ARBEITEN IM FRIAUL - Von Bogumil Balkansky

Ich suchte Arbeit und bekam sie von einem Mann, dessen Name das Wort "Don" beinhaltet. Im Kopfkino spielten alle Mafia-Filme gleichzeitig. Die friulanische Realität ist aber ein Film von Federico Fellini.

Die Nächte der Cabiria

"Geh doch zu Don Johnnie! Er hat all die Arbeit hier!", lautet der lakonische Rat jedermanns, den ich frage. In Jeans und Polohemd, jung, gutaussehend, dezent freundlich, sitzt Don Johnnie allein in seinem kleinen Büro im Herzen Palmanovas und gibt mir bei Kaffee und Brioche einen Job; am Ende auch seine Hand: "Ein Vertrag ist vorläufig nicht notwendig, denn dieser Handschlag erfolgt ja zwischen Ehrenmännern."

Ich fahre jeden Tag vier "Tänzerinnen" zur Nachtbar "Conte di Monte Christo" in Butrio bei Udine. Ich bin immer stocknüchtern, fasse nur Lenkrad und Gangschaltung an. So mögen es die "Mädchen", so mag es Don Johnnie. Diese "Mädchen" sind am Abend jung, nett und riechen gut, wenn ich sie morgens im "Monte" abhole, sind sie alt, aggressiv und schweißtreibend betrunken. Ich bin also der Fahrer eines privaten Nutten-Taxis.

Die Nutten bezahlen die Fuhre von ihrem Geld, das Auto gehört mir, Don Johnnie gibt uns die Gelegenheit, Geld zu verdienen. Menschliche Geschichten aus dem Sumpf als Material für einen Autor ergeben sich nicht, weil das Dasein von Prostituierten überall nur ein trauriges Pendeln zwischen schnell verdientem und noch schneller ausgegebenem Geld ist und nicht mehr. Die Moralkeule wegen Mitmachens am liederlichen Gewerbe halte ich aus.

Zwischenspiel: Der heilige Johnnie

Warum die Männer, die für Don Johnnie arbeiten, ihn manchmal "Lo Santo", den Heiligen, nennen, erzählt mir ein anderer Fahrer. Johnnie soll Frau und Baby eines illegalen "Negro" aus einem kanarischen Flüchtlingslager nach Madrid geschleust haben, um sie dann persönlich nach Palmanova im Friaul zu schmuggeln und für legale Papiere, Wohnung und Arbeit für den "Negro" zu sorgen.

Eines Abends, bei Übersetzungsarbeiten für seine neue Firma, die Begleitsicherungen für Schwertransporte durchführt, bin ich vom Merlot mutig und frage Don Johnnie nach seinem Spitznamen. Im Mafia-Film käme nun eisig eintretende Stille, aber er lacht laut: "Bevor du auch das fragst: Meine Eltern waren Hippies aus Padova, große Fans von Charlie Chaplin. Sie gaben mir den Namen einer Chaplin-Figur und haben mir immer gesagt, ich soll Gutes nur tun, wenn es schwierig ist. Deswegen habe ich dem 'Negro' geholfen. Deswegen und falls es eines Tages so weit kommt, dass mir nur noch ein 'Negro' helfen will. Dann weiß ich, wo meiner wohnt!"

Das Lied der Straße

Das Nutten-Taxi ist ein Test. Bald erhalte ich einen Arbeitsvertrag in Johnnies neuer Firma und eine vorläufige Lizenz, die bescheinigt, dass ich ausgebildeter Fernfahrer bin. Ich lenke aber keinen "camion" (Lkw), sondern nur die "scorte", eines der Autos mit gelben Rotationslichtern, die vor und hinter dem Schwertransport fahren. Meist ist die Ladung ein riesiger Kessel, manchmal sind es Schiffsmotoren oder Kranteile.

