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Grad hat man einen teuren, schlechten Film über Jesu Wiederkunft in Sachen Weltuntergang gedreht. Von Weltuntergängen halte ich nix. Von Jesu Geburt hingegen sehr viel. Besonders dann, wenn ich sie mir in Simmering unserer Tage denke
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Eines frühen Nachmittags im Dezember 2012 ...
Aufbruch in die Wüste
An diesem Tag kehrt der Leiharbeiter Josef Heilig unerwartet früh aus der Möbelfabrik in die kleine Wohnung in Meidling, die sein und seiner hochschwangeren Frau Maria bescheidenes Daheim ist. Eine Weile sagt Josef nichts, sondern sieht nur zu, wie Maria Wiener Schnitzel eilig paniert und in der Pfanne bäckt. Josef ist ohnehin ein wortkarger Mann und seine Gattin Maria längst daran gewöhnt, dass er so gut wie immer im Telegrammstil spricht.
"Bin Hock´nstaad. Möbelfabrik mocht dicht. Wirtschaftskrise. Eh kloa."
Und wenn Maria sich ärgert oder gestresst ist oder Josef nur Retourkutschen gibt, dann auch im Telegrammstil. Doch sie wartet ab, bis Josef zu essen beginnt.
"Mir san delogiert. Hob an Gentest g´mocht. Unser ungeborerner Sohn is ned von dir, sondern vom Herrn der über uns... "
Den Rest von Mariens Telegramm hört Josef nicht, weil er an dieser Stelle beginnt sein Schnitzel und dazwischen sein Antworttelegramm auszuhusten.
"Du host wos mit´m Kriwanek! Bist deppat! Unser Kind wird ein Kriwaneeek!?"
"Bist oag! Ich hab´ g´sagt: Der Herr, der über uns wacht! Das ist der Herr der himmlischen Scharen! Erschaffer des Universums! Gott unser Herr! ... Josef! Unser Kind is total heilig! Und des is total super!"
"Ii bin hocknstaad, mir san delogiert und mein Sohn ist ein Kuckucksei! Wos is daran so super, mein Weib?"
"Des is ganz aafoch, Sepp! Mir san jetzt die heilige Familie, krieagn von drei Könige Gold und irgendwos, wos i vergess´n hob, wos a eh wuascht is, weil die Hauptsoch is, des unser Sohn die rechte Hand vom Chef is und uns alle total erlöst! Aber jetzt miassma aufbrechen und uns auf eine Wanderung durch die Wüste machen!"
"Wüste? Ich will nicht nach Simmering!"
"Sepp! Das ist ja nur für die Geburt! Da Krig´ma ja das Gold und des andere Zeug wenn der Erlöser geboren ist!"
"Erlöst der uns aa vom Kriwanek?"
"Na sicher, Sepp!"
"Na gut, Maria mein Weib! Pock ollas zamm und i hol des Moped!"
Zeichen und Wunder
Unter grauem Himmel und bei bitterkaltem Wind findet die Wanderung Josef und Mariens durch Simmering an einer einsamen Kreuzung ihr jähes Ende. Als Josef vor der roten Ampel hält, stirbt der Motor ab. Maria ist ungehalten, weil ihr kalt ist und verlangt zu wissen, wann die Reise weitergeht.
"Glei, gehts weiter! Ich warte nur auf Zeichen und Wunder, Weib!"
"Ave mir Maria! Gebenedeit bin Ich unter den Frauen und gebenedeit ist auch die Frucht meines Leibes Je..."
"Mitzi, wos reds´t du do?"
"Sepp, ich bete eine Runde!"
"Za wos tuast jetzt beten, Weib?"
"No das Zeichen und Wunder geschehen!"
"Weib, du bringst mi echt no ins Grob! I woat auf die Scheiß-Ampel, das grün wird und hoff auf a Wunder, das des Mopetl wieder anspringt!"
"Na dann siehe, Josef! Es geschehen Zeichnen und Wunder! Dei scheiß-Ampel ist grün! Und do vuan is a Auto-Werkstatt! Und jetzt Hopp-Auf! Ii glaub von dem vün Kopfstaapfloster is mei Fruchtblase geplatzt!"
Nun trifft Josef, der Maria wirklich innig liebt, auch wenn er oft derb mit ihr redet, der Ernst der Lage mit geballter Wucht. Er muss handeln! Und beginnt das Moped und die darauf sitzende Maria in Richtung der Auto-Werkstatt zu schieben, während wie durch ein Wunder der Himmel aufreißt und die Heilige Familie in das gleißende Licht der Wintersonne taucht.
Die Begegnung der dritten Art
In der Werkstatt ist es dunkel und Josef, geblendet vom Licht der Sonne schiebt das Moped und Maria mehrere Meter hinein, bevor er es aufbockt und nach einem Lichtschalter zu suchen beginnt. Doch plötzlich leuchten grelle Scheinwerfer auf. Vor Maria und Josef ist eine kleine Bühne mit einem gynäkologischen Stuhl, ein Spotlight ist auf Maria und Josef gerichtet, im Hintergrund sind einige Kameraleute und Tonassistenten. In einer Wolke aus Schwefel erscheint genau vor den erstarrten Eheleuten Dominic Heinzel.
