Blog-Bild: Mein persönliches Separee
Hotel, in dem Paare stundenweise ein Zimmer mieten, um geschlechtlich zu verkehren, so steht es als Erklärung im Duden.
Das klingt ja vorerst ziemlich nüchtern und eher abwertend, oder? Eine Runde Schnackseln in einem karg eingerichteten Zimmer. Abgenutzte Schaumgummimatratzen, darüber knautschige Latexauflagen auf knorrigen Holzbetten. Ein fast blinder Spiegel an der Decke. Abgestandenes anrüchiges schmuddeliges Ambiente. Leicht bekleidete Damen stöckeln, die Freier im Schlepptau über die engen Flure und verschwinden diskret mit ihnen in einen dieser spartanischen Räume.
Es geht auch anders.
Ich meldete mich freiwillig. Die Idee war großartig. Sie fand zwar nicht im ganzen Team gleich für Zustimmung. Doch uns fiel nicht wirklich ein anderes passendes Geschenk zu seinem runden Geburtstag ein. Der Kollege bekommt von uns einen Gutschein für das Hotel geschenkt. Auch wenn sich nun alle mehr oder weniger einig waren, niemand wollte so recht dort hinfahren. Die Herren hatten Bedenken, wegen ihrer Ehefrauen und die zwei Kolleginnen hatten keine Zeit. Zumindest hatten sie es so gesagt. Ich sammelte das zusammen gelegte Geld für das ganz spezielle Geburtstagsgeschenk ein. Gleich nach Dienstschluss fuhr ich los.
Ein wenig musste ich mit meinem Auto herum kurven, bis ich halbwegs Nahe einen Parkplatz gefunden hatte. Irgendwie war ich jetzt doch ein wenig nervös. Schickt sich das, als Frau da alleine rein zu gehen? Pfeif drauf, ich besorge lediglich ein Präsent zum Geburtstag. Für ihn und seine Ehefrau. Außerdem war meine Neugierde ohnehin größer als die Aufregung.
Fast feierlich schritt ich die Gasse entlang in der das 300 Jahre alte Gebäude stand. Zu Beginn eine Schenke, anschließend eine Herberge, bis 1896 das Hotel eröffnet wurde. Seinen Namen „Orient“ hatte es schon immer besessen. Wohl deshalb, weil zu dieser Zeit viele Boote mit Waren aus dem Orient Halt machten. Mein Weg in eine ferne Vergangenheit, dachte ich mir. Ich sah schon dieBrücke, die ebenso eine sehr alte spannende Geschichte begleitet. So wie fast jeder Stein in dieser Gegend wohl sehr viel aus der alten Zeit zu erzählen hätte.
Doch ich war im Jetzt und gleich musste ich in dieses Hotel hinein. Entschlossen betrete ich das Gebäude. Fasziniert von dem verschnörkelten schützenden Vordach über dem Eingang. Meine mit Cowboystiefeln bekleideten Füße, landen auf weißen Marmorboden und einem dicken roten Teppich. Dunkle opulente Holzwände empfangen mich mit stolzer Hingabe. Angeberische glitzernde Kristallluster hängen von den hohen Wänden. Alte Gemälde mit historischen Motiven lächeln mich an. Sofort bin ich gefangen von diesem fast schon aufdringlichen Überhang an Dekor. Plötzlich fühle ich mich komplett unpassend gekleidet.
„Kammerzofe, wo sind meine Reifröcke und die Corsage.“
Ich klingle, aber sie kommt nicht. Ein Mann mit Brille taucht vor mir auf. Er sitzt in einem winzigen Kabäuschen zwischen all dem Prunk. Ich begrüße ihn höflich und äußere meine Wünsche hinsichtlich des Geburtstagsgeschenks. Er schenkt mir ein freundliches Lächeln, kramt sofort in seinen Laden und Fächern herum. Etwas unsicher aber doch scheinbar wissend was er tut. Ich blicke weiter in das traumhafte Entree. Fasziniert sehe ich die rote mit dickem Teppich ausgelegte Treppe nach oben. Hoffend darauf einige Besucher zu beobachten. Da geht es also zu den Zimmern, hinter der sich die Menschen beglücken. Wie sehen die wohl aus? Wer treibt sich hier so rum?
Der Mann in der Loge überreicht mir die Gutscheine. Er wünscht mir einen schönen Tag. „Ich hoffe, Sie besuchen ebenfalls einmal unser Etablissement gnä´ Frau!“, meint er abschließend mit zwinkerndem Auge. „Ja, wenn ich den passenden Mann gefunden habe“, antworte ich lachend.
Langsam gehe ich Richtung Ausgang, werfe noch einen raschen Blick auf diese beeindruckende Vorhalle. Überlege kurz, ob ich noch in der Bar, gleich beim Eingang einen Kaffee trinken soll. Aber mein Parkschein läuft bald ab, die Realität hat mich wieder.
Wenn ich all die Geschichten um dieses legendäre Stundenhotel lese, wundere ich mich nicht, warum es auch mich so fasziniert hat. Auch wenn ich (noch) nicht in einer der unzähligen Zimmer verweilt bin. Es war auch für viele andere Menschen eine Inspirationsquelle und ein wunderbarer Ort für Film und Fernsehen. Der Mythos des Hotel Orient. Literatur dazu vonSylvie Blum (Fotografie) undErnst Molden (Text).
Ein Gebäude, das keineswegs schmuddelig, abgegriffen oder schmierig ist. Vielmehr ein Ort mit genau dem Maß an Frivolität die keineswegs anstößig ist. Den Zauber an Geheimnis bewahrend welches Liebe, welcher Art auch immer, reizvoll macht. Wissend der Dinge, die in den Zimmern geschehen, dennoch keineswegs pervers aufdringlich. Eben ein Hotel in feinsten burlesken Gewande gehüllt. Die charmanten Kurven betont, ahnend welch wohlgefällige Annehmlichkeiten einem danach erwarten, wenn die Hüllen gefallen sind.
Vermutlich wohltuender als jedes Wochenende in einem überbuchten unpersönlichen Wellnesshotel. Und möglicherweise eine sehr belebende Sache für eine Beziehung. Eine Affäre mit dem eigenem Mann, sozusagen.
Von einem befreundetem Paar weiß ich, dass es noch einige anderesündige Hotels in Wien gibt, die ebenso charmant daher kommen. Die Beiden haben schon einige davon getestet. Für sie war in der Quintessenz das Gesamtbild aber vor allem die persönliche und freundliche Betreuung der Gastgeber ausschlaggebend. Wichtig für das Wohlfühlen, ohne das einem ein schlechtes Gewissen auf die Schulter klopft.
In manchen Ländern dieser Erde werden Stundenhotels besonders komfortabel eingerichtet.
Die Love Hotels in Japan sind mit Karaoke-Boxen und Whirlpools ausgestattet.
Im Stadtteil São Conrado von Rio de Janeiro befinden sich Motels, welche Luxuszimmer mit dazugehöriger Dampfsauna, Whirlpool, persönlicher und von außen nicht einsehbarer Terrasse mit eigenem Swimmingpool, anonymen Aufgang und anonymen Zimmerservice mittels Durchreiche, bestückt sind.
Abhängig von Kultur, Anstand und Moral wird man sie fast auf der ganzen Welt finden. Die Stundenhotels mit ihren Separees für lustvolle Stunden.