Ich würde ja guten Morgen sagen, aber irgendwie ist’s schon fast Mittag. Macht nichts. Heute ist Sonntag, da darf ich das. Nur mein Frühstücks-Mann aus dem Fernsehen ist nicht mehr da. Oder ist heute nicht da. Verständlich, der braucht auch mal einen freien Tag, sonst lächelt er sich noch in eine Wahnvorstellung rein.

Und was nehme ich heute als Thema?

Etwas mit Liebe soll es sein.

Na, dann ist es ja sonnenklar. Hm. Das war jetzt ein bisschen ungeschickt ausgedrückt, denn leider ist es alles andere als Sonnen-klar. Und das könnte meinen Helden einen dicken Strich - oder besser gesagt eine dicke Wolke - durch die Rechnung machen. Wolken? Helden? Na, möglicherweise haben Sie es ja schon erraten. Mein Thema.

Es ist der alljährliche Perseiden-Schauer.

Ganz richtig. Mein Beitrag zur Liebe ist ein Sternschnuppen-Regen. Ich finde, das passt wunderbar. Jedenfalls für mich. Denn als ich gestern, nach einer weiteren schlaflosen Nacht von Erinnerungen geplagt schließlich und endlich ganz mutlos auf dem Balkon strandete und betrübt in den Himmel starrte, waren sie da.

Unirdisch, wunderschön zogen sie am nächtlichen Himmel dahin. Nicht von dieser Welt. Kein Kummer, kein kleinliches Gezänk würde ihnen je etwas anhaben können. Ich schaute sie an und fragte mich ob sie wohl Liebe kennen? Mitgefühl? Freude?

Unfug! Erwiderte mein logischer Verstand.

Und doch. Wer weiß. Mein Herz tat immer noch weh. Aber obgleich ich es nicht erklären kann, schien es mir beinahe als wollten sie mich trösten. Ich fühlte mich getröstet. Warum auch nicht? Sie waren schon da bevor es Menschen gab. Und vermutlich werden sie noch funkelnd ihre Bahnen ziehen, wenn wir längst gegangen sind.

Ich schlief ein. Einfach so. Auf einem Korbsessel auf dem Balkon. Traumlos und tief, bis zum Morgen und zum ersten Mal seit Wochen dachte ich nicht mehr an die leere Stelle in meinem Herz.

Und deshalb sitze ich nun hier mit meiner Kaffeetasse in der Hand und schaue nach draußen. Zum Himmel hinauf, durch die weiß-grauen Wolken hindurch direkt zu den letzten Licht-Schleiern unserer Welt und darüber hinaus, bis ich weit weit weg bin, mitten zwischen den Sternen, wo die funkelnden Splitter des riesigen Kometen noch immer auf die Erde zustürzen. In Farben schillernd, für die noch keine Worte erfunden sind.

Und vielleicht wäre mir dort draußen ein wenig ängstlich zumute, wenn sie so an mir vorbei wogen; ganz lautlos wie ein Schwarm unirdischer Zugvögel auf ihrem letzten Flug durch die Heimat, vorbei an den großen stillen Riesen, fort von der dunklen Leere, in der sie so lange Zeit ihre Bahnen zogen.

Ja, so stelle ich es mir vor.

Wie ihr uraltes Dasein in einem letzten furiosen Spektakel verglüht; heller als die Sterne der Nacht und schöner als alles, was Menschen erschaffen könnten.

Und überall dort auf der Welt, wo die Wolken den Menschen nicht die Sicht versperren, werden wir stehen und ihren Todeskampf bewundern. Und die Träumer unter uns werden sich etwas wünschen, denn wir alle hoffen, dass etwas so Wunderschönes, das nur für uns zu verglühen scheint in seiner letzten Sekunde den einen besonderen Wunsch mit auf seine Reise in jene andere Welt nimmt, wo Wünsche immer in Erfüllung gehen.

FinisNoXx

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Süval

Süval bewertete diesen Eintrag 21.08.2016 12:36:18

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