss mit seinem frühmorgendlichen O??grrrrOA?? das eh jeder trinken müsste.
Ich tendiere allerdings eher zu der Meinung, dass mein Hirn zu diesem Zeitpunkt bereits in eine Art Schutz-Koma gefallen war. Denn immerhin befand sich just in dem Moment nicht nur mein Rückgrat kurz vorm Zustand des völligen Zerbröselns, nein, mir war auch noch grauenerregend übel, ich sah alles wie durch einen Schleier und litt unter beginnenden Verdauungsproblemen.
Und unter einem schweren paranoiden Schub, denn ich verdächtigte das fies guckende Mini-Chefchen mir aus Bosheit was Giftiges untergeschoben zu haben.
Ein ordinärer Irrtum, wie mir ein all-umfassendes Geschlürfe alsbald bewies. Aufblinzelnd sah ich in – wie es mir schien – gut hundert schmatzende Grins-Gesichter, die sich erstaunlicherweise alle in Brusthöhe befanden. Was mich wiederum zu der Annahme verleitete, ich sei von einem Rudel kniender Asiaten umringt. Die ohne Ausnahme aus Riesen-Gläsern grünlichen Schleim schlürften. Gern hätte ich geschrien. Hätte ich nur gekonnt.
Dazu nur folgendes: An meinem Befremden gegenüber einem Verhaltens-Kodex, der ausdrücklich laut schmatzendes Schlürfen samt schmuddligen Geklecker beim Nahrungsaufnehmen billigt, andererseits den Benutzer eines Taschentuchs für immer und ewig ins gesellschaftliche Nirwana verbannt, dafür dann aber gellende Opern-Musik auf dem Klo und Wurm-Kuren alle halbe Jahre für normal und unumgänglich hält, hat sich nix geändert. Auch halte ich bis heute wenig von dem ständigen unmotivierten Gegrinse, der Verbeugerei oder dem grollenden Geknurre, das jedem japanischen Mann beim Sprechen in voraussehbaren Abständen Hustenanfälle beschert.
Andererseits billige ich jedem seine eigenen irrwitzigen Schrullen zu. Ich hab ja selbst genug davon.
Was ich dagegen nicht hatte, war eine Vorahnung. Damals. Denn dann wäre ich vermutlich – Geld hin oder her – mitten durch die bimmelnde Light-Show davon gestolpert.
...to be continue
FinisNoXx
*Mein kleiner Blabla-Deiregter und seine Frau wurden später meine lieben Freunde.
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Und wo bleibt jetzt Afrika, fragen Sie sich möglicherweise. Immer mit der Ruhe. Oder auf japanisch… Hm. Wie war das noch gleich?
Oisha-san ni tsurete itte kudasai!
Bestimmt. Doch, doch. Das war's. Ich bin mir fast sicher.