Kürzlich verlautbarte die Generali-Gruppe, dass KundInnen Gutscheine und Rabatte gewährt werden, die nachweislich gesund leben. Wozu sie regelmäßig Daten betreffend ihren Lebensstil via App an die Generali übermitteln müssen.
Wie schon bei der Debatte rund um Social Freezing erscheint interessant, dass der Diskurs sich zuallererst um pragmatische Fragestellungen konzentriert - wie etwa Datenschutz und -sicherheit - und die strukturellen Konsequenzen weniger bedeutsam erscheinen. Im Zusammenhang mit dem Einfrieren der Eizellen hielt ich - folgend Byung-Chul Han - fest: Die Bedürfnisse der Unternehmen werden unter dem Deckmantel von Freiheit zu den Bedürfnissen der Mitarbeiterin gemacht.
Folgend der Logik des Selbstoptimierungsparadigmas wird die Humanressource belohnt, so sie sich von der Risikoreduktionslogik der Versicherer instrumentalisieren lässt. Es steht ja schließlich jeder und jedem frei, gesund zu leben oder eben nicht, sich fit zu halten oder eben nicht, Sport zu treiben oder eben nicht - wenn außer Acht gelassen wird, dass es einen entsprechenden Lebensstil (und damit einen sozialen Status) voraus setzt, der eine/einen in die Lage versetzt, sich Zeit zu nehmen, sich fit zu halten, Sport zu treiben und gesund zu ernähren. Die von Han konzedierteLeibeigenschaft schreibt sich einmal mehr, diesmal direkt aus dem Körper der (freiwillig) Betroffenen - die Versicherer, ursprünglich eingerichtet dafür, dass sie Risiken ausgleichen, transferieren das Risiko auf das Individuum und hebeln damit das Prinzip der Versicherung aus. Wo früher das Risiko über viele und lange Zeit verstrichen wurde, regiert die Quartalszahlenlogik und das Optimierungsparadigma. Wenn es Kunden gibt, die dem Versicherer am Ende des Tages weniger kosten, dann bin ich als guter Geschäftsmann angehalten, diese passend zu servicieren, nicht wahr? (Juli Zeh sagt in einem Interview mit der Süddeutschen: "Totalitäre Strukturen kleiden sich heute ins Gewand von Serviceangeboten.")
Felix Hufeld, oberster Versicherungsaufseher der Finanzdienstleistungsaufsicht in Deutschland, bemerkt dazu folgerichtig: "Wenn wir den Gedanken zu Ende denken, kann das letztlich zu einer Atomisierung des Kollektivs führen." Wir können ihn beruhigen. Dieses Kollektiv ist bald schon Vergangenheit...