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Nein, nicht schon wieder eine Psycherl-Geschichte! Doch es muss sein. Nein, nicht nur weil ich davon „betroffen“ bin. Auch nicht, weil ich mich deswegen mit diesem Thema vermehrt beschäftige. Und deswegen vor lauter psychisch kranken Menschen keine „Normalos“ mehr sehe. Nein, auch das ist nicht der Grund.
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Vielmehr weil viel mehr Menschen seelische Probleme haben, und nach wie vor denken, das geht vorüber. Sicherlich hat sich das in den letzten Jahren schon ein wenig geändert. Doch der Großteil quält sich alleine damit herum. Das kann fatal werden und enden. Das viel kolportierte Schlagwort „BurnOut“, welches nach wie vor irgendwie einen schalen Beigeschmack hat. Aber heutzutage wird ja ohnehin meist um das Problem an sich rundum diskutiert anstatt tatsächlich sich mit dem Thema auseinander zu setzen.
Ich kenne beide Seiten. Nach meinem ersten Zusammenbruch 2001 hatte ich das große Glück, einen Menschenan meiner Seite zu haben. Jemand, der wusste wie hart es ist, sich wieder auf zurichten. Aber ein weiteres großes Plus für mich war, dass ich wieder einen Job gefunden hatte. Eine Beschäftigung, die alles beinhaltete was ich gerne tue und auch meiner beruflichen Vorgeschichte sehr entgegen kam. Es war sozusagen mein Traumarbeitsplatz. Knapp 9 Jahre war ich dort angestellt. Das Ende war sehr bitter. Ich landete wieder in der Psychiatrie. Sicherlich waren es nicht ausschließlich die Geschehnisse im Betrieb, doch es ist nach wie vor ein Tabuthema für mich persönlich. Ein weiterePTBS, die sich zu den anderen gesellt.
Menschen am Rande der Gesellschaft begegneten mir beruflich im Obdachlosenheim und eben in meinem letzten Job. Viel Engagement und Herzblut habe ich da reingesteckt. Wohl sicherlich auch deswegen, weil ich weiß, wie sich die „andere“ Seite anfühlt. Jetzt muss ja nicht gleich jeder das absolute Kontrastprogramm auskosten, um sich mit einer Sache auseinander zu setzen. Aber es kann sehr lehrreich und besonders hilfreich sein. Zumindest habe ich diese wertvollen Erfahrungen machen dürfen.
Sehr viel habe ich besonders hier bei f+f über meine persönlichen Erlebnisse geschrieben. Sehr dankbar dafür, dass ich es hier veröffentlichen darf. Aber ich würde es auch für mich ganz alleine tun, weil es verdammt wichtig ist. Ich habe schon immer geschrieben, weil da eben meist niemand war mit dem ich darüber sprechen konnte. Und wenn keine Worte da waren oder sind, male ich.
Therapie alleine reicht nicht. Es braucht ein menschliches Gegenüber. Auch dann, wenn man ganz gerne alleine ist. Auch dann, wenn man denkt: „Ich krieg das schon wieder auf die Reihe“. Tabletten (Psychopharmaka) können hilfreich sein.
Mein persönlicher Eindruck ist, eine tatsächliche Heilung gibt es nicht. Für mich sind diese seelischen Verrücktheiten zu ständigen Begleiter geworden. Kumpels, die halt mit mir gehen. Eine mehr oder weniger stabile Phase kann ich erreichen. Mich an unterschiedlichen Dingen festhalten, um nicht unter zu gehen. Sinnhafte Dinge im Leben finden. Beschäftigungen und Tätigkeiten die mich ein wenig aktivieren. Mich nicht untätig herum sitzen zu lassen und darauf zu warten, wann denn das alles vorbei sei. Es geht nicht von alleine vorüber. Ich arbeite hart daran, verdammt hart. Vor allem daran, dass ich tatsächlich wieder so etwas wie wahre Lebensfreude in mir spüre.
Ich vergleiche das mit der Geburt meines Sohnes. Ein wahrlich flottes und relativ schmerzfreies Ereignis. Doch die Nachgeburt war die Hölle.
Obendrein ist es ja nicht ausschließlich die psychische Erkrankung, die ein halbwegs akzeptables Dasein erschwert. Der Rattenschwanz, der sich an dieses Handicap fügt ist lang, und wird immer länger, desto länger ich daran arbeite.