Bei Winternebel dauern die Transporte bisweilen mehrere Tage. Dann schlafen wir in unseren Autos und stinken nach Zigaretten und Schweiß. So bekomme ich fast alle Straßen Friauls und des Veneto unter die Räder. Das obere Piavetal ist meine liebste Strecke. Hier liegt das Dorf Longarone, im Volksmund "la povera", die Arme, genannt. Es ist im Ersten Weltkrieg Beute im Handstreich und erster Sieg des Leutnants Erwin Rommel. Am 9. Oktober 1963 wird Longarone bei der Katastrophe der Talsperre von Vajont zusammen mit seinen Einwohnern in wenigen Sekunden von einer Wasserwand ausgelöscht. Povera Longarone. Manchmal sind die Kessel auf dem Camion, den wir sichern, weder neu noch leer, wie es im Frachtbrief verzeichnet ist, sondern außen mit übermalten Rostflecken bedeckt, und aus dem Inneren hören wir das Blubbern und Schwappen einer Flüssigkeit. Manchmal tropft es aus dem Kessel, wenn wir an Longarone vorbeifahren. Povera Longarone ...

Das Schiff der Träume

Unsere kleinen Konvois werden vom alten Eligio geführt. In seiner Jugend bekommt er den Spitznamen "il missile", die Rakete, weil er unter den Camionisti des Friaul als der schnellste gilt. Eligio führt uns, weil er buchstäblich jede Straße und jeden Schleichweg um Staupunkte Norditaliens kennt. Viel wichtiger ist, dass Eligio auf jeder unserer Routen jede Trattoria, in der man gut, viel und billig zu Mittag essen kann, ebenfalls kennt.

Eligio ist Esule, ein Italiener aus Istrien, und spricht mit mir oft Kroatisch. Mit 17, als sein Vater stirbt, tritt er sein karges Erbe an: ein kleines Fischerboot mit kaputtem Motor. Eligio wirft den Motor ins Meer und rudert das Boot nach Italien. Sein Ziel ist das nahe Triest, aber nach drei Tagen des Ruderns landet er lebensbedrohlich dehydriert in Venedig. Danach wird Eligio ein Camionista, schickt seiner Mutter Geld, heiratet und scheidet drei Frauen und baut in Istrien ein Haus fürs Alter. Als meine Freundin und ich Italien verlassen, leitet Eligio, "il missile", die istrische Filiale von Johnnies Begleitsicherungen für Schwertransporte.

Epilog: Mein Haus bei Vicenza

Seit wir in Wien leben, sind wir viermal umgezogen, und ich wechselte meine Handynummer noch öfter. Trotzdem überrascht es mich nicht, als mein Handy läutet und Don Johnnie sagt: "Ich komme morgen nach Wien und besuche euch. Ich brauche einen kleinen Gefallen von dir."

Am nächsten Tag, zu Tisch bei uns, bei einer Flasche Zweigelt, während unser Sohn um seine Beine krabbelt, gibt Don Johnnie mir ein Kuvert: "Hier ist dein Flugticket und deine Kreditkarte. Nächste Woche kaufst du ein Haus bei Vicenza. In drei Monaten verkaufst du es meiner Frau."

Mein Anwalt meint, es kann nur etwas "Steuersparendes" sein, das mittlerweile verjährt ist, weswegen ich ruhig darüber schreiben kann. Ich fliege jedenfalls nach Italien, absolviere mit Don Johnnie Termine bei Bank, Anwalt und Notar und werde Besitzer eines Hauses in Saccolongo bei Vicenza. Beim Abschied auf dem Flughafen bekomme ich noch ein Kuvert. Drei Monate später sehe ich Don Johnnie zum vorläufig letzten Mal und verkaufe das Haus an seine Frau. Noch ein Kuvert. Abflug. Ciao, bella Italia!

Meine Freundin, unser Sohn und ich verbringen die folgenden drei Sommermonate in Kroatien und bezahlen alles aus zwei Kuverts.

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