Blog-Bild: BildCollage byBluesanne
Das Bild in meinem Kopf, ich auf einem Motorrad, fand ich einfach nur geil. Zumal ein Ritt auf einem Pferd durch die Welt hat auch was Reizvolles an sich hat.
In meiner Aufbruchszeit nach der Scheidung hatte ich plötzlich derart viele Pläne und Ideen die ich unbedingt umsetzen wollte. Meine damalige Freundin schüttelte oft den Kopf über meine Vorhaben. Die Idee mit dem Motorradschein fand sie glatt weg als völlig verrückt. Weder sie, und auch der schwere Unfall meines Bruders 1991, konnten mich von meinem Wunsch abhalten. Mein Bruder war einem Monat nach dem Tod unserer Mutter, knapp 4 Wochen mit lebensbedrohlichen Verletzungen im Koma gelegen. Nachdem er nach vielen Monaten Reha wieder fit war, stieg er wieder auf sein Zweirad.
So kam es, dass ich mich im Spätherbst 1997 in der Fahrschule anmeldete. Zunächst einzig mit dem Ziel, endlich mit einer Maschin durch die Gegend zu fahren. Ein wenig Geld war noch aus der Abfertigung von der Firma, die ich im Sommer hinter mir gelassen hatte übrig. Zeit hatte ich ebenso zur Verfügung, da ein neuer Job noch nicht in Aussicht war.
Anfang Oktober 1997 drückte ich also wieder die Schulbank. In einem kargen Raum, gemeinsam mit vielen anderen Anwärtern auf das begehrte rosa Scheinchen. Aufmerksam folgte ich den Ausführungen des Vortragenden, schrieb fleißig Notizen in mein mitgebrachtes Schulheft und freute mich wieder auf das Lernen. Ich war schon immer gerne in die Schule gegangen, doch dieses Mal war es was ganz Besonders für mich. Die zwei Stunden am Vormittag vergingen wie im Flug. Jede Menge theoretisches Wissen galt es zu erarbeiten. Verkehrszeichen und deren Bedeutung, Straßenverkehrsordnung, technisches über das Fahrzeug und vieles mehr. Oft setze ich mich nach dem Unterricht noch in das nahegelegene Kaffeehaus und büffelte weiter.
Gleich in der ersten Woche hatte ich auch schon die erste Praxisstunde mit dem von mir so begehrten Fahrzeug. Gemeinsam mit ein paar anderen Fahr-Schulkollegen fuhren wir zu einem Übungsplatz. Da stand ich nun in der Kälte mit meiner schwarzen Lederhose und braunen Rauhlederschnürstiefel. Die Motorradjacke mit den eingenähten Protektoren, den Helm und Handschuhe hatte ich mir von meinem Bruder geliehen.
Zu Hause vor dem Spiegel in diesem Outfit stehend, sah ich mich schon über die Landstraßen fegen. Doch so weit war ich noch lange nicht. Jetzt musste ich zunächst Mal schauen, wie ich dieses enorm schwere Gefährt halten konnte, ohne dass es mir gleich umfiel. Voller Respekt und den Ausführungen des Lehrers folgend, griff ich das erste Mal nach dem Lenker. Trotz der ziemlich unwirtlichen Wetterbedingungen, wurde mir ganz warm ums Herz. Ziemlich rasch, nach den ersten Anleitungen durfte ich auch schon auf dem Motorrad Platz nehmen. Jetzt bloß nicht das Gleichgewicht verlieren. Der Fahrlehrer drückte mir den Schlüssel in die Hand. Ein feierlicher Moment, so als würde mir soeben ein Preis überreicht werden. Etwas unbeholfen mit den dicken Handschuhen an meinen Fingern, steckte ich den Schlüssel in das Zündschloss. Eine kurze Drehung, und da war es dieses Geräusch. Dieser Sound von etlichen PS klang wie Musik in meinen Ohren. Der Fahrlehrer zeigte mir wie das mit dem Gasdrehgriff, der Bremse und den vielen anderen wichtigen Elementen funktionierte. Aufgeregt hantierte ich mit den unterschiedlichen Teilen herum. In diesem Moment war mir nicht wirklich bewusst, dass ich in den nächsten Minuten, die ersten Meter selbstständig fahren sollte.
Ich war zwar in den Anfängen meiner Beziehung mit meinem Exmann schon auf dem Sozius gesessen, doch niemals vorne beim Lenker. Das hätte er mir niemals erlaubt und schon gar nicht zugetraut.
Doch jetzt war es soweit. Ich durfte lenken. Wie das funktionieren sollte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Würde der Fahrlehrer gemeinsam mit mir auf dem Motorrad sitzen?
Ein wenig erinnerte es mich an die Zeit als Kind, als ich Radfahren lernte. Alleine im Augarten setze ich mich auf die zwei Räder und trat vorsichtig in die Pedale. Die montierten Stützräder hatte ich nach oben gebogen, ich wollte die nicht. Es musste auch ohne sie funktionieren. Immer und immer wieder probierte ich es. Fiel hin, stieg wieder auf und balancierte wackelig auf den Schotterwegen durch den Park. Meine Knie waren damals ziemlich bedient. Aber das hinderte mich keineswegs, erneut auf den Sattel zu steigen. Mein Ehrgeiz war enorm. Oft übte ich bis in die Abendstunden, sodass ich völlig die Zeit vergaß. An so einen Spätnachmittag gelang mir endlich die erste Fahrt ohne Sturz und Blessuren.
