FinisNoXx
Dies ist ein Kein-Blog sondern eine – meine – Geschichte, wie ich ins Internet kam. Also außerhalb meiner bis dato ausschließlich Arbeits-bedingten Nutzung. Das kommt Ihnen seltsam vor? Nun. Nicht jeder Mensch schießt gern mit imaginären Schießprügeln auf imaginäres Vieh-Zeug. Oder was auch immer. Nein. Diese Seite des Nets hat mich nie interessiert. Nichts lag mir ferner als mit fiktiven Elfen, Trollen, Einhörnern und Schlimmeren Freundschaft zu schließen. Ich mochte ja nicht mal meine realen Freunde allzu oft sehen. Außerdem war die Vorstellung für mich geradezu abenteuerlich, mein Bild im Net sehen zu müssen. Es ist dies die eine Sache, die ich immer abgelehnt habe. Natürlich NICHT wegen der wilden Spekulationen ich sei eigentlich kein Mensch. In dem Fall könnte das Bild da ja eine Fäl…
Lassen wir das.
Nun denn. So begann es. Vor ungefähr 11 Jahren saß ich an einem langweiligen Auftrag. Wie immer. Es wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben, wieso ausgerechnet ich just diesen Kram als annehmbare Verdienst-Möglichkeit ausgesucht habe. Fand es nie annehmbar. Und doch schrieb ich Programme (als da noch was zu schreiben war) bastelte Web-‚Auftritte‘ für irgendwelche stets meckernden Heinis, deren Vorstellungen mir oft genug Tränen in die Augen trieben, gestaltete Logos, Grafiken, verjüngte Firmen-Chefs und setzte die bis zur Nicht-Kenntlichkeit ge-photoshopten Gesichter ihrer Frauen auf Cindy Crawfords Körper und - erlitt nach und nach schwere traumatische Ödnis-Ausfälle im Hirn.
Zu allem Ungemach ließ ich mich irgendwann überreden Schulungen zu geben. Geld, what else. Erst Corel und Excel. Später Photoshop. (Ganz nebenbei. Ich bin ziemlich gut. Ich bin richtig gut. Ja.) Der Unterricht dagegen war so Grauen erregend – für mich -, dass ich alsbald in eine Dauer-Depression verfiel. An normalen Tagen hätte ich meine Schüler* gern erschlagen. An schlimmen Tagen sah ich sie direkt vor meinen Augen in Höllen-Schlünden verschwinden.
*Keine Kinder. Nein. Das denn doch nicht. Da säße ich heute im Gefängnis. Firmen-Schulungen.
Kleine Story am Rande. Bei einer Excel-Schulung FÜR FORTGESCHRITTENE (!) hatte ich gerade den Gebrauch einer lächerlich einfachen Funktion (KEIN MAKRO!) erläutert, die ja alle vorgegeben sind. Und wollte sagen, dass am Ende nur noch Enter gedrückt werden müsste. Gesagt habe ich: Sagen Sie jetzt Enter. Woraufhin die Hälfte der Idioten „ENTER“ rief.
Sie erkennen mein Problem?
Ich war nahe dran aufzugeben als ich entdeckte, dass ich überdurchschnittlich Multitasking-fähig bin. Das wundert Sie jetzt aber nicht wirklich, oder?
Also begann ich im Internet allerlei Unfug zu treiben, der Sie nicht das Aller-Geringste angeht. Bei einem meiner Streifzüge durch die banalen Abgründe des kommerziellen Nets – meine Schüler waren seit Tagen damit beschäftigt, das Mysterium der verschiedenen Ebenen zu ergründen (und ich wusste, das würde auch noch Tage dauern, es waren leitende Angestellte) landete ich auf Yahoo.
Ich war begeistert!
Soviel nutzlosen, erstunken und erlogenen Kwark auf einmal hatte ich bis zu diesem Tag noch nie gesehen. Ich glaube, ich erwähnte das schon mal irgendwann; ich war die Sorte SPIEGEL**-Leser, die sich allein Kraft dieser Lektüre jedem BILD-Proll weit überlegen fühlte. Wenn ich Ihnen nun noch erzähle, dass ich selten – eigentlich nie – lachte (na ja, Treppenstürze fand ich immer lustig) jede Art von Spiel und Spaß verabscheute und zur links-lastigen Extrem-Rechthaberei neigte, haben Sie schon ein ungefähres Bild von mir.
**STERN, SÜDDEUTSCHE, WELT, GEO; ich habe kein Klugscheißer-Blatt ausgelassen (die GEO lese ich immer noch)
Ich spiele übrigens bis heute nicht. Schon gar nicht im Internet. An jenem einen entscheidenden Tag, als ich Yahoo entdeckte, blieb mein Blick einzig darauf hängen, weil dort in sehr großen Buchstaben stand: Besuchen Sie unsere Community und antworten Sie auf unsere Clever-Fragen. Heute: Kann ich mich mit meinen Haaren im Schlaf erwürgen?
Natürlich glaubte ich an einen Scherz. Was denken Sie denn. Also antwortete ich mit ernstem Gehabe, dieses Problem – in der Medizin als Valerianella-locusta-Syndrom bekannt – raffe weltweit jährlich tausende Menschen hin und sei drum nicht auf die leichte (Haar-umschlungene) Schulter zu nehmen.
