Vorwort:
Sind Sie genervt? Fallen Ihnen die üblichen Verdächtigen schlimmer als sonst auf die Nerven? Träumen Sie von ungebührlichen Aktionen? Und lächeln gar noch dabei?*
Dann ist es Zeit!
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Danke!
Für was? Da muss ich erstmal fragen: Haben Sie japanische Freunde? Und sind die außerdem über Ihren, na, sagen wir mal – gelegentlich etwas unwirschen Charakter im Bilde? Dann kann Ihnen geholfen werden. Sozusagen ultimativ.
Wenn Sie also spüren, dass Sie kurz davor sind Herrn Lecter Konkurrenz zu machen, rufen Sie doch lieber diese Freunde an und bitten um eine Tee-Zeremonie.
Klar ist das sehr aufwendig – für die Gastgeber. Macht nix. Auch nach dreißig Jahren Deutschland sind solche armen Würste nicht in der Lage zu sagen: „Wohl einen an der Waffel? Nix is!“
Deshalb können Sie sich schon bald frohgemut auf den Weg machen.
Part 1:
Angekommen, betreten Sie (garantiert) einen Steingarten – es gibt immer einen Steingarten und sei er 10 cm groß - überkweren die kleine Brücke (könnte bei größeren Füßen gefährlich werden) und umrunden alle Mini-Bäume und –Pflanzen samt sonderbarer Figuren und tröpfelnder Steine. Inmitten dieser japanischen Oase steht irgendwo dezent eingepasst eine Art Pavillon, der zur Garten-Seite hin offen ist.
Wichtige Info! Betreten Sie das Holz-Schachtel-Zimmerchen dahinter NIEMALS durch den Garten. Denn Ihnen ist klarerweise überhaupt NICHT aufgefallen, dass da eine Wand fehlt!
Wie jeder normale Gast klingeln Sie am Seitentürchen, verbeugen sich wenn die Tür aufgeht und murmeln mit gedämpfter Fistel-Stimme: „Konnichiwa, XY-San.“**
Hinter der sich ebenfalls verbeugenden Gestalt sehen Sie (falls Sie ich sind) an diesem Tag zum letzten Mal ein sehr hübsches, möglicherweise sehr missgestimmtes Gesicht, bevor es sich ein für alle Male (an diesem Tag) in eine starre Maske verwandelt. Ungerührt verbeugen Sie sich wieder, dieses Mal können Sie sich das japanische Getue sparen. Ihre zwangsweise Gastgeberin würde es Ihnen eh nicht glauben. Allerdings sehen Sie plötzlich – und das lässt Sie ein wenig schaudern – ein ganz und gar un-japanisches Funkeln in diesen schönen Augen vor sich.
Machen Sie sich nix draus, denn schon geht es los!
Part II
Strecken Sie nun Ihre Arme steif aus und lassen Sie sich ohne Gegenwehr in paar Hundert Meter stock-steifer Seide einwickeln. Ja. Das ist schmerzhaft. Dafür ist es überaus kultiviert. Nun treten Sie an die Flur-Wand zurück, drehen sich um und schlupfen dezent in ein Paar Zehen-Treter-Socken von ungewöhnlich schleimig-schmieriger Konsistenz, die obendrein auch noch gleichzeitig zu groß und zu klein sind.
Nein. Fragen Sie nicht. Hab keine Ahnung. Belästigen Sie ihre Gastgeber nicht mit dem Anblick Ihrer Füße!
Kleiner Tipp, der Ihnen das Leben retten kann! Zerren Sie schon zuhause Ihre Haare straff nach hinten zu einem Knoten, aus dem KEIN Haar raus ragt! Sie möchten NICHT, dass Ihre Zwangs-Gastgeberin Ihnen DABEI hilft. Glauben Sie mir.
Wenn Ihnen nun das Luft holen schwer fällt und Sie auf den Socken hin und her wanken, sind Sie gebührlich bekleidet und erhalten nach einer ausgiebigen Handwäsche (mit einem beeindruckenden Aufgebot feuchter Läppchen) von Ihrer Gastgeberin ein gefaltetes Stöckchen, einen großen und einen kleinen akkurat rechteckigen Lappen, sowie ein DINGS, bevor Sie mit einer sehr dezenten Handbewegung auf eine Schiebe-Luke hingewiesen werden, die ungefähr 10 cm vor Ihrer Nase ist.
Es versteht sich von selbst, dass Sie KEINE Ahnung von der physischen Existenz dieser Zwergen-Tür hatten.