"Willkommen meine Damen und Herren zur Geburt Jesu! Soeben sind Maria und Josef eingetroffen! Wie ich sehe, rinnt das Fruchtwasser schon und jeden Augenblick sollten die Wehen einsetzen. Wir haben für sie keine Mühen gescheut und diese putzigen, kleinen Minikameras mitgebracht, um Ihnen auch eine Innenansicht dieses weltbewegenden Ereignisses zu präsentieren! In wenigen Minuten sollten auch die Heiligen Drei Könige eintreffen! Sie sind weise, sie sind aus dem Morgenland und sie haben die Hände voller Geschenke! Nur noch ein Werbespot! Bleiben Sie dran!"
Das Spotlight geht zwar aus, aber Josef und Maria sind immer noch versteinert. Dominic Heinzel greift in seine rote Lederjacke, holt sein Handy hervor und presst es nervös ans Ohr.
"Was! Verhaftet? Abschiebung? Bin schon unterwegs!"
Erst in diesem Moment kommt Josef wieder zu Sinnen und nähert sich dem heftig gestikulierenden Dominic Heinzel.
"Tschuidigen, der Herr... er warat nur wegen dem Moped..."
"Halts´Maul Du! Wir sind gleich auf Sendung!"
Bevor Josef etwas sagen kann, ist er zusammen mit Maria wieder im Spotlight und Dominic Heinzel drängt sich zwischen die beiden.
"Meine Damen und Herren, eine Sensation! Wir berichten in wenigen Minuten Life vom Flughafen in Schwechat von der Abschiebung der Heiligen Drei Könige! Zollbeamte haben verdächtige Substanzen und Goldmünzen ungeklärter Herkunft bei ihnen gefunden! Ein Terroristischer Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden! Nur noch ein Spot! Bleiben Sie dran!"
Als nun die Scheinwerfer wieder erlöschen, ist Josef ungehalten.
"Hean sie, lieber Herr! Sie brauch´n net so a tam-tam mochn! Ii brauchert nua a Zündkerz´n und mei Frau aan Kreißsaal!"
Dominic Heinzel dreht sich unmenschlich schnell zu Josef und packt ihn an der Gurgel während er drohend zu Maria blickt.
"Nix da! Du hoit´s zamm, bis i wieder z´ruck bin! Dann gemma Life auf den Geburtskanal! Nur noch ein Spot!"
Danach löst sich Dominic Heinzel in einer Wolke aus Schwefeldampf auf. Ebenso die Bühne, der Gyno-Stuhl, die Scheinwerfer, die Kameraleute und ihre Assistenten. Im Halbdunkel bleiben Maria und Josef alleine zurück. Nur dort, wo vor wenigen Augenblicken Dominic Heinzel steht, liegt nun ein durchsichtiges Müllsackerl, zur Hälfte voll mit weißem Pulver.
Der gute Mensch von Simmering
Als sich der Schwefeldampf verzieht, greift Josef nach dem Sackerl.
"Ist es Mehl, Weib? Schaut ma mehr aus wia a Waschpulver..."
In diesem Augenblick betritt der Inhaber der Werkstatt, Karl Sobotka, wegen seiner Zugehörigkeit zu den Hells Angels in der Umgebung nur als "Engel-Charly" bekannt, seine Werkstatt.
"Wos mocht´s es zwa Sandler in meinem Atellier?"
Doch bevor Josef antworten kann, erkennt Engel-Charly das Problem.
"Aha... i siach scho´! Es tropft!"
Josef ist erleichtert, mit einem Profi zu reden.
"Naa, des Öl ist OK, i glaub´es is wos mit der Zündkerz´n, oda...
"Ned des Mopetl du Dolm! Dei Oide tropft! Heast, die schütt jeden Moment aus! Wos mochma!?
Josef drückt dem Mechaniker das Sackerl mit dem weißen Pulver in die Hand und eilt zu Maria.
"Oh mein Gott! Es ist soweit! Herr Mechaniker! Bitte gewähren Sie mir und meinem Weib ein Obdach zur Niederkunft! Wir sind arm und vertrieben, haben nichts um ihre Güte zu entlohnen - außer unserer Dankbarkeit! Und diesem Sackerl mit Waschpulver!"
Es wird für immer ungeklärt bleiben, wieso Josef plötzlich salbungsvolles Hochdeutsch spricht, aber es ist anzunehmen, dass die Größe des Augenblicks auch seinen ungeschliffenen (aber gutmütigen) Kern erreicht hat. Ein Wunder Mehr halt. Engel-Charly jedenfalls hat eine Offenbarung als er seinen kleinen Finger in das Pulver tunkt und es in das Zahnfleisch reibt.
"Oh mein Gott! Ii g´spia mein G´sicht nimmer! Uuuuuaaa-leiwond!"
Josef ist froh, dass sein Geschenk angenommen wird.
"Nehmen Sie ruhig alles...! Kann ich meiner Frau eine Stätte zur Niederkunft bereiten, da hinten zwischen dem Moped, dem Motorblock und dem Getriebe?"