Noch am selben Tag schrieb mir – via Clever, ich war erstaunt, dass das möglich war – ein Mann, der sich ‚FLE‘ nannte, er hielte mich für die klügste Person, die er jemals das Glück hatte kennenlernen zu dürfen. Das könnte er zuverlässig erkennen, denn ER SEI die klügste Person der Welt, sein IQ gar nicht messbar, er leite eine geheime Organisation zur dauernden Rettung der Welt und außerdem sei er besonders gut mit Herrn Cousteau*** bekannt (der ihn oft mit seiner Anhänglichkeit nerve) habe aber über diesen eine innige Freundschaft mit einem Oktopus geschlossen, was ihn nachsichtiger mache. Zudem habe er eine große Damen-Anhängerschaft auf einer Seite namens 360°. Und natürlich holten alle Regierungs-Chefs bei heiklen Fragen seinen Rat ein, auch sei er ein berühmter Pilot und Dichter und im Gegensatz zu den Mäusen kenne er DIE ANTWORT!
***Herr Cousteau war zu diesem Zeitpunkt fast 10 Jahre tot. Mithin nervte ihn eine Leiche. Ich war - keine Ahnung was ich war. Hin und weg? Völlig aus dem Häuschen? Einem Hirnschlag samt Kieferausrenkung sehr nahe, weil ich nicht aufhören konnte zu lachen?
Das glauben Sie nicht? Suchen Sie auf FB nach der 360 Gedächtnis-Gruppe und fragen nach FLE.
Wo war ich? Ach ja. DIE ANTWORT! Wenn ich mich seiner Anhängerschaft anschlösse, beschwor FLE mich (in täglich rund 30 Nachrichten) würde er mir Das Wort verraten.
Meine sieben Direktoren kämpften immer noch mit den Ebenen und ich war zuversichtlich einen Serien-Mörder oder wenigstens völlig Irren entdeckt zu haben. Also begab ich mich auf diese Seite, 360°, von Yahoo. So eine Art FB-Vorläufer. FLE bot mir sofort begeistert an, mir bei der Einrichtung einer eigenen Seite zu helfen. Seine Kenntnisse in Grafik-Programmen seien unübertroffen.
Ich hätte ja wieder gelacht.
Doch an diesem Tag lernte ich zwei meiner heute allerliebsten Freunde kennen. Der eine war ein Star auf 360. Die andere ein ganz neues – sehr skeptisches - Mitglied von FLE’s Anhängerschaft. Der eine schrieb mir sehr wütend, ich solle ja nicht in die Fänge dieses speziellen Scharlatans geraten, eine seiner Freundinnen hätte ihre Familie, ihren Job, ihre Selbstachtung und vermutlich auch all ihr Geld an dieses Stück Dreck verloren.
Die andere war meine liebe Anne.
Annelie Bell. LieBelle.
FinisNoXx
Der Rest ist Geschichte. Für mich. Und Anne. Und meinen lieben Freund Motz. FLE gibt es nicht mehr. Seine Sekte fiel in nicht ganz vier Wochen unerklärlichen Umständen zum Opfer und bald schon war auch er vom Bildschirm verschwunden. Obgleich er noch zu retten versuchte, was nicht zu retten war. Völlig verzweifelt verriet er mir dem Ende zu das ultimative Geheim-Wort des Universums: MANILA! Wahlweise auch PUFF! Das wäre EMPIRISCH!
Ja! Sollte ich mal in Gefahr geraten, todkrank werden oder mich anderes Ungemach heimsuchen, sollte ich an ihn denken und „MANILA!“ rufen. Oder PUFF! Das hätte er wohl selbst tun sollen.
Ich dachte eh ständig an ihn. Allerdings nicht ganz so, wie er sich das wohl vorgestellt hatte.
Drei Wochen später, in denen meine Direktoren fast begriffen hatten, wozu Ebenen gut sein können, mir ein offenkundig ständig volltrunkener Indianer-Stamm aus Idaho die Mitgliedschaft antrug (sofern ich nicht satanischen Ritualen frönte) und FLE’s Stellvertreterin MISU mich in einem Epistel (das bis heute zu meinen liebsten Charakterisierungen gehört) auf 360 als die ‚Unwissende Herrlichkeit der lügenden Potenz und der dunklen gestammelten Worte aus der Familie des kleingeistigen Gemüses der Melan-Cholie, die aus der Nullten Dimension grell strahlend hervorgebrochen ist! ‘ benannte – womit sie zweifelsohne Recht hatte war aus meiner Mitstreiterin Anne, der schüchternen Anne eine Freundin geworden. Die sich tapfer zusammen mit mir und Motz in den Kampf gegen den Möchtegern-Guru FLE gestürzt hatte. Ich kann bis heute nicht ermessen, was sie das an Überwindung gekostet hat.
Was ich aber weiß ist dies: Anne ist ein wunderbarer Mensch, der mich seit nunmehr 11 Jahren klaglos erträgt, in meinen schlimmsten Stotter-Momenten ruhig meine Worte ergänzt (was sie als einzige darf) und es ungeheuerlicherweise fertigbrachte, sich niemals mit mir zu streiten.
Das ist ein Wunder. Möglicherweise ist ja Anne gar kein Mensch. Ganz sicher aber ist sie der fröhliche Teil auf dem Bild, das ich vor zwei Jahren für uns beide als Poster drucken ließ.
So. Ich muss jetzt mal gehen und ein bisschen böse sein. Vielleicht schmeiße ich irgendwen in eine Grube. Ach nein. Das war ich ja selbst.
Na, egal.
Böse Grüße!
Eure Herrlichkeit der düsteren und unsinnigen Worte!
FinisNoXx