Den großen Lappen brauchen Sie übrigens später tatsächlich noch. Der Rest wird Ihnen – wie mir – ewig ein Rätsel bleiben. Wollen Sie unbedingt ein Pingel sein, googeln Sie halt.
Ansonsten machen Sie sich nix draus. Sie müssen es eh nicht wissen. Nachdem Sie beide Lappen und das DINGS im Vorderteil (oben) ihres Gewand-Wickels verstaut haben (die Zipfel müssen vorgucken), sinken Sie vor der Mini-Tür mit einer eleganten Bewegung auf die Knie.
Na ja. So sollte es sein. Versuchen Sie es halt. Klappt nie, freuen Sie sich also wenn Sie sich nicht da schon eine Bein brechen. Immerhin, falls Sie dann doch irgendwann knien, öffnen Sie leicht vorgebeugt die Schiebetür, rutschen ins Zimmer, drehen sich um (auf Knien) und ziehen das Papp-Ding wieder zu.
Beim rumkriechen schieben Sie das Stöckchen (in Wahrheit ist es ein Fächer, nur entfalten Sie das Ding nie, also woher sollten Sie das wissen) immer vor sich her. Na ja. Nein. Sie schieben es ein Stück, rutschen ein Stück, schieben ein Stück, rutschen … und so weiter.
Ja, ja.
?
Geht mir genauso. Nutzt aber immer noch nix mich zu fragen.
Nun dürfen Sie sich erheben. Idealerweise in einer einzigen fließenden Bewegung. Aber was ist schon ideal in diesem Leben. Allein dank der Monster-Socken falle ich zum Beispiel regelmäßig dabei um; geht’s Ihnen auch so, machen Sie sich nix draus, ihre Gastgeberin ist sowieso noch nicht da.
Wenn Sie endlich stehen, stöhnen Sie gefälligst nicht so laut, Sie befinden sich schließlich am Anfang einer ungemein ästhetischen, ur-alten Zeremonie! Reißen Sie sich zusammen und heben Ihren Kopf um – natürlich gemessen (also praktisch todesähnlich) – den Raum zu betrachten.
Im Prinzip eine Schachtel aus Sperrholz, die – wer weiß schon warum – nur drei Wände hat. Aber das wussten Sie ja schon. Allerdings nur als Abstraktion, in der Realität tun Sie so als WÄRE da eine Wand.
An einer der drei Wände steht ein Wassertopf; den bemerken Sie erst mal noch nicht. Nach gefühlten 10 Jahren darf Ihr Blick endlich auf die Haupt-Deko-Attraktion des Raumes fallen, absolut zufällig natürlich. Äußern Sie ihr ungeheuerliches Erstaunen über diese sensationelle Entdeckung durch marginales Anheben einer Augenbraue.
Die Haupt-Deko-Attraktion ist immer eine Vase mit einem verschnurbelten Ästchen drin. Gelegentlich hängt eine Blüte dran. Das ist dann so sensationell, dass Sie auch mal beide Augenbrauen heben dürfen. Drüber hängt immer ein japanischer Spruch auf einem sehr alt aussehenden Stück Papier.
Sehr kultiviert!
Begucken Sie das Ästchen eine Weile. Dann verneigen Sie sich. Ja. Vor dem Ästchen. Begutachten Sie nun den Spruch an der Wand. (Manchmal verdächtige ich meine lieben Freunde, dass da in Wahrheit irgendwas steht wie: Leck mich am …)
Auch egal. Sie können es eh nicht lesen. Ich auch nicht. Neigen Sie trotzdem interessiert Ihren Kopf, lassen Sie das Echo eines Hauchs eines Lächelns über ihr Gesicht schweben und verneigen Sie sich. Vor dem Gekritzel. Was haben Sie denn gedacht.
Nun wandeln Sie harmonisch (schlurfen Sie wie ein Zombie***) auf den Wassertopf zu. Sie stellen fest: Es ist ein Wassertopf. Auf einer Koch-Platte. Vermutlich mit Wasser. (Auch wenn die Neugierde Sie überwältigt, heben Sie NICHT den Deckel um nachzusehen!)
Mit einem kleinen (angedeuteten) Kopfnicken bestätigen Sie niemanden, denn es ist ja niemand da: Es ist tatsächlich ein Wassertopf. Erfreut darüber verneigen Sie sich wieder.
Vor dem Topf.