Mit diesen Erinnerungen startete ich mit dem motorisierten Rad los. Mit all den zuvor erhaltenen Anweisungen im Kopf drehte ich die erste Runde auf dem Übungsplatz. Ein wahrlich erhebendes Gefühl. Meine erste Bremsung holte mich wieder in die kalte Realität zurück. Fast, aber wirklich nur fast wäre ich auf dem Boden gelandet. Womöglich das schwere Ding über mir.
Mein Fahrlehrer war ein Traum. Geduldig, erfahren, streng aber dennoch mit sehr viel Einfühlungsvermögen führte er mich an das Fahren heran. Immerhin kam es ja nicht allzu oft vor, dass so einealte Schülerin an dem Kurs teilnahm. Zumindest war ich damals die einzige Frau über 30. Er nahm vieles mit Humor und falls es dann doch ein wenig mühsam mit mir wurde, erklärte er es von Neuem. Selbst als ich mein Motorrad in der Garage nicht sorgfältig genug abgestellt hatte. Das schwere Ding kippte zwangsläufig um, und das prompt auf sein persönliches Gefährt. Ich dachte, jetzt ist alles vorbei, Ende ich kann nach Hause gehen. Natürlich war er nicht besonders erfreut darüber und sein teurer Hobel hatte ein paar Kratzer abbekommen. Ein wenig zerknirscht, aber dennoch nachsichtig ließ er mich sozusagen als Wiedergutmachung, das Motorrad dutzende Male auf den Ständer korrekt ab stellen. Üben üben üben.
Die unzähligen Übungsstunden zwischen den orange-weißen Verkehrshütchen, bremsen, anfahren, kuppeln schalten, die richtige Kurvenhaltung und viele andere Dinge waren anstrengend. Zumal ich mir ja bewusst auch noch die kalte Jahreszeit ausgesucht hatte. Bei schönem Wetter kann man bald fahren, dachte ich mir. Ich wollte jedoch auch die widrigen Bedingungen kennen lernen. Das Fahren auf nasser Fahrbahn. Wenn glitschige Blätter herumliegen, wenn der Wind mir von allen Seiten um den Helm bläst, der Regen an mein Visier klatscht. Alle diese Erfahrungen möchte ich erleben. Einige Ausfahrten waren tatsächlich eine enorme Herausforderung. Auf einer Landstraße mit knapp 80 km/h unterwegs. Der Fahrlehrer vor mir, ich in seinem Rückspiegel unter ständiger Beobachtung, hinterher. Bedacht darauf alles korrekt zu machen, konzentriert darauf, den richtigen Abstand zu halten und dann auch noch den aufkommenden Sturm zu bewältigen. Also ich glaube, da kamen ganz kurz kleine Zweifel in mir hoch, ob den das wirklich so fantastisch sei. Ein entgegenkommender LKW, der an mir vorbei brauste brachte mich ebenfalls ganz schön ins Wanken. Doch ich fuhr weiter.
Einige Male kam ich nach so einer Fahrstunde völlig erfroren und erschöpft nach Hause. Schälte mich mühsam aus den feuchten Gewand und fiel völlig fertig ins Bett.
Doch schon bei der nächsten Ausfahrt war alles vergessen. Auf geht’s, ich will Motorrad fahren. Ich wurde immer sicherer, musste nicht mehr oft so bewusst ans Schalten, Bremsen, Körperhaltung und andere Tätigkeiten, die das Fahren betrafen denken. So konnte ich es einfach richtig genießen, die Gegend an mir vorüber ziehen zu sehen.
Der Tag der Prüfungsfahrt war gekommen. Es war zwar mitten im Winter, aber ich hatte Glück mit dem Wetter. Es war zwar kalt, aber trocken. Ich weiß nicht mehr genau, wie lange die Fahrt gedauert hatte, aber ich war erstaunt, wie leicht es mir gefallen ist. Geschafft!
Ich war verdammt stolz auf mich. Mein Sohn, der dem Ganzen auch sehr skeptisch gegenüber gestanden ist, war es wohl auch.
Diese Fahrt bei der Prüfung ist meine Letzte bis heute geblieben. Ich hatte damals den Rat, auch die Lenkerberechtigung für PKW zu machen, angenommen. Was auch für mich in Ordnung war, aber eigentlich nicht so wichtig. Deshalb habe ich wohl auch für die bestandene Prüfung ein wenig länger gebraucht. Kurz nachdem ich endlich meinen Führerschein tatsächlich in Händen hielt, ergab es sich, dass ich zu einem günstigen Auto kam. Ein flotter kleiner sportlicher Wagen. Ich taufte ihn „Kurti“, in Ehrerbietung des hochgeschätzten Dr.Kurt Ostbahn.
Ein neuer Job mit angemessenem Gehalt stand nicht in Aussicht. Das Geld wurde immer knapper. Daher musste ich mich für ein Fahrzeug entscheiden. Es blieb schlussendlich das Auto.
Nun ist es fast auf den Tag genau 17 Jahre her, dass ich stolze Besitzerin eines Führerscheins bin. Ja und ich habe auch die Berechtigung die Fahrzeugklasse A zu lenken.
Doch ob ich es tatsächlich noch kann, weiß ich nicht. Ich denke dafür würde es wohl wieder ein paar Praxisstunden benötigen.
Sei es nun auf dem Sozius oder direkt am Lenker eines Motorrades, auf einem Fahrrad oder auf dem Rücken eines Pferdes. Auf einen Sattel werde ich mich sicher wieder schwingen. Doch vorerst muss ich wieder mit zwei Beinen im Leben stehen. Möge die Übung gelingen.
..ist zwar kein Song über Motorräder oder Pferde...es erinnert mich ganz einfach an die Zeit damals ;)...und afoch wüd, wie so eine Fahrt mit einem Motorrad!
WOS WÜ DE WÜDE HILDE? - Kurt Ostbahn (1991)