Der Jobverlust brachte natürlich enorme finanzielle Einbußen mit sich. Gut, das ewige Jonglieren mit dem lieben Geld, habe ich ja schon all die Jahre beherrscht. Aber es ist doppelt frustrierend, wenn ich sehe, ich habe kaum Einfluss darauf, es zu ändern. Auch deswegen nicht besonders berauschend, da mir dadurch einige Aktivitäten nicht möglich sind. Da können 2 Fahrscheine schon ein Grund sein, nicht irgendwo hin zu fahren. Verbesserungen im Wohnbereich scheinen mir unerreichbar weit. Meine ewige Baustellen, mit denen ich leben muss. Ein Bad, welches nicht voll funktionsfähig ist und unzählige weitere reparaturbedürftige Dinge. Ok, abgelegt und akzeptiert. Dennoch teilweise für mich persönlich unangenehm und peinlich, wenn ich Gäste habe.
Eine dringende Instandsetzung und Erneuerung bedarf es seit Jahren auch meiner Zähne. Ohne Kohle keine Beißerchen. Da ist jedes Lachen in der Öffentlichkeit eine Herausforderung. Lücken im Mund, kommen nicht so gut an.
Knapp drei Jahre definitiv nicht Raus gehen, minimalistische soziale Kontakte pflegen, nichts tun. Alles deswegen, weil es aufgrund der Ängste und Paniken nicht geht. Auch hier ist der Blutzoll den ich dafür bezahle sehr hoch. Körperlich verkümmert. Muskelschwund, meine körperliche Fitness ist deutlich unter null. Dahingehend bin ich dabei, es langsam aber stetig zu ändern.
Letztendlich ist es ein Kreislauf der sich verselbstständigt hat, der extrem schwer zu verlassen ist. Es fühlt sich so an, als müsste ich aus einem rasenden Satelliten im Orbit aussteigen, ohne dass er Halt macht.
Massiv verwelkt, fast schon völlig vertrocknet ist im Lauf der Jahre der persönliche Kontakt zu Menschen. Vergleichbar mit meinem Ficus Benjamini. Eine Zimmerpflanze die ich schon ewig besitze. Das Bäumchen sieht aus, als würde es täglich zu Grunde gehen. Doch dann sprießt da wieder ein jungfräuliches zartgrünes Blättchen aus dem verholzten Stamm. So wie dieser kleine Überlebenskünstler, versuche auch immer wieder Zeichen nach Draußen zu morsen: „Hallo, ich lebe noch, ich bin nicht ansteckend, ich habe auch ohne Geld was zu bieten, auch ich kann lachen (selbst mit Zahnlücke) , auch ich bin ein Mensch!“
Phasenweise habe ich den alltäglichen Umgang mit Menschen verlernt. So manches Mal fühle ich mich sogar unfähig überhaupt noch Konversation zu betreiben. Verunsichert, ja einfach ungeübt tänzle ich auf dem Parkett der Kommunikation herum.
Gerade die Beziehung zu nahen Menschen, scheint mir ein enorm wichtiger Aspekt hinsichtlich der Stabilisierung oder gar Verbesserung der Lebenslage zu sein. Immer wieder höre ich von Menschen, die schwierigste Schicksale zu bewältigen haben:“Wenn ich den oder die nicht gehabt hätte…!“
Wahrlich ein Perpetuum mobile. Ich weiß, es wird sich nicht das Gesamtbild mit einem Schlag ändern. Es wird nichtder Tag kommen, wo es vorbei ist. Es ist ein verdammt langer Prozess, harte Arbeit. Ein steiniger Weg mit weiteren Hürden und Blasen an den Füßen. Hoffentlich keine Knochenbrüche mehr. 12 WochenGips reichen.
Auch wenn ich tatsächlich nicht weiß, wozu und warum ich weitermache. Ich tu es halt. Vielleicht auch, weil ich keine für mich passende Methode gefunden habe um mein Leben zu beenden. Einen für mich angedachten Auftragskiller, kann ich auch nicht bezahlen. Ich tripple von Tag zu Tag wohl auch vorwiegend, um meinem Sohn die Schmerzen zu ersparen. Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn etliche Menschen aus deinem Leben verschwinden und nicht nur weil sie gestorben sind.
Die große Anzahl unentwirrbar miteinander verquickter unangenehmer Dinge werden sich nicht in Luft auflösen. Ich kann lediglich jedes dieser Teile jeweils in den Vordergrund oder nach hinten verschieben. Ein täglicher Balanceakt. Phasenweise auch disziplinierte Ausblendung. Wie die immer wiederkehrende Sehnsucht nach dem definitiven Ende.
So wirklich weiterleben möchte ich nicht, aber das Sterben geht eben auch nicht so einfach. Es ist ohnehin meine ganz persönliche Entscheidung, ob ich weiter mache. Unter welchen Umständen, Unzulänglichkeiten und Mängel es weiter geht liegt jedoch keineswegs stets in meinem Zuständigkeitsbereich. Vieles davon habe ich sicherlich nicht freiwillig in den berühmten Rucksack gepackt. Es hat sich dort irgendwie rein geschummelt.
Das Wort Schuld, verliert in meinem Leben immer mehr an Bedeutung.
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