Nun schlurfen Sie in die entfernteste Ecke (im Durchschnitt 50 cm vom Wassertopf weg) – verbeugen sich vor der Ecke – und versuchen erneut sich elegant auf Ihre Knie sinken zu lassen. Dabei fallen Sie bestimmt ein paarmal auf die Seite und haben – dank der Seiden-Mumifizierung und der rutschigen Schlapp-Socken enorme Schwierigkeiten wieder hoch zu kommen.
Machen Sie sich nix draus. Ist immer noch keiner da. Außer Ihnen.
Knien Sie endlich aufrecht, suchen Sie nach Ihrem Hölzchen-Fächer. DAS IST WICHTIG! Vermutlich haben Sie ihn beim Wassertopf verloren. Angeln Sie vorsichtig danach (in dem Topf IST heißes Wasser) und verstauen Sie ihn anschließend unter Ihren jetzt schon schmerzenden Füßen.
Wo er übrigens völlig funktionslos liegenbleibt. Bis Sie wieder gehen und das Dings, samt allem anderen Kram Ihrem lächelnden Gastgeber überreichen. Selbstredend mit einer Verbeugung.
Part III
Nun geht eine zweite Tür auf.
Ja! Das Holz-Schächtelchen-Zimmer mit drei Wänden hat zwei Schiebe-Türen. Herein kommt ihre Gastgeberin. Auf zwei Beinen! Mit einem schlicht-eleganten Tablettchen, auf dem zwei Kekse liegen. Mit einer leichten Verbeugung (Hurra, sie hat mich bemerkt? Nein. Doch nicht.) jedoch ohne Sie direkt anzuschauen, stellt sie die Kekse unmittelbar vor Ihre schmerzenden Knie.
RÜHERN SIE JA DIE KEKSE NICHT AN!
Nun dreht sie sich um und beguckt den Wassertopf – Oh! Ein Wassertopf? - und verlässt den Raum. Auf zwei Beinen. Kurz darauf hören Sie ein Rascheln. Was ist denn das? Es ist ihre Gastgeberin. Die wieder kommt. Mit einem großen Pott in den Händen. Der einen Deckel hat. Kaum im Raum, sinkt sie beneidenswert flüssig-elegant zu Boden und verneigt sich wieder vor dem Wassertopf.
Sie dagegen könnten ebenso gut eine Schnake an der Wand sein.
Um die Sache abzukürzen – denn nun wird es ein wenig endlos – stellen Sie sich einfach vor, wie Ihre Gastgeberin – immer noch ohne Sie zu bemerken – wieder und wieder in Slow-Motion den Raum durch die zweite Tür verlässt, zurück kommt und ein ums andere Mal lässig zu Boden sinkt um folgende Mitbringsel dort zu deponieren:
Einen bemalten – wenn auch kleinen - Nachttopf, einen etwas größeren Pott mit Deckel, mehrere unterschiedlich gestaltete Pöttchen (Japaner halten nichts von zusammengehörenden Services) mehrere Läppchen in unterschiedlichen Größen, einen sonderbaren Rasierpinsel, ein Holzklötzchen und eine so verschrobene Schöpfkelle, dass Sie anfangs nicht einmal ahnen, dass DAS eine Schöpfkelle sein soll.****
Als Letztes trägt Ihre Gastgeberin sehr sparsam lächelnd (!) ein lackiges Pöttchen mit Deckel und einem Stäbchen herein, das irgendwer vorne breitgeschlagen hat - also das Stäbchen - zupfelt sich ihre Plünnen zurecht und bringt sich in eine – dem Wassertopf zugewandte – kniende Position. Mit unbewegter Mimik und so flüssig-elegant wie eine Klapper-Schlange, die mal so nebenbei ein Karnickel erwürgt.
Ihre Beine dagegen sind nicht mehr nur einfach eingeschlafen, sie sind praktisch abgestorben und Sie wünschen sich den Tod herbei.
Da können Sie lange warten – ach! Das tun Sie ja. Ich glaube übrigens nicht, dass jemals ein Japaner während einer Tee-Zeremonie gestorben ist. Denn wenn doch, hätte es keiner bemerkt. Oder jedenfalls kein Wort darüber verloren.
Das sage ich nur, um Ihnen Mut zu machen. Denn während Ihre Gastgeberin nun ein DDR-Pionier-Halstuch von ihrem breiten Gürtel-Ding klaubt (ja, ja, es heißt Obi, Klugscheißer) versucht Ihre letzte, noch lebende Gehirn-Zelle das Weite zu suchen.
