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Tatsächlich, ja ich habe es geschafft die Kiste nicht ein zu schalten. Und das seit 36 Stunden! Bin ich nun geheilt?

Als absoluter TV-Junkie eine Meisterleistung. Wobei, die Bild und Ton-Kiste fungiert ja mehr als fiktive Person. Sozusagen als elektronische Gesellschafterin. Eine Schickse ohne erotische Animositäten, die nicht viel Pflege braucht und relativ kostengünstig zu konsumieren ist. Mit ihrem roten Licht im unteren Bereich ihres voluminösen Körpers leuchtet sie mir verlockend entgegen. „Komm schalte mich ein“, flüstert sie immerwährend zu mir herüber. Ich brauche mich nicht mal von meinem Sofa zu erheben, um sie in Betrieb zu nehmen. Ein Knopfdruck aus der Ferne auf der Bedienung reicht und schon versorgt sie mich mit ihren vielfältigen Programmen.

Ich sage Nein. Mein Kopf ist voller Ideen. Du versaust mir diese nicht, indem Du mir etliche schlechte Meldungen präsentierst. Von dem Unheil, den Katastrophen, den Kriegen und unzähligen anderen Grausamkeiten in der Welt. Worauf sich anschließend dutzende scheinbar kluge Menschen in einer Runde formieren und mit weisen Worten lauthals die Welt retten wollen.

Ja, sicherlich Du bereitest mir auch freudige Stunden. Du zeigst mir ohnedies lediglich das, was ich wähle. Das Angebot ist reichlich. Aber heute hast Du Sendepause. Vielleicht tut es dir ein wenig gut, wenn deine Elektroden ein wenig ruhen. Du bist ja nicht mehr die Jüngste. Heute bleibt Deine Röhre kalt. Vielmehr habe ich auch keine Zeit. Ich habe noch was vor. Was, willst Du wissen liebesFernsehgerät ? Das verrate ich Dir nicht. Kann ja sein, dass Du ein wenig eifersüchtig wirst. Argwöhnisch beobachtest du ohnehin mein nahes Verhältnis zu dem Laptop. Ja, er darf auf meinem Schoß Platz nehmen. Na und, ist halt so liebes Ferntonkino. Ich habe die Macht über Dich in meinen Händen. Und es gibt nun mal Dinge, die gehen Dich einfach nichts an. Deine Zeit wird wieder kommen. Und nun hör endlich auf, mich mit Deinem staubigen Glasgesicht anzugrinsen.

Bin ohnehin schon in Eile. Voll freudiger Erwartung. Ein wenig nervös, aber scheinbar habe ich mich im Griff. Mein Ritual, welches  ich  vor einem besonderen Ereignis ins Auge fasse, ist ohnehin gut durchdacht. Somit kann ich beruhigt zu meinem Treffen gehen. Alles im Zeitplan. Meine Höflichkeit empfiehlt mir, zeitgerecht zu erscheinen. Meist gewinnt meine Pünktlichkeit gegen die obligatorische akademische Viertelstunde. Zumal ich  diese für mich, ohne jegliche  Universitätsvorlesungen sowieso nicht in Anspruch nehmen kann.  Ein letzter kritischer Blick in den Spiegel. Passt! Ich bin zufrieden mit mir. Das Wetter scheinbar nicht. Egal, eine kurze Strecke mit dem Auto und mein Haar versteckt sich schützend vor dem Regen  unter meiner Schirmkappe.

Entspannt nehme ich im  vereinbarten Lokal Platz. Bestelle mir einen Kaffee und kritzle noch ein paar Notizen in mein Geheimnisträger-Tagebuch.

Mit einem Moment war sie da, meine Verabredung. Leibhaftig mit einem bezauberndem Lächeln im Gesicht. Dieses Lächeln hat mich infiziert. Hochansteckend und hochgradig ist es in mich hinein gekrochen. Wohlig warm hat es mein Herz berührt. Dort soll es nun auch bleiben. Als eiserne Reserve für kalte, dunkle und einsame Tage und Nächte.

Nächte in denen ich mir dieses Lachen, oft vergeblich aus der Flimmerkiste hole. Mit kitschigen Liebesfilmen, wo der Prinz immer die Prinzessin bekommt. Der Held seine Heldin. Der erfolgreiche Geschäftsmann eine Hure aus der Gosse rettet.

Falls mir dies dann doch ein wenig zu sentimental wird, lasse ich andere Puppen für mich tanzen. Eine bunte Schar an tierischen Charakteren, deren Chef ein kleiner grüner Frosch ist. Wo sich eine Diva hafte blonde Sau schmachtend immer wieder an die Flossen des lustigen Gesellen heftet. Der turbulente Schlagzeuger, der schwedische chaotische Koch, der etwas einfältige aber sehr einfühlsame Bär am Klavier und viele mehr. Nicht zu vergessen, die beiden Nörgler in der Loge. Ätzend und permanent stänkernd reißen sie ihre Witze über das dargebotene Programm. Doch auch die Beiden amüsieren mich sehr und ich bin immer wieder erstaunt, wie liebevoll diese Stoffwesen gestaltet sind. Ja und sie bringen mich zum Lachen.

Doch das Gerät mit den vielen bunten Bildern, dem Sprachgewirr und musikalischen Ereignissen ersetzt niemals das wahre fühlende Leben. Das Fernsehen ist ein Gaukler, welcher mir Dinge vorspielt, die trickreich präsentiert werden. Eine viereckige Kiste mit unzähligen Dramen, Krimis, Dokumentationen, Diskussionen, Filmen abrupt unterbrochen durch kleine Spots. Zwanzig bis dreißig  Sekunden kurze – Sequenzen die mich penetrant zum Konsumieren und Kaufen auffordern. Wobei, die können mir nicht viel anhaben, ich zeige ihnen meinen schönsten Finger, samt dem langen spitzen scharfen Nagel dran. Bei mir gibt es nichts zu holen.

Ja mein liebes Patschenkino, im Augenblick kannst du Deine Kondensatoren schonen. Deine Hertz-Frequenz bleibt auf null. Mein Herz widmet sich derzeit anderwärtig. Und das tut gut. Einmal wieder ganz ohne dich aus zu kommen. Dein Kollege auf meinem Schoß präsentiert ohnehin ausreichend eine unüberschaubare Menge an Meldungen und Berichten, die ich regelmäßig aus sortieren muss. Dennoch scheint Dieser doch noch ein wenig mehr im Angebot zu haben. Mehr als lediglich passiv verzehrende Dinge.

Im Gegensatz zu Dir lieber Fernseher, hat er Tasten. Viel mehr als Du jemals haben wirst. Mit diesen kann ich meine stillen Gedanken mit vielen Menschen teilen. Und stell Dir vor, diese Menschen sprechen zu mir. Gut ich sehe sie nicht, ich lese ebenso ihre Worte. Jedoch hinter jedem dieser Worte sitzt ein lebendiger Mensch.

Wahrlich wunderbar ist es dann, wenn ich diese menschlichen Wesen tatsächlich real, lebendig und fühlend kennen lernen darf. Auch wenn es wie einer Deiner schnulzigen Schmonzetten klingt, ich habe dadurch scheinbar neue Freunde gewonnen. Mit einem charmanten, warmen und spitzbübischen Lächeln, dass Du mir nie bieten kannst.

Nichts für ungut, lieber Fernseher – Stand by.

Vielen Dank fürs Lesen!

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Bernhard Juranek

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