"Naa! Allanich schoff ii des ned! Owa, es kennts do niedekommen so oft es wollts! Und ii ghoit ma des... Waschpulver! O´gmocht?
"Gilt, guter Mann!
Engel-Charly hilft Josef, Maria zu ihrer improvisierten Bettstatt zu tragen. Maria schweigt tapfer, Charly freundlich.
"Mocht´s es eich do hint´n bequem! I muaß nur a poaa Habara anrufen, heit is Party... äh Woschtog... mir hob´m olle vüü schmutzige Wäsch... und... no du waast eh...
Josef nickt und Maria lächelt.
"Nur zu! Wir haben unser Platzerl schon gefunden...
Doch Engel-Charly hat sein Handy bereits am Ohr.
"Jo! A hoib´s Kilo! Ii kann´s sowa ned glauben! Ruaf den Vickerl an! Und den schnellen Heinzi und sei Partie! Heit geht´s Ramba-Zamba! Und heast, Schurli... vergiss die Schlompna ned!"
Die Geburt
Einige Stunden später ist in der Werkstatt des Engel-Charly die Weihnachtsparty in vollem Gange. In einer Ecke liegt zwischen einem kaputten Moped, einem LKW-Getriebe und einem Motorblock, Maria in den Wehen. Joseph steht ihr bei, während die Partygäste in Strömen Bier und diverse Drogen konsumieren. Dominic Heinzel erscheint nicht mehr, die Kurznachrichten berichten, das er am Flughafen von einem gewalttätigen, homophoben Ausländer geschlagen wurde. Maria hat große Schmerzen, Josef versucht Hilfe zu holen und eilt zu den Partygästen in der Hoffnung einen Arzt zu finden. Er erblickt eine Krankenschwester.
"Gott sei Dank! Gute Frau Krankenschwester, bitte helfen Sie!.. meine Frau!... ein Kind!... Da hinten!"
"Bist deppat Oida! I moch kaane Jobs mit Kinda! Wonn´st aan Frischfisch wüst, muaßt den schönen Schurl frog´n... do hint´ isser... mit de gaunz´n Nonnen.. der, der wos ois a Pfoff´ verkleidet is!
"Verkleidet!?
"Wos host´n du eigwofn´ Oida! Owa i glaub´ du bist doch nur deppat! Schau: des saan ois Nutten! Hurna! Schwalben der Nacht! Pferdchen! P-r-o-s-t-i-t-u-i-e-r-t-e! Und a pooa Strizi plus Motorrad-Rocker! Und ooooole mitanond samma echt schwer auf Drogen und Alk! Host mi?
"Und Sie, gute Frau? Sind sie auch nur verkleidet? Was mach ich jetzt nur!?
"I bin ned verkleidet! I kumm nua direkt aus der Hockn´! Im AKH. I bin a echte Krankenschwester mit Diplom und so... Anschaffen ist mein Zweitjob!
Joseph reckt die Hände gen Himmel.
"O Herr! Wahrlich, Du vergisst deine Schafe nicht! Gute Frau! Sie schickt doch der Himmel! Meine Frau gebiert da hinten ein Kind! Bitte helfen Sie!"
Joseph und die Krankenschwester eilen zu Maria. Die Krankenschwester untersucht Maria.
"Oje! Des wird eine Steißgeburt! Holt den Kälberstrick! Gute Frau, des wird jetzt a bissl wehtuan, owa mir check´n des schon... glaub ii ..."
"Schwester! Haben Sie etwas gegen die Schmerzen?"
Die Krankenschwester hält zwei Pillen in ihrer Hand. Eine ist blau, die andere rot. Und sie spricht auch plötzlich Hochdeutsch.
"Willst du die rote Pille, oder willst du die blaue Pille?
Maria ist verzweifelt.
"Wie soll ich das wissen, gute Schwester? Wozu ist denn die rote Pille? Wozu die blaue?"
Die Krankenschwester betrachtet kurz die eine, dann die andere Pille.
"Gute Frage.... Wast wos klaane!? Schneid´ aafoch olle zwaa ein! Wird schon wirken...
Maria schluckt die blaue und die rote Pille.
In diesem Augenblick geschehen zwei Wunder.
Ein "Hells Angel" hält den elektrischen Sicherungskasten für das Pissoir. Als sein Urin auf Strom trifft, beginnt er zu glühen und es findet eine chemische Reaktion der Drogen in seinem Körper statt. Aus seinen Hosenbeinen schießen zwei Feuerstrahlen und der „Hells Angel" zischt hoch in den Himmel. Das ist der Stern von Simmering in dessen fahlem Schein der Jesus von Meidling gerade von einer Schar Nutten mit dem Kälberstrick aus Marias Leib gezogen wird.
Das andere Wunder ist ein güldenes Licht, das aus dem Scheinwerfer des kaputten Mopeds kommt und die Geburtsszene erleuchtet. Das alte Getriebe summt das Lied der Straße und der Motorblock liefert den Bass. Alle Partygäste blicken gen Himmel wo ihr Kollege als Doppelschwänziger Stern in der Stratosphäre verglüht. Jesus ist geboren!