LASSEN SIE DAS SEIN!
Eben jetzt sollten Sie aufpassen wie ein Schießhund. Zugegeben. Der Bring-den-Kram-rein-Teil kann sich eine Ewigkeit hinziehen, aber glauben Sie mir: Angesichts dessen, was am Ende kommt MÖCHTEN Sie bei Bewusstsein sein.
Zuerst allerdings beginnt ihre Gastgeberin jedes mitgebrachte Teil mit dem Pionier-Halstuch – das sie mittels einer sehr aufwendigen Falt-Technik zu einem kleinen Kästchen gewürgt hat - zwei Zentimeter über der jeweiligen Oberfläche des sehr zeremoniell gehaltenen Gegenstandes nicht abzuwischen. Inklusive – das versteht sich ja von selbst - des breitgeschlagenen Stäbchens und des Schöpfkellen-Stiels.
Sie könnten währenddessen lauthals schreiend von einem Ninja filetiert werden, Ihre Gastgeberin würde weiterhin hingebungsvoll in der Luft über den Geräten rumfuhrwerken. Offenkundig kann sie Sie weder sehen noch hören.
DAS IST EIN TRICK!
Passen Sie auf wie ein Luchs! Denn irgendwann – meist wenn Sie grad am wegdämmern sind – kommt sie zum lackigen Pöttchen. Das Tuch wird wieder gefaltet, entfaltet, gewürgt und über dem Deckelchen des Pöttchens durch die Luft gezogen.
Wenn sie das breitgeschlagene Stäbchen in die Hand nimmt (und es – Überraschung! – stundenlang leicht lauernd betrachtet) ist es fast soweit.
Sie haben mein Mitgefühl, denn Sie sind schon so gut wie komatös. Das wird Ihnen gleich leidtun. Denn urplötzlich wendet sich Ihre Gastgeberin – mit dem breitgeschlagenen Stäbchen auf Sie zielend – zu Ihnen um und während Sie sich noch erstaunt fragen was los ist, grinst sie Ihnen für den Bruchteil einer Sekunde wie Fiesel Phlox mitten ins Gesicht!
Menschen können so was nicht. Da bin ich mir ganz sicher.
Beim ersten Mal bin ich nach hinten gefallen, mit dem Kopf durch die Papp-Wand direkt in ein Steinbeet voller kleiner grauer Stachel-Gewächse, von denen etliche gut eine Woche lang untrennbar mit meinem Haar verbunden blieb.
Ich hatte tagelang Alpträume!
Immerhin, bei jenem ersten Mal unterbrach meine liebe Gastgeberin die Zeremonie. Allerdings nicht um mir aus meiner üblen Lage zu helfen. Weit gefehlt. Gänzlich un-japanisch zeternd versuchte sie - äußerst brutal! – die widerlichen grauen Stachel-Klümpchen aus meinen bedauernswerten Haaren zu zerren.
Und jetzt begänne Part IV. Aber ehrlich gesagt ist mir zu heiß, das Ding wird zu lang, also mache ich eine Fortsetzungs-Story draus. In diesem Sinne:
…to be continued
*Ich träume. Im Traum kann ich mich selbst lächeln sehen.
(So ein Mist! Jetzt fällt mir der Typ aus Essen ein, der seinen Vater überfahren hat, weil der Nudelauflauf nicht knusprig genug war. Ich konnte ihn irgendwie verstehen? Ich muss dringend ein besserer Mensch werden!)
**Frauen haben Fistel-Stimmen zu haben. Und sind Sie wenigstens so gnädig, nicht schon um 7.00 morgens da aufzutauchen.
***Das hat durchaus praktische Gründe. Extrem-Schlurfen verhindert ständiges Umfallen!
****Diese Schöpfkelle ist der BEWEIS! Dass Sie es mit einer echten Tee-Meisterin zu tun haben.
FinisNoXx
Für alle fremd-kulturell dauer-verstörten Anschleimer: Ich liebe meine japanischen Freunde und wenn ich könnte würde ich mir einmal die Woche eine Tee-Zeremonie gönnen.
Ich habe letztens sogar eingewilligt Gastgeberin-Lehrling zu werden – habe mich dabei verbrüht, mit Tee-Pulver bestäubt und die Schöpf-Kelle durch die Wand geschmissen.
Meine Freunde versuchen immer noch, mich zu einer Reality-Show (im japanischen Fernsehen) zu überreden.
Giftzwerge!